Bewahrung der Grabstätte Julius Zeitlers vor dem Verfall – Kurzbericht

Grabstätte Julius Zeitlers, Dora Zeitler, Friedrich Julius und Clara Richter

Als meine Frau und ich Ende 2009 an Alfred E. Otto Paul’s Führung über den Gohliser Friedhof teilnahmen, waren wir von der Grabstätte Julius Zeitlers, dessen Ehefrau Dora Zeitler und deren Eltern, Friedrich Julius und Clara Richter, sehr angetan, bewunderten die gestalterische Lösung – nicht ahnend, dass wir einmal zwei Jahre später, familiär bedingt, das Nutzungsrecht erwerben würden.

Trotz Maskierung durch den unerfreulichen Zustand der Grabstätte beeindruckte uns die zurückgenommene, klare, keinesfalls hypertrophe Gestaltung der Grabstätte, die Ruhe, Stille, Bleibendes empfinden lässt. Gestaltung und ausgewähltes Material (Kirchheimer Kalkstein) lassen die Handschrift eines kunstsinnigen Menschen, wenn nicht gar eines etablierten, leider nicht bekannten Künstlers erkennen. Besonders beeindruckend ist, wie dem Entwerfer die Einheit von klassischem Stil und fundiertem Zeitgeschmack gelungen ist, ohne einem profanen Jugendstilansatz zu unterliegen. Dieser Eindruck steht sicherlich im Zusammenhang mit unserer Sammlerintention, der Sammlung von Kunst und Kunsthandwerk um 1900 im Allgemeinen, des Jugendstils im Besonderen. Dabei beruht unser Sammlungsansatz, auf das Kunsthandwerk bezogen, auf einem sachlichen, einfachen, trotzdem ansprechenden Design.
Damit denke ich, ist auch das spontane Gefallen der Grabstätte Zeitler bei der Führung 2009 erklärbar, zumindest nachfühlbar.

Bei den vorbereitenden Schritten zur Restaurierung fiel auf, dass es faktisch relativ wenige Daten über Julius Zeitler und seine Familie gibt, ja, dass man ihn, anlog zu bildenden Künstlern, ebenfalls zur „verschollenen Generation“ rechnen könnte – denn wem, außer ausgewählten Fachleuten, ist er noch ein Begriff?
Den Ergebnissen meiner Recherche vorgreifend (für Interessierte verweise ich auf meinen Beitrag in den Leipziger Blättern 62 vom März 2013), sei an dieser Stelle zusammenfassend darauf hingewiesen, dass Professor Julius Zeitler als Verleger, Schriftsteller, Wissenschaftler und Hochschullehrer kulturhistorisch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für Leipzig und darüber hinaus hat, ja auch vorsichtig formuliert, vielleicht sogar in einer Linie mit den Multitalenten Harry Graf Kessler oder Julius Meier-Graefe zu sehen wäre.
Es gibt fast keine Autorität der geistigen und künstlerischen Elite Deutschlands, mit der er, vorrangig bedingt als Verleger des Julius-Zeitler-Verlags und als Mitstreiter des Tempel-Verlags, nicht im Kontakt stand.
Umso trauriger stimmt, dass eine Würdigung bisher fehlte, auch und vor allem, dass die Grabstätte jahrelang immer weiter verwahrloste.
Dem wollten wir mit unseren Möglichkeiten, auch getreu den Prinzipien der Paul-Benndorf-Gesellschaft - der Bewahrung und Nutzung von Kulturstätten zum gegenseitigen Nutzen - nachkommen.

Aus der Beschäftigung mit dem Leben und Wirken Julius Zeitlers konnten auch allgemeine Schlussfolgerungen zur Gestaltung der Grabanlage bzw. für den Restaurierungsansatz getroffen werden.

Konform mit Julius Zeitlers Anliegen einer, so möchte ich interpretieren, Wirksamkeit durch Einfachheit, die er auf allen tätigen Gebieten wie der Buchgestaltung, der Architektur vertrat und damit jede überzogene Üppigkeit konkret, aber auch prospektiv bekämpfte, sollte dieses auch im Restaurierungsvorhaben Anwendung finden:
Die Schrift auf der neu zu erstellenden Tafel wurde schlicht und zeitbezogen gestaltet. Eine Übernahme der Jugendstilschrift der verbleibenden linken Tafel mit den Daten von Julius und Dora Zeitler wurde deshalb für die rechte Tafel bewusst vermieden. Entschieden haben wir uns letztendlich für „Weiss Roman“, eine Schrift von Emil Rudolf Weiss von 1924, der auch die Schrift für die Tempelklassiker entworfen hat und die wir als zeitlos empfinden.
Die gärtnerische Gestaltung sollte ebenfalls der Einfachheit
entsprechen und nicht vom Muschelkalkensemble ablenken.
Der Schwerpunkt wurde dabei auf 1/3 Bepflanzung zu 2/3 freier Fläche gesetzt. Konkreter: Zwei Rhododendren, weiß und rosa, links und rechts vor der Rückwand der Grabstätte, dann nur noch flache Bodendecker. Der Weg wurde mittig bis zum Block zwischen den Säulen, kurz vorher in zwei Halbbögen auslaufend, angelegt.
Da die historische Bepflanzung/Binnengestaltung heute nicht mehr nachvollziehbar ist, kann mit dieser zurückhaltenden Bepflanzung, auch mit den entstehungszeittypischen Gehölzen dem gestalterisch wertvollen Kulturdenkmal als Zeugnis der Grabkultur um 1900 durchaus denkmalgerecht entsprochen werden.
Auf weitere Restaurierungsschritte soll hier nur überblicksweise eingegangen werden:
Die als Tempelfassade gestaltete Rückwand, ebenso wie die weiteren Steinbestandteile der Einfriedung, wurden materialschonend gereinigt und teilweise erneuert, ausgebessert bzw. gerichtet. Weiterhin erfolgte die Anfertigung eines neuen, frostsicheren Fundaments. Die Rückwand wurde vom Pflanzenwildwuchs befreit und die Fugen ausgespachtelt.
Ebenso wurden die waagerecht eingespannten schmiedeeisernen Stangen überarbeitet und an den Anschlagpunkten zwecks Vermeidung von Roststellen am Muschelkalkstein in Edelstahl installiert. Erneuert wurde die Stange im Eingangsbereich.

Abschließend danke ich nochmals allen Beteiligten, die meine Frau und mich bei dem sicherlich nicht ganz einfachen Vorhaben unterstützt haben, insbesondere Steinmetzmeister Sven Reigber und Gärtnermeister Frank Lehmann.
Literaturhinweis:

  • Findeisen, Christian: Einst „Doctor ubique“, heute fast vergessen – Erinnerung an Julius Zeitler im Zusammenhang mit der Restaurierung seiner Grabstätte auf dem Gohliser Friedhof, In: Leipziger Blätter, Nr. 62, Frühjahr 2013, S. 34-35

  • Richter, Andrea: Kaum bekannt und doch interessant. Ehepaar erinnert an den Verleger und Autor Julius Zeitler, In: Stadtleben, Leipziger Volkszeitung, Ausgabe Nord, 31. 5. 2013, S. 5

Christian Findeisen
Juni 2013

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