Liebevolle Erneuerung der Grabstätte des Thomaskantors Prof. Dr. h.c. mult. Karl Straube und seiner Familie
Die Paul-Benndorf-Gesellschaft folgte in jüngster Zeit der Anregung einer Leipziger Ärztin, Mutter eines ehemaligen Thomasschülers, sich der völlig vernachlässigten Grabstätte der Familie des hochbedeutenden Thomaskantors Karl Straube und seiner Familie anzunehmen.
Nachdem die Paul-Benndorf-Gesellschaft im Januar 2021 die Patenschaft über die Grabstätte übernommen hatte, veranlasste sie im zeitigen Frühjahr die umfassende Restaurierung des Grabmals durch den Steinmetz – und Bildhauermeister Thomas Schneider. Anfang Mai erfolgte nun die gärtnerische Neuanlegung der Grabstätte durch den Gärtnermeister Steffen Schröder und seinen Mitarbeitern der Blumenhalle am Südfriedhof. Dabei folgten sie vollständig einem Gestaltungsentwurf der eingangs genannten Ärztin, in deren Mittelpunkt die Grabbepflanzung einen Bass-Schlüssel zeigt und damit besonders auf das musikalische Schaffen des verdienstvollen Thomaskantors Karl Straube verweist.
Wohl kein anderer Thomaskantor unter den bisher siebzehn Nachfolgern des großen Johann Sebastian Bach besaß ein solch charismatisches Gefühl für die Orgel, die Königin der Instrumente, wie Karl Straube, der zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Orgelvirtuosen der Welt galt und der im Jahre 1902 nach dem so frühen Tod von Carl Piutti zum Thomasorganisten berufen und schließlich im Jahre 1918 als Nachfolger des im Januar verstorbenen Gustav Schreck zum XI. Kantor nach Bach gewählt wurde.
Karl Montgomery Rufus Siegfried Straube, so sein vollständiger Name, entstammte einer alten märkischen Pastorenfamilie, sein Vater Johann verdiente sein Brot als Harmoniumbauer und wirkte gleichzeitig als Organist an der Heilig-Kreuzkirche in Berlin. Straubes Vorname Montgomery verweist auf seine englische Blutlinie, denn die Mutter Sarah Palmer entstammte dem englischen Landadel, war vielsprachig gebildet und hatte beim berühmten Sir Jules Benedict in London eine pianistische Ausbildung erhalten. Diese genealogischen Wurzeln in ihrer genetischen, intellektuellen und musikalischen Struktur dürften wohl schicksalsbestimmend gewirkt haben auf das kindliche Naturell des jungen Karl Straube, dessen charismatische Gaben besonders im Orgelspiel wohl frühzeitig bereits unübersehbar waren. Während anfangs der Vater im Orgelspiel unterrichtete, folgte Otto Dienel, der Organist an der Berliner Marienkirche als Lehrer und schon ab 1888 formte der unvergessene Heinrich Reimann den fünfzehnjährigen Karl Straube. Nachdem Heinrich Reimann ab dem Jahre 1895 Organist der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche war, avancierte der junge Karl Straube dort rasch zum ständigen Vertreter Reimanns an der großen Sauer-Orgel. Straubes steile Karriere setzte sich 1897 fort mit der Berufung zum Domorganisten der Willibrordikirche in der niederrheinischen Garnisonsstadt Wesel, die sich in jener Zeit gerade eine meisterhafte Orgel der renommierten Firma Sauer geleistet hatte. In jenem Jahr lernte Straube den gleichaltrigen Max Reger kennen, von dessen musikalischem Werkschaffen er sehr beeindruckt war und den er in der Folgezeit deutlich protegierte. Nahezu alle bis dahin entstandenen Orgelkompositionen Max Regers wurden vom Domorganisten Straube in Wesel uraufgeführt. Gleichermaßen inspirierten die mitunter recht komplizierten Orgelkompositionen Regers den virtuosen Straube zur beständigen Weiterentwicklung seiner Orgelspielkunst, in der er als der führende Orgelmeister Deutschlands galt.
Als im Juni des Jahres 1902 in Leipzig völlig unerwartet der Thomasorganist Carl Piutti starb, erhielt Karl Straube am 25. November 1902 vom Oberbürgermeister Bruno Tröndlin die Berufungsurkunde zum Thomasorganisten und hatte sich damit gegen zahlreiche sächsische Bewerber durchgesetzt. Straube, der weder ein Abiturzeugnis noch ein akademisches Studium nachweisen konnte, galt als reiner Autodidakt, der sich aber durchaus souverän gegen jeden Konkurrenten zu behaupten wusste. Straubes breites Spektrum musikalischer Meisterschaft führte rasch zur Übernahme der Leitung des Leipziger Bachvereins, mit dessen Ensemble er schon nach wenigen Monaten den ersten Bach-Kantatenabend in der Thomaskirche veranstalten konnte. 1907 wurde Straube Lehrer am Leipziger Konservatorium, 1908 verlieh man ihm den Professorentitel. Die Verkündigung des Bach´schen Werkes stand im Mittelpunkt des lebenslangen Wirkens von Karl Straube, dessen Laufbahn als Thomasorganist im Jahre 1918 nahtlos überging in das Amt des elften Kantors der Thomaskirche nach Johann Sebastian Bach. 1919 begründete Straube das Kirchenmusikalische Institut, 1920 vereinigte er den Chor des Leipziger Bach-Vereins mit dem Gewandhauschor. Den Thomanerchor führte er mit zahlreichen Konzerten hinaus in die Welt und begründete damit dessen bis heute bestehenden Ruhm.
In den zwanziger Jahren wurde Straube Ehrendoktor der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig und auch deren Theologische Fakultät ehrte gleichermaßen den hochgebildeten und verdienstvollen Thomaskantor Prof. Karl Straube.
Alfred E. Otto Paul – 05. Mai 2021