Kunstwerke des Monats 2010
Die Grabstätte von Adolf Lehnert
Im Jahre 1904 erwirbt der Lokomotivführer Adolf Lehnert gemeinsam mit seinem Sohn, dem weithin bekannten Bildhauer Prof. Adolf Lehnert, die aus den 4 Rabattengräbern No.237 – No.240 bestehende Grabstätte in der V. Abteilung des Südfriedhofes als die künftige Grablege der Familie.
Der am 20.Juli 1862 geborene Sohn Adolf Lehnert hat nach einem gründlichen Studium der Bildhauerei an der Königlichen Kunstakademie Leipzig längst Karriere gemacht. 1896 beerbt er nach dessen Tod seinen großen Lehrer Prof. Melchior zur Strassen ( 1832-1896 ) und wird der Leiter der Bildhauerklasse dieser bedeutenden Akademie.
1897 vollendet Adolf Lehnert gemeinsam mit dem großen Leipziger Bildhauer Josef Magr das monumentale Bismarck-Denkmal für den Leipziger Johannapark. Weitere hervorragende Werke folgen kontinuierlich.
Seit 1889 ist er verheiratet mit Elsbeth Riedel, der Tochter des bekannten Musikwissenschaftlers und Chorbegründers Prof. Carl Riedel. Durch diese Heirat gehört er zu den angesehensten Familien Leipzigs.
Die Ehe bleibt kinderlos – bereits 1907 stirbt seine Frau Elsbeth und wird hier beerdigt.
Nach einem Entwurf des Leipziger Architekten Karl Poser entsteht 1909 das Grabmal der Familie – während sich rückseitig dominierend das eigentliche, wandartige Grabmal aufbaut, reduziert es sich beidseitig durch Anläufer zu einer Einfriedungsmauer, die den gesamten Grabbezirk umschließt. Bankartige Sitznischen laden rechts und links ein zum besinnlichen Verweilen.
Durchgängig ist ein sehr feinkörniger Muschelkalkstein als Material für die gesamte Grabmalanlage gewählt.
Das Grabmal findet seinen künstlerischen Höhepunkt in dem von Adolf Lehnert geschaffenem Relief aus Marmor, welches sich ausschließlich dem Verlust der so jung verstorbenen geliebten Ehefrau widmet und ein einzigartiges bildliches Zeugnis der Tröstung darstellt.
Das Relief ist die Lobpreisung des göttlichen Reiches, in dem jede Schöpfung ein unbeschwertes Dasein führt.
Ein gewandeter Engel mit mächtigen ausgebreiteten Flügeln empfängt tröstend und ermutigend die so schöne junge Frau, ein nackter Jüngling schreitet mit einem mitgeführtem Reh auf die Neuankommende zu und symbolisiert die unverfälschte Reinheit und Harmonie der göttlichen Schöpfung in einer paradiesischen Welt.
Eine blumenübersäte Wiese wird im Hintergrund behutsam beschattet von kräftigen Bäumen, deren Blätterdach sich schützend über diese idealisierte Szene ausbreitet.
Während Adolf Lehnert hier einerseits in seinem künstlerischen Duktus noch ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts steht, erkennen wir aber gleichzeitig auch die deutliche Annahme des Jugendstils in diesem Werk.
1911 und 1914 bestattet Prof. Adolf Lehnert in dieser Grabstätte seinen Vater Adolf und seine Mutter Lina.
In zweiter Ehe heiratet Adolf Lehnert 1909 Johanna Elisabeth Lehnert geb. Wildenhayn und die beiden Kinder Irmgard und Siegfried werden geboren.
In seinen letzten Lebensjahren ist Adolf Lehnert auf den Rollstuhl angewiesen und nahezu erblindet. Er stirbt am 06. Januar 1948 im 86. Lebensjahr und sein Leichnam wird am 13. Januar 1948 im Krematorium des Südfriedhofes eingeäschert – am 16. Januar wird seine Asche hier beigesetzt.
Lehnerts zweite Frau stirbt 82-jährig im August 1957 und auch ihre Asche ruht seitdem in diesem Grabe.
So wird dieses wichtige Zeugnis der Grabmalkunst der Nachwelt bewahrt werden und das Andenken an Adolf Lehnert dankbar in die Zukunft getragen.
Alfred E. Oto Paul
Die Lage der Grabstätte Lehnert finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
Fotos von Hanka Börner
Das Grabmal des Bildhauers Josef Magr
Der Künstler Josef Magr gehört zu den wichtigsten Leipziger Bildhauern um 1900 – darin sind sich alle Kunsthistoriker einig und sein Werkverzeichnis ist einigermaßen aufgearbeitet.
Die Person Josef Magr aber gehört zu den nahezu Unbekannten und der Autor hat deshalb in jüngster Zeit bei zahlreichen namhaften Leipziger Kunsthistorikern angefragt und ist enttäuscht – über Josef Magr weiß man eigentlich nichts.
Einigkeit herrscht bei den Befragten zu seinem Personenstand – angeblich ist er ledig.
Im Jahre 2008 zeigt die Ausstellung „Kopf oder Zahl“ im Leipziger Museum der bildenden Künste eine Kohlezeichnung mit dem Selbstbildnis eines Hans Magr – die Lebensdaten dieses Künstlers sind unbekannt und die Annahme, es könnte sich um einen Sohn des Bildhauers Josef Magr handeln, bleibt unbewiesen.
Nach umfangreichsten Recherchen hat der Autor die Rätsel um den Bildhauer Josef Magr und den Grafiker Hans Magr weitestgehend gelöst.
Der am 17.September 1861 im böhmischen Mutowitz geborene Josef Magr kommt nach langen Jahren der Ausbildung und Wanderschaft 1889 als Bildhauer nach Leipzig – mit seiner Ehefrau Anna geb. Cerny und den beiden Söhnen Anton Stanislaus (geb.1887) und Johann Miroslav (geb.1889).
Die Ehe scheint wenig glücklich und Dokumente belegen zumindest vorübergehende Trennungen der Eheleute. Josef Magr hat in diesen Jahren mindestens neunmal die Wohnung gewechselt.
Am 06. November 1919 wird am Landgericht die Ehe geschieden wegen Ehebruch des Josef Magr mit einer Frieda Bellini aus Berlin.
Etwa 1922 heiratet Josef Magr dann aber Agnes Liddy Dörr aus Glauchau.
Der jüngere Sohn Johann Miroslav ist eindeutig der gesuchte Grafiker Hans Magr, der von 1907 bis 1911 an der Leipziger Kunstakademie studiert.
1916 ist dieser Sohn Hans Magr Soldat im I. Weltkrieg – am 23.Mai 1917 kauft der 28-jährige Hans Magr, durch Tuberkulose dem Tode geweiht, das Rabattengrab No.231 in der XII. Abt. des Südfriedhofes als seine eigene künftige Grabstätte und bezahlt für 60 Jahre voraus.
Das Datum dieses Grabstellenerwerbes ist das letzte Lebenszeugnis zu Hans Magr.
