Herbstexkursion zum Südwestkirchhof Stahnsdorf

Unsere diesjährige Herbstexkursion führte uns am 17. Oktober 2015 im vollbesetzten komfortablen Reisebus zum Südwestkirchhof Stahnsdorf, dem größten deutschen Waldfriedhof und mit seiner gewaltigen Fläche von 206 Hektar nach dem weltgrößten Parkfriedhof Hamburg-Ohlsdorf schließlich auch dem zweitgrößte Friedhof unseres Landes. 
Der Regen der vergangenen Tage hatte sich während unserer Hinfahrt noch einmal mit letzten kräftigen Schauern gezeigt und uns dann aber den ganzen Tag gnädig verschont, so dass unsere mitgeführten Schirme durchaus entbehrlich waren.
Pünktlich um 10.30 Uhr standen nun 53 Mitglieder unserer Gesellschaft erwartungsfroh am Haupteingang, wo uns der Leiter des Südwestkirchhofes, Olaf Ihlefeldt, mit freundlichen Worten im Namen des von ihm vor Jahren gegründeten Fördervereins Südwestkirchhof Stahnsdorf zur vereinbarten Führung empfing.

Und Olaf Ihlefeldt bot uns eine Führung, die uns zutiefst beeindruckte, denn was wir da erlebten, war ein Zeugnis seiner profundesten Kennerschaft. Ihlefeldt hat den Genius dieses Friedhofes in seiner ganzen Breite, auf allen Feldern bis in die Urgründe erfasst. Von der sepulkralen Kulturgeschichte über die Kunstgeschichte bis hin zur Geistesgeschichte dieses großen Ortes der Ewigkeit – Ihlefeldt weiß, an welchem Orte er seit vielen Jahren wirkt, er ist höchst sensibilisiert für sein Amt, das er als Sendung versteht, als einen Auftrag, den er dankbar erfüllt.
Olaf Ihlefeldt ist ein Glaubwürdiger, der mit Herzblut seinen ehrenhaften Dienst für die Lebenden und die Toten versieht.

Die Aura dieses Friedhofes ist einmalig in großstädtischen Gefilden. Eine urwüchsige Landschaft vereinigt sich geradezu in mystischer Verklärung mit den Stätten der Toten und man empfindet diesen Ort als einen großen Garten des Herrn, als einen Ort des ewigen Friedens und der Ruhe.
Dieser Friedhof vermag wirklich zu trösten und zugleich die Seele zu erquicken. Der ganze Kosmos der Schöpfung scheint hier versammelt, und die Zuversicht über die Geborgenheit der hier ruhenden Toten in Gottes Friedensreich kann kaum größer sein.
Und all die großen Geister, die sich hier im Tode versammelt haben, bestärken den nahezu unbeschreiblichen Genius dieses Friedhofes, der hier so viele Botschaften zu senden vermag.
Ludwig Manzels Opus magnum, das monumentale Marmorrelief „Kommet her zu mir alle…“ allein ist Grund genug, selbst von weit her kommend, diesen grandiosen Friedhof zu besuchen.
Die Maler Heinrich Zille und Lovis Corinth wurden hier zur letzten Ruhe gebettet, ebenso Engelbert Humperdinck oder der Filmemacher Friedrich Wilhelm Murnau, dessen „Nosferatu“ ihn weltberühmt machte.
Der Sinologe und Legationsrat Emil Kreis, der 68 Sprachen beherrschte, liegt ganz in der Nähe des Tiermalers Wilhelm Kuhnert, der Alfred Brehms Tierleben so anschaulich illustrierte.
Und auch die Familie des Werner von Siemens findet sich hier in einem eigens geschaffenen kleinen Privatfriedhof, sozusagen ein Friedhof im Friedhof.

