Der Alte Jüdische Friedhof in Leipzig – eine erlebnisreiche Führung
Nachdem wir im Rahmen unserer Frühjahrsexkursion im Mai den Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee besucht hatten, der als der größte erhaltene jüdischen Friedhof Europas gilt, erschien uns ein Besuch des Alten Jüdischen Friedhofes in Leipzig unverzichtbar.
Mit seinen reichlich 5000 Gräbern gilt der Alte Jüdische Friedhof in Leipzig als der bedeutendste jüdische Begräbnisplatz Mitteldeutschland. Er wurde im Jahre 1864 geweiht, nachdem der fünfzig Jahre zuvor eröffnete, nur 1.200 Quadratmeter große erste jüdische Friedhof keinen Platz mehr bot für die Aufnahme neuer Gräber der rasch wachsenden Jüdischen Gemeinde der Stadt Leipzig.
Der Historiker Steffen Held, der sich seit vielen Jahren der Kulturgeschichte der in Leipzig ansässigen Jüdischen Gemeinde widmet, führte unsere Gruppe von reichlich fünfzig Mitgliedern der Paul-Benndorf-Gesellschaft über diesen etwa zwei Hektar großen Friedhof, dem noch heute unübersehbar die Narben der Zeit des Nationalsozialismus anhaften.
Held erläuterte die jahrhundertealte Geschichte der Juden in Leipzig, die immer eine Geschichte sozialer Ausgrenzung und religiöser Diffamierung war. So gehört der Umgang mit den Juden in der Geschichte der Stadt Leipzig wohl zu den dunkelsten Kapiteln dieser wohlhabenden Bürgerstadt. Die halbherzige Pflege dieses jüdischen Begräbnisplatzes inmitten unserer Stadt belegt die noch immer fehlende Bereitschaft der Häupter unserer Stadt für eine angemessene glaubwürdige Sühne und Wiedergutmachung.
Deshalb war es wichtig für uns, diesen Ruheplatz der Toten aufzusuchen und ihrer ehrend zu gedenken. Viele der hier in ihren Gräbern Ruhenden - wie Ariowitsch, Kroch, Plaut oder Goldschmidt und v.a. – haben größte Verdienste erworben um die Blüte der Stadt Leipzigs um 1900. So zeigt auch der Alte Jüdische Friedhof die Hierarchie im Tode – hervorgehoben sind die opulenten Wandgräber der vorgenannten Familien, die ihren wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Aufstieg in der gründerzeitlichen Ära Leipzigs immer aber auch genutzt haben, um sich beispielhaft und vorbildlich fürsorgend den Armen und Schwachen ihrer jüdischen Gemeinde zu widmen; sie waren glaubwürdige Wohltäter ihrer Gemeinde, die in ihrer jüdischen Religion auch immer einen sittlichen Auftrag für das Gemeinwohl erkannten und praktizierten.
Als ein Zeichen unserer Wertschätzung der Jüdischen Gemeinde und unserer Verbundenheit werden wir im Monat August den im Jahre 1928 geweihten Leipziger Neuen Jüdischen Friedhof besuchen, wo wir erneut gespannt sein dürfen auf die kenntnisreiche Führung von Steffen Held.
Alfred E. Otto Paul – 03.08.2018