Bis heute ist ungeklärt, ob er in diesem Grab No.231 bestattet ist, denn die für den Begräbnisnachweis relevanten Akten sind leider verschollen.
Sollte sich der tote Hans Magr sich in diesem Grab befinden, so ruht hier mit großer Wahrscheinlichkeit seine sterbliche Hülle – eine Feuerbestattung des verstorbenen Hans Magr hat es zumindest in Leipzig nie gegeben.
Wenige Monate nach dem Grabstellenkauf des Sohnes Hans, am 13. November 1917, erwirbt der Vater Josef Magr das unmittelbar neben dem Grab des Sohnes befindliche Rabattengrab No.230 und bezahlt es gleichermaßen für eine 60- jährige Nutzung.
Diese Tatsache des väterlichen Graberwerbs lässt aus der langjährigen Erfahrung des Autors darauf schließen, dass Hans Magr zu dieser Zeit gestorben ist und hier bestattet wurde.
Der Bildhauer Josef Magr stirbt 62-jährig am 18. Juni 1924 – sein Leichnam wird im Krematorium Leipzig eingeäschert und die Asche wird am Johannistag im Grab No.230 beigesetzt.
Unser Foto zeigt die originale Grabstele aus rotem Meißner Granit, die bekrönt ist von einer bronzenen weiblichen Porträtbüste.
Auch diese etwa 1906 von Josef Magr geschaffene Büste hatte über alle Zeiten etwas Geheimnisvolles und es gab immer wieder Spekulationen über die Authentizität der hier Dargestellten. Wenngleich ohne Beweis, so vertritt der Autor dennoch die Meinung, dass dieses hier auf dem Grabmal von Josef Magr befindliche Porträt wohl mit großer Wahrscheinlichkeit seine große Liebe aus früheren Jahren, Agnes Liddy Dörr, die er kurz vor seinem Tode ehelichte, im Alter von etwa 35 Jahren zeigt.
Liddy Magr war es nach ihrem Tode nicht vergönnt, im Grabe ihres Mannes gebettet zu werden. Sie starb 73- jährig beim großen Bombenangriff auf Leipzig am 04.Dezember 1943
und wurde in den Wirren dieser Zeit in einem Einzelgrab in der XXVIII. Abteilung des Südfriedhofes, der Abteilung der Bombenopfer, begraben.
Alfred E. Otto Paul
Die Lage der Grabstätte Magr finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
(Fotos von Bernd H. und Monika Becker.)
Das Grabmal der Familie Kleim
Der Leipziger Kaufmann Karl Otto Knabe verliert am 28. Februar 1916 seinen Sohn Fritz, der im Alter von 26 Jahren als Leutnant in Frankreich vor Doumont fällt.
Er will den Sohn in die Heimat überführen lassen und ihn hier am Fuße des Völkerschlachtdenkmales in einer künftigen Grablege der Familie bestatten. Am 19. April 1916 erwirbt er deshalb in der XVI. Abteilung des Südfriedhofes die Wahlstelle No.88 auf einhundert Jahre für 2.700 Goldmark.
In seinem Auftrag beginnt der Leutzscher Baumeister Arthur Müller unverzüglich mit dem Bau einer Gruftanlage, die am 18. Mai 1916 fertiggestellt ist. Mit den Außenmaßen von 5,20m x 5,20m entspricht die Gruft den üblichen unterirdischen Grabbauwerken und auch der weißgeflieste Fußboden sowie die mit weißen glasierten Verblendziegeln versehenen Wände entsprechen den allgemeinen Ausführungsstandards derartiger Grabkammern.
Der Zugang zur Gruft sowie die Gruftdecke werden mit 50 cm starker Erdbedeckung verborgen.
Die Heimbringung des gefallenen Sohnes, des Leutnants Fritz Knabe, ist wegen der Kriegsentwicklung unmöglich geworden und so ruht auch er seitdem mit Tausenden und Abertausenden gefallenen Kameraden in der fremden Erde Nordfrankreichs.
Am 21. April 1917 gibt der Vater die Hoffnung auf die Überführung des Sohnes auf und bittet den Rat der Stadt um die Übertragung der Inhaberschaft an der Grabstätte auf den Schwiegervater seines gefallenen Sohnes, den Ingenieur und Fabrikbesitzer Gustav Kleim.
So gelangt die Stelle in den Besitz von Gustav Kleim, der im Jahre 1925 den Leipziger Bildhauer Prof. Felix Pfeifer mit der Errichtung eines Grabmales beauftragt.
Und Felix Pfeifer schafft hier ein Grabdenkmal, welches seine künstlerische Reife gut belegt.
Auf mehrstufigem Sockel baut sich das dreigeteilte Grabmal aus geschliffenem Grün-Porphyr
des Fichtelgebirges auf – das an einen Sarkophag erinnernde Mittelteil ist zweifellos das symbolische Zentrum und die seitlichen kongruenten Flügelsteine bewirken eine gewollte Monumentalität des Grabmales. Ikonographischer und künstlerischer Höhepunkt des Grabmales ist ohne Frage die auf dem Sarkophag knieende, in ein Trauergewand gehüllte bronzene weibliche Figur, die wir durchaus als die Witwe des gefallenen Leutnants erkennen können.
In ihrer Linken hält sie ein Sträußchen Rosen als deutliches Symbol der Liebe – wir können gleichsam in dieser Trauernden auch ausweitend symbolisch die drei Töchter der Eheleute Kleim ansehen, die ihre Eltern betrauern, die sehr bald nach der Fertigstellung des Grabmales sterben und in der Gruft ihre letzte Ruhestätte finden.
Wir müssen dem Künstler Felix Pfeifer beipflichten, dessen Entwurf aus künstlerischer Überzeugung das auf dem Sarkophag befindliche Kreuz nicht beinhaltet – Pfeifer wehrt sich hier vehement, aber erfolglos gegenüber seinem Auftraggeber Gustav Kleim, für den dieses Kreuz sicher aus löblicher christlicher Gläubigkeit unverzichtbar ist.
Die Typographie der Beschriftung „Familie Kleim“ ist gelungen und weist auch damit dieses Grabmal als ein besonders wertvolles Zeugnis der Friedhofskunst der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts aus. Wenngleich das Grabmal aus einem unzerstörbaren Material gefertigt ist - die wunderschöne bronzene Plastik als ein Unikat des wichtigen Leipziger Bildhauers Felix Pfeifer sollte alsbald die dringlich notwendige Restaurierung erfahren.
Alfred E. Otto Paul
Die Lage der Grabstätte Kleim finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
(Fotos - außer dem historischen Foto - von Bernd H. und Monika Becker)
Die Grabplastik für Rudolf Kästner
Die sehr alteingesessene Leipziger Kaufmannsfamilie Sieland erwirbt für 900 Goldmark am 30. August 1894 auf dem Leipziger Südfriedhof die Wandstelle No. 46 – Anlass ist der Tod von Karl Friedrich August Sieland, der am Tage darauf hier beerdigt wird.