Lang ist die Liste der hier ruhenden berühmten Toten – aber ihre nicht selten schon zu Lebzeiten beabsichtigte eitle Präsenz im Sinne einer hierarchischen Ordnung auch im Tode wird hier durch die dominierende Vielfalt der Naturlandschaft mit ihrer teilweisen Morbidität absterbender Baumriesen, den bemoosten und im Laub vieler Jahre versunkenen hundertjährigen Denksteinen oder auch den Fragmentenvon der Natur zurückeroberter einstiger Wegeführungen letztlich nivelliert.
Die Gleichheit im Tode ist das weise Postulat dieses Ortes, an dem die Schöpfung regiert und der Mensch nur behutsam ordnend eingreift. Und das ist gut so.
Mensch und Natur haben hier gemeinsam ein großes, ein einmaliges Gesamtkunstwerk geschaffen.

Unser Besuch der im Jahre 1909 nach dem Vorbild der norwegischen Stabkirchen errichteten Friedhofskapelle war dann der krönende Abschluss unser reichlich zweistündigen Visitation des Südwestkirchhofes. Und wieder war der auch rhetorisch begnadete Olaf Ihlefeldt in Bestform - mit berechtigtem Stolz gab er uns ausführliche Einblicke in dieses einmalige Juwel der sepulkralen Baukunst, in dem sich überdeutlich noch einmal der Jugendstil in einer sorgfältig ausgewogenen Prägung präsentiert.
Die Herzen aller Teilnehmer waren sehr gerührt und wir hätten „Großer Gott wir loben Dich“ singen sollen, dann wären wir hier dem Himmel noch ein gutes Stück näher gekommen.
Aber es wurde besprochen und verkündet – der Südwestkirchhof wird erneut unser Ziel im kommenden Frühjahr und es dürfte dann wohl sehr eng werden auch im größten Bus.

Bei unserem Mittagessen im Krongut Bornstedt, das wir bereits von unserem vorjährigen Besuch des naheliegenden Bornstedter Friedhofes kannten, mussten wir allerdings wieder eintauchen in die schnöde Mittelklasse. Die einstige Zufriedenheit, die uns erneut zum Besuch dieses Gasthauses veranlasst hatte, ist nun wohl für immer verblasst, denn die Qualität der Speisen und auch die freundliche Gastlichkeit hat man leichtfertig und übermütig einem überhöhten Gewinnstreben geopfert.
So war dies also unser letzter Besuch in jenem Hause, wobei aber auch künftig ein Besuch der  auf dem Areal befindlichen „Hofbäckerei“ durchaus denkbar ist.

Unsere Schifffahrt mit dem Flaggschiff der Weißen Flotte Potsdam, der „Sanssouci“, entlang der einstigen Schlösser der Hohenzollern zählt zu dem Standardprogramm vieler Touristen, die diese so traditionsreiche Preußen-Hauptstadt besuchen. Und so sind auch wir mit reichlich hundert anderen Gästen über die ruhigen Wasser der Havelseen gefahren, die prächtige Herbstkulisse der die Seen umschließenden Wälder und natürlich auch die vielgepriesenen Schlösser im Blickfeld.
Es war die Stunde der vielen Gespräche untereinander bei Wein, Kaffee oder Bier- mitunter ergänzt durch Kuchen und Torte - und so kam auch diesmal die gern gepflegte Kommunikation der Mitglieder untereinander nicht zu kurz.

Den Abschluss unserer Herbstexkursion bildete schließlich die Besichtigung des historischen Zentrums der Stadt am Markt, der umsäumt wird von dem riesigen Kuppelbau der Nikolaikirche, dem Rathaus mit seinem bekrönenden Atlas und dem in jüngster Zeit wiederaufgebauten Stadtschloss.
Vorbei am Marstall mit Blick in das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte wanderten wir dann gemäßigten Schrittes unserem Bus entgegen und plangemäß fuhren wir dann um 18 Uhr zurück in unsere schöne Stadt Leipzig.

Bleiben wird uns wie immer die Erinnerung an schöne gemeinsame Stunden und die freudige Erwartung unserer nächsten Exkursion im Frühjahr 2016 – wieder zum Südwestkirchhof nach Stahnsdorf! Alfred E. Otto Paul – 19.10.2015

Zurück