Viel gearbeitet, viel erreicht, viel gelacht
Der Vorstand der Paul-Benndorf-Gesellschaft bemüht sich um ein reges Vereinsleben und hierzu gehören auch freiwillige Arbeitseinsätze auf dem Friedhof. Man wird es mir vielleicht nicht glauben, aber es war eine sehr befriedigende Tätigkeit bei herrlichem Wetter, von der ich kurz berichten möchte. Und wir haben viel gelacht. Zweimal bereits mussten wir den „Subbotnik“ ausfallen lassen, bekannterweise war der Mai ja keinesfalls ein Frühlingsmonat. Und auch der vorgesehene Termin im Juni fiel buchstäblich ins Wasser. Aber nun war es endlich soweit! Acht unverdrossene Vereinsmitglieder trafen sich am Dienstag, dem 6. Juli, an der Geschäftsstelle und gingen bald unter der kundigen Führung ihres Vorsitzenden hurtig ans Werk.
Dem Verein ist ja die Renovierung des Grabmals von Adolf Lehnert ein besonderes Anliegen; entsprechende Fördermittel vorausgesetzt und unter dem Vorbehalt genügender Eigenmittel will die Paul-Benndorf-Gesellschaft dieses großartige Kunstwerk als nächstes vor dem Verfall bewahren. Derzeit aber bleibt uns nur das provisorische Säubern des Grabmals, das Freischneiden von Efeu und anderem Grün sowie Jäten und Fegen. Es ist unglaublich, welchen Schaden die Pflanzen den Steinen zufügen können. Mit doch einigem Aufwand wurden Äste und Stämme, die bereits die gesamte Konstruktion zu sprengen drohten, entfernt und dem Grab damit erneut Zeit gegeben, auf eine professionelle Erneuerung zu warten.
Der Südfriedhof ist ja auch ein Ort spontaner Entdeckungen. Und so entdeckte die Gruppe unweit von Lehnert das Grab der Familie Kayser, von Bäumen nicht nur beschattet, sondern völlig zugewachsen. Eine die Arme öffnende Engelsfigur enthüllte sich bei näherem Hinschauen den Betrachtern; wie oft ist man hier vorbeigeschlendert und hat dieses Kunstwerk nicht erkennen können! Was vor Jahrzehnten als Trost spendende Begrünung gedacht war, hatte sich inzwischen zu einer Bedrohung des Grabmals geradezu ausgewachsen. In einer spontanen Anstrengung konnten der Engel und das gesamte Grab wieder für die Zeitgenossen sichtbar gemacht werden.
Nach dieser Tat war die Gruppe noch relativ frisch und posierte für ein Gruppenfoto. Zu sehen sind (v.l.n.r.): Bernd Fritsche, Alfred E. Otto Paul, Hans Drechsel, Christian Hönsch, Ursula Drechsel, Sigrid Haring und Kirstin Rosenberg. Richtig dreckig und anstrengend wurde es erst beim folgenden Grab, aber hier war das Erfolgserlebnis auch besonders groß! Wir gehen zur Grabstelle des Musikalienhändlers Theodor Steingräber.
Dieses Grab befindet sich in der III. Abteilung, direkt neben den sog. Priestergräbern und unweit der fast riesigen Grablege des Pelzhändlers August Wilhelm Oelssner. Hier wurde ein Juwel freigelegt, falls dieser Begriff für ein derartig großes Kunstwerk angemessen ist. Ein fast völlig zugewachsenes Grabmal wurde von den Beteiligten unter vielen Aahs und Oohs aus einer Art Dornröschenschlaf geweckt. Nun erkennt man die Mohnblüten, die den Übergang vom Schlaf zum Tod symbolisieren, man sieht das Putto in der Mitte oben (Alfred E. Otto Paul legt gerade letzte Hand an), Girlanden umwinden das Medaillon der heiligen Cäcilie (die heilige Cäcilie ist die Schutzpatronin der Kirchenmusik), ihre Attribute sind die Orgel oder die Geige (auf dem Medaillon hier sichtbar ersteres), und sichtbar für alle Welt wurden auch die Schmetterlinge, welche Symbol der Wandlung und der Auferstehung sind. Man erkennt Engel am „Tor“ der Umfassungsmauer und gewinnt plötzlich ein Verständnis für die Gesamtanlage, das vorher unmöglich war. Es war für alle Beteiligten ein großer und schöner Moment an einem herrlichen Sommertag, die Wiedergeburt eines derartigen Kunstwerkes miterleben zu dürfen! Welche Effekte doch mit relativ geringen Mitteln zu erzielen sind.
Eigentlich nur als kurzweiliger Abschluss gedacht war die Beschäftigung mit dem Grab des Wagnerinterpreten und Tenors Otto Schelper. Ein paar Efeu-Ranken wegschneiden, etwas Platz schaffen für sein Portrait, eine Kleinigkeit.... Das Ergebnis war dann aber die Freilegung eines beeindruckenden Grabmals, über dessen Größe sich die Gruppe völlig getäuscht hatte. Die umstehenden Bäume hatten seit Jahren auf die Steine gedrückt, Äste eine beinahe symbiotische Verbindung mit dem Gestein gebildet, Wurzeln mussten gekappt und Dreck beräumt werden. Woanders wächst Gras über eine Sache, auf dem Leipziger Südfriedhof wuchert das Grün über das Gedenken.
Es waren trotzdem für die Gruppe der Freiwilligen glückliche Stunden, man kann es wohl so sagen. Der Wettergott hatte ein Einsehen gehabt und angenehme Temperaturen geschenkt. Die Erfolgserlebnisse waren groß, man kam sich menschlich näher und die Sinnhaftigkeit des Tuns der Paul-Benndorf-Gesellschaft wurde einmal mehr ganz besonders deutlich. Alle fleißigen Hände und Köpfe haben sich dann bei einer guten Tasse Kaffee in der Geschäftsstelle versprochen: „Wir kommen beim nächsten Mal wieder!"
Dr. Horst Siegemund