Der Concessionsschein weist dessen Witwe Ernestine Marie sowie ihre Töchter Selma, Marie Anna und deren Ehemann Rudolf Kästner als Inhaber der Grabstätte aus.
Rudolf Kästner ist seit dem Tod des Vaters im Jahre 1899 Inhaber einer der ältesten europäischen Fabriken für feuersichere Geldschränke, die im Jahre 1846 in Leipzig gegründete Firma Carl Kästner.
Offenbar ist der Schwiegersohn Rudolf Kästner nunmehr das Oberhaupt der Familie, denn er erteilt im Oktober 1894 der Firma E. F. Einsiedel, einer der renommiertesten Leipziger Steinmetzwerkstätten, den Auftrag zur Errichtung einer Wandstellenarchitektur.
Einsiedel beginnt im Frühjahr 1895 mit der Ausführung einer rein klassizistisch gestalteten Wandarchitektur. Während der Sockel aus Granit besteht, findet bei der Grabmalwand ausschließlich geschliffener Cottaer Sandstein Verwendung.
Konisch sich nach oben verjüngend, baut sich gliedernd hervortretend das Mittelteil auf und überragt deutlich die seitlich angrenzenden Flügel. Unter dem bekrönenden, akroteriengeschmückten Giebel sehen wir, in einer darunterliegenden querrechteckigen Nische erhaben ausgearbeitet, einen girlandengeschmückten Lorbeerkranz als verdienstvolles Zeichen der Lebensleistungen der hier Bestatteten.
Schlichte Gesimse und ein Zahnfries beleben die glatten Flächen der Grabmalwand.
Im Mittelteil bezeichnet eine sehr akkurat eingearbeitete Inschrift dies als die Grabstätte der Familien Sieland und Kästner, während die Jahreszahl 1894 auf den Ersterwerb verweist.
Im Juni 1895 sind die Arbeiten der Firma Einsiedel abgeschlossen.
Nach dem Tode der Witwe Ernestine Marie Sieland im Jahre 1904 folgt ihr einige Jahre später, 1912, der Schwiegersohn Rudolf Kästner. Dessen Ehefrau Marie Anna beauftragt nun den Leipziger akademischen Bildhauer Prof. Werner Stein mit der Ausführung einer figürlichen Grabplastik aus Carrara-Marmor.
Und wieder schafft Werner Stein wie schon so viele Male ein wahres Meisterwerk der Grabmalkunst – Materialien sowie der künstlerische Duktus erinnern hier deutlich an das von ihm im Jahre 1908 geschaffene Grabmal für den Gutsbesitzer Schmidt aus Galizien.
Über querrechteckigem zweistufigen, 90 cm hohem Sockelquader aus poliertem blauen
Fichtelgebirgsgranit sehen wir in überwältigender Schönheit eine weibliche lebensgroße Figur in Trauerpose, angelehnt an den Stumpf einer kanellierten Säule.
Dieser Säulenstumpf ist ikonographisch ein sehr traditionelles Bildsymbol des vergangenen Lebens, und die Trauernde schmückt diese Bruchstelle der Säule mit einem opulenten, aus Rosen geflochtenen Kranz in ihrer Rechten.
Die linke Hand presst sie an die Brust und verweist so auf den für sie so schmerzlichen Tod ihres Mannes – die Sockelinschrift „Meinem heißgeliebten Mann Rudolf Kästner“ unterstreicht sehr emotional diesen dramatischen Lebensverlust.
So soll diese in sehr faltenreichem Trauergewand Gekleidete mit größter Sicherheit auch die Witwe Marie Anna Kästner geb. Sieland idealisiert darstellen.
Werner Stein zeigt hier die ganze Schönheit des Weibes – ihr Gesicht zeigt das griechische Profil als das Schönheitsideal schlechthin, ein Brustband des Gewandes betont deutlich die Schönheit der Brüste und trotz des ganzen Faltenreichtums des Gewandes erkennen wir den weiblichen Körper in idealer Ausformung.
Diese Plastik können wir auch durchaus einordnen in die Gattung der erotischen Kunst.
In der Plinthe erkennen wir die Autorenschaft dieses großen Leipziger Bildhauers – „Werner Stein fec. 1913 “.
Rudolf Kästners Witwe Marie Anna stirbt fast 83-jährig am 01. April 1930. Deren unverheiratete Schwester Selma war ihr bereits 1923 vorangegangen und fand hier ihre Ruhestätte. Seither ruht die Witwe, mit ihrem Mann im Tode vereint, gemeinsam mit ihrer Schwester und ihren Eltern in dieser Grabstätte.
Während die Wandstellenarchitektur durch die Jahre von der Morbidität gezeichnet ist, erleben wir die Stein’sche Plastik noch heute unbeschädigt und in deutlich erkennbarer ursprünglicher Schönheit.
Allerdings gilt es unbedingt, dieses Werk in seiner bemerkenswerten Schönheit der Nachwelt zu bewahren – und dafür ist es erfahrungsgemäß allerhöchste Zeit.
Alfred E.Otto Paul
Die Lage der Grabstätte Kästner finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
(Fotos von Bernd H. und Monika Becker.)
Das Grabmal des Apothekers Max Löffler
In seinem sehr schönen Buch „Jugendstil in Leipzig“ aus dem Jahre 1996 würdigen der Autor und Jugendstilexperte Bodo Pientka und der Fotograf Bertram Kober die besondere Schönheit des Wandstellengrabmales der Familie des Apothekers Max Löffler.
Der unerwartete Tod seiner Ehefrau Alma Johanna veranlasst den wohlhabenden Apotheker Max Löffler im Oktober 1903 zum hundertjährigen Erwerb der Wandstelle No. 93.
Während Alma Johanna Löffler vorübergehend vis á vis im Rabattengrab No.159 der
IV. Abteilung beerdigt wird, arbeitet die Leipziger Bauunternehmung Alfred Schichtholz
intensiv an der Errichtung einer Gruft vor der Wandstelle. Als diese Arbeiten am
03. Dezember 1903 abgeschlossen sind, erfolgt die Exhumierung der Apothekersfrau und ihre Beisetzung in der Gruft.
Im Mai 1904 beantragt der Avantgardist des Leipziger Jugendstils, Architekt Fritz Drechsler, die Errichtung des Monumentes aus Muschelkalkstein.
Stadtbaurat Scharenberg genehmigt das Gesuch schon am folgenden Tage mit dem Kommentar: „Die architektonische Ausgestaltung der Wandstelle, von einem der bedeutendsten Leipziger Architekten entworfen, wird dem Südfriedhof zur besonderen Zierde gereichen …“. Bereits am 25. Juli 1904 ist das Werk vollendet, an dem mit dem Bildhauer Johannes Hartmann ein zweiter, äußerst wichtiger Leipziger Künstler beteiligt ist.
Hartmann ist der Schöpfer des sehr ergreifenden marmornen Reliefs, das den Abschied des Mannes von seiner scheidenden Gattin und der Tochter Irma von der Mutter zeigt.
Ein Engel des Herrn fasst sie bei der rechten Hand und ist im Begriff, mit ihr heimzugehen. Sehr interessant ist das Antlitz des göttlichen Engels – Hartmann gibt ihm die Züge eines anderen göttlichen Gesandten, nämlich Beethovens.
Über diesem beeindruckenden Relief gestaltet Hartmann in einer lünettenartigen Nische ein herrliches farbiges Glasmosaik mit üppigem Rankwerk. Es erinnert an den Garten Eden, an paradiesische Gefilde und das unübersehbare Kreuz im Zentrum verweist auf das ersehnte himmlische Reich als die neue Heimat der Toten und so bilden letztlich die beiden Bildnisse -Relief und Mosaik- die symbolische Einheit eines Abschieds vom Leben und einer Hoffnung auf das Reich Gottes.
Als Max Löffler seiner Frau im Oktober 1927 nachfolgt, entdeckt man bei den Vorbereitungen seiner Beisetzung, dass die sterblichen Reste der Ehefrau, ihr entseelter Körper, vom Erzfeind aller Grüfte jedes Friedhofes, dem Wasser, bedroht ist.
Auf 120 cm über dem Fußboden ist das Wasser angestiegen und man wird dieses Problem auch später niemals lösen – der Sohn lässt 1927 den Leichnam seiner Mutter bergen und veranlasst die Umbettung in einen neuen Sarg. Die beiden Särge der Eltern werden in einer Arkadengruft der Kapellenanlage beigesetzt.
Nach entsprechenden Baumaßnahmen finden die Särge von Max Löffler und seiner Ehefrau Alma wieder Aufnahme in der Gruft.
Als um die Jahrhundertwende (1900) die traditionell repräsentativsten Grabstätten des Südfriedhofes, die Wandstellen, von den bürgerlichen Eliten erworben werden, ahnt niemand das künftige Desaster, welches durch die erhebliche Tiefe der Fundamente ausgelöst, die Totenruhe stören sollte.
Und so waren all Jene gut beraten, die sich an das christliche Bestattungsritual hielten, das da lautet: „Von Erde bist Du genommen und zur Erde wirst Du wieder gegeben.“
Alfred E.Otto Paul
Die Lage der Grabstätte Löffler finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
(Fotos von Bernd H. und Monika Becker.)
Die Grabmalstele des Bildhauer Rudolf Cöllen
Bleibenden Ruhm hat sich am Ende des 19. Jahrhunderts der Leipziger Bildhauer Rudolf Cöllen mit der Schaffung des Kolossalfrieses am Linzer Museum Francisco Carolinum, dem oberösterreichischen Landesmuseum, gesichert.
Auf einer Länge von 110 Metern und einer Höhe von 2,40 Metern hat Rudolf Cöllen hier nach Entwürfen des Leipziger Bildhauers Prof. Melchior zur Strassen die Landesgeschichte Österreichs in Stein gehauen.
Auch an vielen repräsentativen öffentlichen Gebäuden der Stadt Leipzig finden wir noch heute Zeugnisse seiner hervorragenden handwerklichen Arbeiten.
Der Bildhauer Rudolf Cöllen hat ein äußerst signifikantes Merkmal – insbesondere bei Grabmälern verarbeitet er mit Vorliebe den so charakteristischen und unvergänglichen rotschwedischen Granit. Aus diesem Grund sind zahlreiche Grabmäler von Rudolf Cöllen auf Leipziger Friedhöfen als auch auf anderen Friedhöfen Sachsens bis heute erlebbar, wie beispielsweise das beeindruckende Grabmal der Familie Greiner auf dem Niederfriedhof in Döbeln.
Seine bildhauerische Meisterschaft sehen wir eindrucksvoll am prächtigen neobarocken Grabmal des Leipziger Kaufmanns Richard Konze (Südfriedhof Wandstelle No.38), das er gemeinsam mit dem Leipziger Bildhauer Alfred Fränzel schuf.
Bedingt durch den Tod seiner Ehefrau Sophie Cöllen geb. Landmann am 26. November 1913 erwirbt Rudolf Cöllen zu diesem Zeitpunkt eine aus drei Rabattengräbern bestehende Begräbnisstätte in der XV. Abteilung des Südfriedhofes – im Grab No. 60 wird seine Frau beerdigt.
1914 dürfte das stelenartige, wunderschöne Grabmal entstanden sein. Der Entwurf und die Ausführung sind eindeutig dem Bildhauer Rudolf Cöllen zuzuschreiben und getreu seiner Vorliebe für den rotschwedischen Granit wird dieses Meisterwerk der Grabmalkunst für die eigene Familie aus diesem Material gefertigt.
Der quadratische, zweistufige Sockel schrägt sich im oberen Abschluss ab und formt sich zur wiederum quadratischen Stele aus, welche beschriftet ist mit den Namen und den Lebensdaten der Verstorbenen, über denen schmückend ein umlaufendes Mäanderband eingearbeitet ist.
Diese Stele findet oben ebenso durch Abschrägung eine entsprechende Verjüngung und es bildet sich ein zweistufiger achteckiger Abschluss, der bekrönt wird durch eine lebensgroße bronzene Büste des Bildhauers Rudolf Cöllen. Diese unsignierte Bronzebüste ist mit Sicherheit ein Werk Rudolf Cöllens als Selbstbildnis und entspricht in ihrem künstlerischen Duktus noch ganz der Tradition des 19. Jahrhunderts. Die Gussstätte ist nicht ausgewiesen, aber sehr wahrscheinlich können wir hier die Bronzebildgießerei Traugott Noack Leipzig annehmen.
Rudolf Cöllen stirbt am 22. Okt. 1918 und wird neben seiner Frau im Grab No. 59 beerdigt und wir können davon ausgehen, dass sich die Grabstele seit 1914 über viele Jahre zwischen den beiden Gräbern befindet.
Als 1939 der Sohn Johann Bernhard Cöllen stirbt, wird er im Grab No. 58 bestattet – ebenso werden hier 1952 Rudolf Cöllens Tochter Margarete und 1955 die Schwiegertochter Pauline bestattet.
Offenbar haben die Nachfahren wenig Neigung gehabt, die relativ große, aus drei Rabattengräbern bestehende Grabstätte umfassend zu erhalten, denn so geben sie die Gräber von Rudolf Cöllen und seiner Ehefrau auf und versetzen die Grabstele auf das Grab der Nachgeborenen.
In den achtziger Jahren wird die wertvolle Büste gestohlen – die schändlichen Diebe nehmen die Büste nach der gewaltsamen Entfernung allerdings nicht mit, sondern verstecken diese vorerst auf dem Friedhof, um sie später zu holen.
Der Diebstahl wird sehr schnell entdeckt und ein Steinmetz bekommt den Auftrag, die aufgefundene Büste dauerhaft zu befestigen.
Dieser hat allerdings keine Kenntnis von der ursprünglichen Situation und befestigt die Büste nach bestem Wissen, orientiert sich dabei jedoch an der Inschrift „ Rudolf Cöllen Bildhauer “, und so blickt Rudolf Cöllen seitdem in Richtung Nordwesten, während er früher nach Nordosten zum Völkerschlachtdenkmal, an dem er jahrelang maßgeblich mitgearbeitet hat, schaute.
Mit dem Initiator dieses größten europäischen Denkmalbauwerkes, dem Geheimrat Clemens Thieme, verband Rudolf Cöllen eine tiefe Freundschaft. '
Die Gräber von Rudolf Cöllen und seiner Ehefrau werden nie neu belegt und so hat sich bis zum heutigen Tage die letzte Ruhestätte des wichtigen Leipziger Bildhauers Rudolf Cöllen, der viele Jahre der Obermeister der Leipziger Bildhauerinnung war, erhalten.
Alfred E. Otto Paul
Die Lage der Grabstele Cöllen finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
(Fotos von Bernd H. und Monika Becker.)
Das Grabmal des Arztes Dr. Goepel
Die angesehene Leipziger Arztfamilie finden wir in unserem Archiv schon 1868 gutsituiert mit einem Erbbegräbnis in der V. Abteilung auf dem Neuen Johannisfriedhof.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Sanitätsrat Dr. med. Robert Goepel gemeinsam mit seiner Ehefrau Elisabeth am 21. April 1904 die Wandstelle No. 95 auf dem Südfriedhof für die nächsten einhundert Jahre als standesgemäßen Begräbnisplatz sichern. 900 Goldmark sind der Preis.
Von August 1906 bis zum Oktober 1906 erfolgt nach Plänen des Leipziger Architekten Richard Welz die architektonische Gestaltung der Wandstelle – dabei ist man noch ganz der gestalterischen Tradition derartiger Wandstellen vor der Reichsgründung verhaftet. Ursprünglich um 1850 waren dies geputzte Wandstellenflächen mit einer mittigen Schrifttafel und erst sehr zögerlich werden die Wandstellen gestalterisch aufgewertet durch die Verblendung mit sogenanntem Zyklopenmauerwerk. Für den Autor ist es in diesem Fall sehr wahrscheinlich, dass der Architekt die damals bestehende Wandstelle No.10 der Familie Goepel in der V. Abteilung des Neuen Johannisfriedhofes zum Vorbild nimmt.
Längst bescheiden sich andere Inhaber der Wandstellen nicht mehr mit derartig schlichten architektonischen Gestaltungen, vielmehr neigen die Intentionen der Besitzer nun auch auf dem Friedhof immer mehr zur bürgerstolzen Repräsentation ihrer gesellschaftlichen Stellung.
So will auch Dr. Goepel nicht zurückstehen und er beauftragt 1925 den Münchner Bildhauer Prof. Carl Barth mit der Schaffung eines der Wandstelle vorgelagerten Grabmales.
Carl Barth entwirft einen bronzenen Trauergenius, halb knieend und halb sitzend auf einem kräftigen Postament aus Travertin, in wahrhaft trauernder Pose – in der Linken hält er als Symbol des erloschenen Lebens eine flammenlose gesenkte Fackel. Mit der Rechten umfasst dieser Thanatos als der Bruder des Schlafes einen Lorbeerkranz und erinnert damit an die ruhmvollen Verdienste der hier bestatteten Toten der Familie Goepel.
Man hat sich seinerzeit darum bemüht, das Grabmal möglichst wirkungsvoll zu präsentieren und mit Hilfe eines Modells diverse Varianten geprüft, um schlussendlich den optimalen Standort zu finden.
Es ist der Familie sehr zu danken, dass sie nach Ablauf von 100 Jahren das Nutzungsrecht verlängert und eine qualifizierte Restaurierung der Wandstelle bewirkten hat, denn so kündet diese Grabstätte auch weiterhin in gefühlvoller Schönheit von der Leipziger Tradition dieser bedeutenden Arztdynastie.
Der Chirurg Dr. Robert Goepel war Inhaber der Funkenburgklinik – dem schwerkranken Direktor der Leipziger Kammgarnspinnerei Max Woelker konnte aber auch Dr. Goepel nicht mehr helfen und so starb dieser am 30. November 1909 erst 37-jährig in dessen Klinik – Woelker´s Leichnam diente am 04. Dezember 1909 dem soeben fertiggestellten Krematorium auf dem Südfriedhof als erste Probeeinäscherung und so geht Max Woelker in die Geschichte des Leipziger Krematoriums als die erste Feuerbestattung ein.
Alfred E.Otto Paul
Die Lage der Grabstätte Goepel finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
(Fotos von Bernd H. und Monika Becker)
Ein neogotischer Grabtempel in der Blüte des Art Deco
Am 07. Mai 1928 starb während einer Kur in Bad Kissingen Gustav Edmund Reinhardt , der außerordentlich wohlhabende Besitzer der 1880 gegründeten Leipziger Maschinen – und Utensilien – Fabrik für die graphische Industrie gleichen Namens in der Waisenhausstraße 19.
Sein Leichnam wird nicht nach Leipzig gebracht , sondern die Witwe ordnet die Überführung des Toten in das nahe gelegene Meiningen an und die Einäscherung der Leiche im dortigen Krematorium .
Die Witwe Selma Reinhardt geb. Kirchner entstammte einer alten , vornehmen Leipziger Familie , die seit Jahrhunderten das Grufthaus No.139 als Grablege auf dem Alten Johannisfriedhof besaßen .
Nach der Weihe des zweiten Leipziger Friedhofes am 28.September 1846 – erst viel später bürgert sich sein Name als „ Neuer Johannisfriedhof “ ein – beschließt die Stadt Leipzig die Beseitigung der I. und II. Abteilung des Alten Johannisfriedhofes und es entsteht auf diesem ältesten außerhalb der Stadtmauern befindlichen Begräbnisplatz eine Promenade.
Die Grabstätteninhaber bekamen für die Aufgabe ihrer jahrhundertealten Erbbegräbnisse eine Ersatzgrabstelle auf dem zweiten Friedhof und so erhält der Hofkommissar Gustav Samuel Florey am 04.Dezember 1846 die Wandstelle No.22 in der I.Abteilung des zweiten Friedhofes als die Grablege der kommenden Generationen . In der Gruft dieser Grabstätte werden später die Großeltern ( Florey ) und die Eltern ( Kirchner ) von Selma Reinhardt beigesetzt , die aus der Gruft des Alten Johannisfriedhofes hierher umgebettet wurden.
Offenbar ahnte der Fabrikant Gustav Edmund Reinhardt im Januar 1928 seinen baldigen Tod , denn in diesem Monat beantragte er den Erwerb eines zweiten Erbbegräbnisses mit der No.143 in der VIII. Abteilung des Neuen Johannisfriedhofes – hier will er durch den bedeutenden Königlich-Sächsischen Baurat Julius Zeißig einen prächtigen Grabtempel errichten lassen.
Nach wenigen Monaten ereilt ihn der Tod und seine Witwe bemüht sich weiterhin noch lange Zeit um den Erwerb einer geeigneten Grabstätte auf dem Neuen Johannisfriedhof .
Schließlich resigniert sie und erwirbt erst im Mai 1929 die Wahlstelle No.37 in der X.Abteilung des Südfriedhofes mit gleichzeitiger Genehmigung zur Errichtung des seinerzeit von ihrem Mann gewünschten Grabtempels . Allerdings kann der Bau des Grabtempels nicht beginnen , da sich der Baurat Julius Zeißig zur Kur in das schweizerische Badhotel „ Tamina “ in Bad Ragaz begibt – ein gutes halbes Jahr später ist er tot. Allerdings wird bis Januar 1930 dann noch unter Zeißigs Aufsicht dieser neogotische Grabtempel aus bestem Freyburger Kalkstein auf dem Südfriedhof errichtet . DieKosten belaufen sich etwa 26.000 Reichsmark .
Die Witwe Selma Reinhardt verfügt nun die Aushebung der Särge ihrer Eltern und Großeltern aus der Gruft des Neuen Johannisfriedhofes – die Gebeine dieser Vorfahren lässt sie im Krematorium des Südfriedhofes einäschern und nun erst gelangt die Urne mit der Asche ihres verstorbenen Mannes vom Krematorium Meiningen auf dem Postweg nach Leipzig.
Am 14. Februar 1930 werden die Aschen ihrer Vorfahren und ihres Mannes im wappengeschmückten steinernen Sarkophag des Grabtempels beigesetzt , den einst eine marmorne Büste ihres Mannes bekrönte.
Der totkranke Baurat Julius Zeißig ist an diesem Tage zugegen – wenig später stirbt er am 18.März 1930 und wird nur unweit von diesem seinem letzten Werk beerdigt . Sein Grabmal ziert eine bronzene Tafel mit dem Bildnis der Lutherkirche im Johannapark als ein Beispiel von vielen Kirchen , die dieser große Architekt des Kirchenbaues schuf.
Die Witwe Clementine Eugenia Selma Reinhardt stirbt im Dezember 1936 und auch ihre Asche wird nun hier beigesetzt und so sind drei Generationen in diesem Grabtempel im Tode vereint .
Die Lage der Grabstätte Reinhardt finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
Der Tod eines Husaren-Leutnants
An der nordöstlichen Grenze des Südfriedhofes finden wir am Fuße des Völkerschlachtdenkmales in auffälliger Häufung zahlreiche Kriegergräber der toten Soldaten des I. Weltkrieges . Der ausgeprägte nationalistische Patriotismus des Bürgertums begründete hier vor der imposanten , damals noch baumfreien Kulisse dieses größten europäischen Denkmalbauwerkes den Erwerb eines repräsentativen Erbbegräbnisses für mindestens die nächsten einhundert Jahre .
Und dieser nationalistische Patriotismus imperialer Prägung bewirkte dann auch , dass viele Söhne des Leipziger Bürgertums im Jahre 1914 begeistert in einen sinnlosen Krieg gegen den so deklarierten Erzfeind Frankreich zogen , der sich schließlich zum ersten großen Weltenbrand ausdehnte und an dessen Ende der Untergang der deutschen Monarchien und seines Kaiserreiches stand.
So zieht 1914 gleich zu Beginn des Frankreich-Feldzuges auch der 25-jährige Leutnant im Husaren – Regiment No.19 Alfred Naumann als Sohn einer angesehenen Leipziger Kommerzienrats-Familie in diesen unseligen Krieg – und stirbt am zweiten Weihnachtsfeiertag 1914 den Heldentod für sein Vaterland , wie es damals hieß.
Nachdem die Leiche des Husarenleutnants in seine Vaterstadt Leipzig überführt war und hier am 11. Januar 1915 eintraf , erwarb dessen Vater , Kommerzienrat Alfred Naumann , am darauffolgenden Tage das Erbbegräbnis No.66 in der XII. Abteilung des Südfriedhofes auf einhundert Jahre für fünftausendvierhundert Goldmark und bestattete hier nach Errichtung einer Gruft seinen einzigen Sohn .
Im April 1915 errichtet der Leipziger Bildhauer Ernst Prösdorf im Auftrag des Kommerzienrates die gewaltige granitene Findlingsgruppe , deren Mittelteil die zulässige Höhe von 4 Metern erreicht und geschmückt wird mit einem lorbeerumkränzten und bändergeschmückten Eisernen Kreuz und darunter den Namen des gefallenen Husarenleutnants . Dieses Eiserne Kreuz galt als Symbol besonderer Tapferkeit und militärischer Verdienste des Gefallenen .
Erst nach dem Ende dieses verlustreichen verlorenen Krieges entsteht im Jahre 1920 die beeindruckende bronzene Plastik der vor dem Sarkophag ihres einzigen Sohnes knieenden trauernden Mutter - ein Unikat des bedeutenden Leipziger Bildhauers und Leiters der Bildhauerklasse an der Kunstakademie Prof. Adolf Lehnert ( 1862 - 1948 ).
In ein Trauergewand gehüllt , hält die Mutter in ihren Händen einen Palmenzweig als Symbol des ewigen Friedens für ihren toten Sohn – ihr Antlitz zeigt stumme , nahezu apathische Züge einer grenzenlosen Trauer.
Der bronzene Sarkophag ist bedeckt mit der typischen Kopfbedeckung der Ulanen , mit dessen Säbel und seinem Gürtelzeug – darüber findet sich ein Lorbeerzweig als Ruhmessymbol. Die Umschrift des Sarkophages lautet gottergeben „ Selig sind die da Leid tragen denn sie werden getröstet werden “ und bestärkt die Auffassung eines fatalistischen
Lebensendes . Kritik oder Zweifel an der Sinnhaftigkeit des so frühen Todes dieses jungen Mannes sind hier nicht erkennbar .
Den heutigen und künftigen Generationen sei dieses Grabmal auch ein Denkmal gegen übersteigerten Nationalismus, gegen Krieg und Gewalt und eine Mahnung für den Frieden dieser Welt .
Die Lage der Grabstätte Naumann finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
Das Grabmal des Schankwirts Julius Guthardt
Als die 31-jährige Olga Guthardt am 30.September 1919 die Wahlstelle No.163 in der XI.Abteilung des Südfriedhofes erwirbt, gibt sie ihre Wohnanschrift lapidar als „Park Meusdorf“ an.
Hier wohnt sie tatsächlich - als nunmehrige Witwe und mit zwei kleinen Söhnen ihres am 21.September 1919 gestorbenen Ehemannes Julius Guthardt, der erst im Februar des Jahres seinen 40.Geburtstag feiert.
Einst kamen die Gebrüder Guthardt als junge Männer aus dem hessischen Breuna in die Messestadt Leipzig, um sich hier mit einer Schankwirtschaft eine künftige Existenz zu sichern.
In Meusdorf, einem seit Jahrhunderte wüst liegenden Dorf und nur noch bestehend aus einer Schäferei und einem der ältesten sächsischen Gasthöfe, der aus einem uralten Forsthaus mit Gast- und Schänkgerechtigkeit hervorgegangen war – hier bietet sich für die Gebrüder Guthardt eine glänzende Geschäftsidee.
Meusdorf, gelegen im südlichen Schlachtfeld der Völkerschlacht bei Leipzig, ist das strategisch entscheidende Areal für den Kaiser der Franzosen als auch für die verbündeten Monarchen Russlands, Österreichs und Preußens. In unmittelbarer Nähe des uralten Meusdorfer Gasthofes überbrachte der Fürst Karl von Schwarzenberg als Oberbefehlshaber der verbündeten Armeen den Monarchen die ersehnte Siegesnachricht über Napoleon I.
Während die patriotische Nachwelt dem Fürsten Schwarzenberg 1838 im Park von Meusdorf ein Denkmal errichtet, wird 1847 das Meusdorfer Geländeprofil mit einer Höhe von 163 Meter nun in Würdigung seiner Bedeutung für die europäische Geschichte zum Monarchenhügel und mit einem entsprechenden Denkmal bekrönt.
1898 beginnt man auf halbem Wege zur Stadt mit der Errichtung des größten europäischen Denkmalbauwerkes – dem Völkerschlachtdenkmal.
Die Gebrüder Guthardt nutzen nun den patriotischen Geist des Ortes; aus dem einstigen historischen Gasthof wird inmitten des prächtigen historischen Parks mit einer Fläche von 49.000 qm ein gewaltiges Gartenlokal errichtet, das 1000 Gästen gleichzeitig Platz bietet.
Militärkonzerte werden geboten, Theater und Kabarett, Schießstand und Kegelbahn sowie ein allen Ansprüchen gerecht werdender riesiger Kinderspielplatz – hier ist wohl des Volkes wahrer Himmel.
Und nun,im Zenit seiner geschäftlichen Bestrebungen stirbt der Schankwirt Julius Guthardt. Sein Leichnam wird im hiesigen Krematorium des Südfriedhofes eingeäschert, jedoch erst Monate später, am 23.Januar 1920, wird seine Asche hier in der Grabstätte beigesetzt.
Es ist also ein plötzlicher und unerwarteter Tod und die nun notwendige sorgfältige Planung eines Grabdenkmales verzögert die Urnenbeisetzung.
Aber bereits wenige Wochen nach dem Tode des Schankwirtes beantragt der renommierte Leipziger Bildhauer Alfred Fränzel am 29. Oktober 1919 im Auftrag der Witwe Olga Guthardt die Errichtung des Grabmales aus Muschelkalkstein mit einer weiblichen Bronzefigur in der jetzigen Ausführung.
Die Genehmigung der Stadt vom 22. November 1919 verlangt wie üblich ein 3 m tiefes Fundament(Die Fundamente mussten in der Regel 3 Meter tief sein, um eventuell hier auch später Erdbestattungen von unvergänglichen schweren Eichensärgen oder Metallsärgen in doppelter Grabestiefe vornehmen zu können, ohne daß man die Fundamente unterfährt.). Weil dieses Fundament erst im Januar fertiggestellt ist, erfolgt zu diesem Zeitpunkt die Urnenbeisetzung.
Das Grabmal zeigt gestalterisch die typische Prägung der Zeit um 1920 – klare Architektur mit wenig plastischem Schmuckwerk. Sehr bald kommt der Stil des Art deco und überformt die Schlichtheit der Grabmalkunst dieser wenigen Jahre nach dem Untergang des Kaiserreiches.
Aber gerade in dieser hier von Alfred Fränzel konzipierten schlichten Schönheit zeigt sich der Adel dieses Werkes – die dreiteilige Anlage findet in dem als rundbogiges Portal ausgebildeten Mittelteiles seinen Höhepunkt und die hier behutsam eingearbeitete stilisierte Blattornamentik bildet streng genommen den einzigen plastischen Schmuck des steinernen Grabmales.
Die Lünette im Portalbogen trägt die erhabene Inschrift „Familie Guthardt“ und unterstreicht den Charakter eines Erbbegräbnisses.
In vollendeter weiblicher Anmut sitzt vor dem portalartigen Mittelbau in erzgegossener Lebensgröße eine Frau von dreißig Jahren – obwohl die völlig unsignierte Plastik mit großer Wahrscheinlichkeit eine sogenannte Katalogware darstellt, können wir in ihr imaginär durchaus Olga Guthardt selbst erkennen.
Sie, die in adelsstolzer Würde trauernde so junge Witwe hält in ihrer Rechten ein Sträußchen von Lorbeer und Rosen und bedeutet damit dem Besucher das verdienstvolle Wirken ihres Mannes um die Familie sowie die Liebe, die sie über den Tod hinaus mit ihrem verstorbenen Gatten verbindet.
Nachdenklich stützt sie den Kopf mit der linken Hand und ihre Mimik gestattet breite Interpretation – Trauer, Lebensrückschau und Zukunftsahnung. Einiges lässt darauf schließen, dass sie sich in dieses harte Schicksal des so zeitigen Gattenverlustes ergeben fügt. Ihr einfaches kragenloses Gewand mit rechteckigem Halsausschnitt, ihre Barfüssigkeit und auch ihr streng gescheiteltes und zum Knoten gebundenes Haar unterstreicht diese demütige Annahme ihrer Witwenschaft sehr deutlich.
Die Lage der Grabstätte Guthardt finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
Olga Guthardt überlebt ihren Mann um 47 Jahre – sie stirbt 1966 im 78. Lebensjahr und ruht seitdem gemeinsam mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen Hans und Daniel in dieser Grabstätte.
(Die Fotos des Bildjournalisten Bernd H.Reimer entstanden am 16.März. Er trug dabei nur ein Hemd! Der Frühling war zu spüren!)
Die Grabmalstele des Julius Klinkhardt
Der 1810 in Leipzig geborene Julius Klinkhardt, Sohn eines Schuhmachers, begründet nach entsprechender Ausbildung am 01.Mai 1834 in Leipzig einen Verlag, den er mit größtem unternehmerischem Geschick nach jahrzehntelanger Arbeit zu einem der größten europäischen Verlage für pädagogische Literatur ausbaute. Mit Verlagsbuchhandlung, Buchdruckerei, Buchbinderei, Schriftgießerei und lithographischer Anstalt.
Als Julius Klinkhardt im Jahre 1881 starb, hat das Unternehmen bereits über 600 Mitarbeiter und seine Söhne Bruno und Robert beschäftigten 1910 bereits über 800 Mitarbeiter.
Der Verlag Julius Klinkhardt hat alle Zeiten überdauert und konnte 2009 sein 175-jähriges Jubiläum begehen.
Wie auch viele andere bedeutende Verleger wie Brockhaus, Reclam, Köhler oder Teubner besaß auch die Familie Klinkhardt auf dem Leipziger Neuen Johannisfriedhof ein repräsentatives Erbbegräbnis, in dem auch Julius Klinkhardt seine letzte Ruhestätte fand. Dieser bedeutende Friedhof des Leipziger Bildungsbürgertums wurde im Oktober 1950 für Bestattungen gesperrt und nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen Totenruhe ab 1970 barbarisch dem Erdboden gleichgemacht – ein beispielloser Akt von Kulturzerstörung.
Nur wenigen Familien gelang es, bedingt durch die deutsche Teilung, wenigstens ein einzelnes Teil ihrer Grabmalanlagen zu retten und zur Erinnerung an einen sicheren Ort zu verbringen.
Da Wilhelm Klinkhardt, ein Enkel des Verlagsgründers, im Jahre 1912 die Wahlstelle No.43 in der VI. Abteilung des Südfriedhofes erworben hatte, konnte die Grabstele des Julius Klinkhardt durch Initiative der Familie hierher gelangen und somit vor sicherer Zerstörung bewahrt werden.
Diese aus rotschwedischem poliertem Granit gefertigte Stele mit der aufgesetzten bronzenen Büste des Verlagsgründers Julius Klinkhardt lässt erahnen, welch hohe handwerkliche und künstlerische Qualität die einstige Grabmalanlage der Familie Klinkhardt besaß. Kein Geringerer als der bedeutende Leipziger Bildhauer Prof. Werner Stein (1855-1930) schuf nach Klinkhardts Tod diese Grabstele im Jahre 1882. Gegossen wurde die Büste 1883 in der berühmten Bronzegießerei Gladenbeck & Sohn in Berlin und fand im gleichen Jahr Aufstellung auf dem Klinkhardtschen Erbbegräbnis auf dem Neuen Johannisfriedhof.
Grabmal Familie Nachod
Unerwartet starb am 16. Juni 1911 der Leipziger Königlich – Sächsische Kommerzienrat und Konsul Friedrich Nachod in Wien – er war Mitinhaber des Leipziger Bankhauses Knauth, Nachod & Kühne. Der Leichnam wurde nach Leipzig überführt, im hiesigen Krematorium eingeäschert und seine Asche fand in einer prunkvollen Bronzeurne dann im Kolumbarium Aufstellung.
Seine Witwe Marie Nachod erwarb deshalb am 11. Juli 1911 die Wahlstelle No.35 in der VI. Abteilung des Leipziger Südfriedhofes und beauftragte den befreundeten Leipziger Künstler Max Klinger (1857 – 1920) mit der Schaffung eines repräsentativen Grabmales.
Klinger beantragt am 19.August 1912 die Genehmigung zur Errichtung der Grabmalanlage – die erhaltenen Entwurfszeichnungen zeigen eine polygonale pilastergeschmückte Mauerfront aus geschliffenem römischem Travertin, welche von Lichtöffnungen durchbrochen wird und die gewählte Grabstätte umschließt.
Den künstlerischen Höhepunkt bildet eine freistehende, etwa 3 m hohe Stele aus weißem Laaser Marmor, die sich über einem mehrstufigen Sockel aus rotem Meißner Granit aufbaut und bekrönt wird von einer gewaltigen bronzenen Urne mit breitem Deckelrand.
Die marmorne Stele zeigt auf drei Seiten Flachreliefs mit lebensgroßen Figuren. Auf der Frontseite stellte Max Klinger den Bankier Friedrich Nachod als einen Heroen dar, dem ein Genius mit Palmenzweig zugeordnet war. Rechtsseitig auf der Stele fanden die drei Söhne Walter, Hans und Georg ihre Darstellung. Linksseitig erkennt man zwei weibliche Figuren, die offenbar die Witwe und ihre engste Freundin darstellen.
Dieser Grabmalentwurf wurde am 04. September 1912 genehmigt und nun hätte die Anfertigung der Grabmalanlage erfolgen können.
Jedoch muß zu diesem Zeitpunkt die Witwe Marie Nachod Änderungen der Bildnisreliefs von Klinger gefordert haben – tatsächlich fertigte Max Klinger neue Entwürfe für die bildlichen Darstellungen auf der Grabstele, was ein Foto aus Klingers Atelier in der Karl-Heine-Straße bezeugt. Hier sehen wir die großformatigen Kartons, welche die spätere Ausführung zeigen.
Nun sehen wir auf der Frontseite rechts sitzend Friedrich Nachod und daneben stehend die ihn tröstende Witwe Marie. Rechtsseitig wie im Urentwurf die drei Söhne des Ehepaares. Linksseitig sehen wir jetzt nur noch eine Figur, die der Autor nach neuester Forschung eindeutig als die wohl beste Freundin der Witwe Nachod ausweist – es ist Antonie Leopoldine Martha Zobel.
Obwohl der renommierte Kunsttheoretiker Julius Vogel diesen späteren Entwurf bewertet mit den Worten „ Das schlichte, keinesfalls prunkvolle Monument ist von großer, echt künstlerischer Wirkung “ hat Max Klinger offenbar die Lust an der Ausführung des Grabmales verloren – er bezahlt trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Stadtkasse nicht die geforderten 25 Mark für die Genehmigung der Grabmalerrichtung.
Schließlich wird die Rechnung vom Bankhaus Kanuth, Nachod & Kühne beglichen.
So vergingen Jahre und Max Klingers Tod im Jahre 1920 begrub nun jede Hoffnung auf die Umsetzung des Grabmalentwurfes durch den Meister – aber Klingers langjähriger Freund, der bedeutende Leipziger Bildhauer Johannes Hartmann war es schließlich, der den Klingerschen Entwurf im Jahre 1921 umsetzte.
Die bronzenen Urnen mit der Asche von Friedrich Nachod und der zwischenzeitlich auch verstorbenen Freundin der Witwe wurden schließlich 1921 in den Lichtöffnungen der Grabmalwand aufgestellt – später ebenso die Asche der 1934 gestorbenen Witwe Marie Nachod.
Die Rassegesetze der Nazis begründeten die Auswanderung der Söhne in die USA und behinderten so eine Pflege der verwaisten, künstlerisch so wertvollen Grabstätte. Die Nachod – Villa in der Karl – Tauchnitz- Straße 27 verging im Bombenhagel 1943.
Im Jahre 1974 wurde die Grabstelle wegen Verwilderung und angeblicher Einsturzgefahr eingezogen und das Gesamtkunstwerk zerstört – nur die Grabstele ohne den mehrstufigen Sockel wurde umgesetzt in die VIII. Abteilung des Südfriedhofes und diente zur besonderen Aufwertung eines riesigen Grabfeldes für die namenlose , anonyme Urnenbeisetzung vieler , vieler tausender Tote. So wurde die Zerstörung der traditionellen Begräbniskultur der siebziger Jahre umrahmt von diesem bedeutenden Klingerschen Werk der Leipziger Sepulkralkultur .
Die Lage der Grabstele finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .
Kunstwerk Archiv