Kunstwerke des Monats 2014

Dezember 2014

Der segnende Engel über dem Grabe des Apothekers Arno Weyrauch

Der im Jahre 1848 geborene Arno Hermann Weyrauch lebte um 1900 als sehr wohlhabender Mann in der Plagwitzer Forststraße 2a in einem prächtigen Haus, nur unweit vom vis-á-vis gelegenen Atelier des großen Max Klinger in der Karl-Heine-Straße 6.
Seit Jahren schon besaß er in der Zschocherschen Straße eine Apotheke und zumindest seit 1891 gehörte ihm durch Kauf auch die ehemalige Schindler´sche „Adler-Apotheke“ in Liebertwolkwitz, die für ihn ein Apotheker namens Giesel „verwaltete“.
Durch seine Heirat mit Sophie Anna Marie geb. Hartig war er recht eng verwandt mit dem bedeutenden Plagwitzer Unternehmer Carl Ernst Mey, sodass Weyrauch also durchaus zur elitären Riege der emporstrebenden Plagwitzer Oberschicht gehörte.

Ende Februar 1906 beantragte der Gohliser Architekt Otto Peter im Auftrag des Apothekers Arno Weyrauch die Errichtung einer prächtigen Grabmalanlage auf dieser neu erworbenen Grabstätte, die gestalterisch einer kleinen Kolonnade ähnelt. In deren Zentrum befindet sich auf einem hohen, abgetreppten Postament ein stattlicher Engel, der als ein göttlicher Bote diesem weihevollen, geheiligten Ort eine gehörige Aura verleihen soll.

Die Genehmigung war offenbar nur noch eine Formsache, und der Stadtbaurat Scharenberg verwies in seiner Zustimmung wohlwollend darauf, dass dieser Entwurf immerhin „von einem bekannten Leipziger Architekten herrührend“ ist.
Mitte März 1906 begannen dann in drei Metern Tiefe die Fundamentierungsarbeiten, für die Hartbrandziegel bester Qualität verwendet wurden. Die Vermeldung der Gesamtfertigstellung der Grabmalanlage einschließlich ihrer Einfriedung mit Schwellen und Pfosten wurde in der Akte auf den 21. September jenes Jahres datiert.

Die Ausführung der ganz aus gestocktem Granitgestein gefertigten Anlage mit ihren reichlich zwei Meter hohen Säulen hatte man seinerzeit mit Sicherheit einer renommierten Leipziger Steinmetzwerkstatt übertragen, deren Namen uns aber nicht überliefert ist.
Die Grabstätte wird von leicht gewölbten Schwellen, die eine geringe Überhöhung zum Erdniveau aufweisen, umschlossen. An den Ecken befinden sich kräftige, runde Pfosten mit leicht pyramidalem Abschluss, und es ist deutlich erkennbar, dass sich ursprünglich in ihnen die Ankerung einstiger Schmuckketten befand, die etwa kniehoch die Ruhestätte begrenzt haben.
Der segnende Engel aber, der emotionale und künstlerische Höhepunkt dieser Grabmalanlage, ist ein Werk des Bildhauers Heinrich Pohlmann (1839-1917), eines wichtigen Vertreters der Berliner Bildhauerschule.

Das bemerkenswerte künstlerische Talent des aus dem kleinen Ort Schevendorf im Osnabrücker Land als Sohn einfacher Bauersleute stammenden Pohlmanns wurde, wie das auch bei vielen anderen Künstlern aus einfachen Verhältnissen der Fall war, zufällig „entdeckt“, als der junge Pohlmann während seiner Zimmererlehre mit von ihm verfertigten Holzschnitzarbeiten auf sich aufmerksam machte. Durch Protektion gelangte er in die Ausbildung an die Berliner Akademie, wo er Unterrichtung und Inspiration von so großen Bildhauern wie Albert Wolff oder auch von dem damals noch so jungen Fritz Schaper erhielt. Ab 1867 wirkte Heinrich Pohlmann als selbständiger Bildhauer, und erst in späten Jahren, 1901, wurde er zum Königlich-Preußischen Professor ernannt.
In der Württembergischen Metallwarenfabrik, die sich nach der Reichsgründung dann im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in Geislingen an der Steige auch unübersehbar mit einer „Abteilung für Galvanoplastik“ in der gewaltigen Domäne des Grabschmuckgeschäftes auf den  Friedhöfen etabliert hatte, fand auch Heinrich Pohlmann ein stattliches Refugium für die Präsentation seiner sepulkralen Kunstschöpfungen. So ist er mit etwa 30 Modellen in den entsprechenden WMF-Katalogen vertreten und es finden sich noch heute Werke von ihm auf allen großen europäischen Friedhöfen von Wien bis Paris oder von München bis Oslo.

Auch der Weyrauch- Engel entstammt der „Galvano-Kunstanstalt Geislingen a.St.“, wie ein aufgesetztes kleines Schild im Bereich der Plinthe verkündet.
Er ist also seriell in einer bestimmten Stückzahl zu einem recht günstigen Preis gefertigt worden, als eine Gipsfigur mit entsprechenden Armierungen, die galvanotechnisch mit einer mehr oder minder starken Kupferschicht überformt wurde.
Im WMF-Katalog des Jahres 1919 finden wir genau diesen Engel unter der No.913 aufgeführt.

Jedenfalls konnte sich der Apotheker Weyrauch noch viele Jahre dieser eindrucksvollen und höchst repräsentativen Stätte seines dereinstigen eigenen Totenlagers erfreuen.
Die erste Bestattung erfolgte hier am 24. September 1919 mit der Beerdigung der verstorbenen Musikdirektors-Witwe Amalie Eleonore Mende, die eine ältere Schwester des Apothekers Weyrauch war.
Er selbst starb bereits ein knappes Jahr später, am 04. August 1920, während eines Kuraufenthaltes im Alter von 72 Jahren in Wernigerode. Wegen der Überführung nach Leipzig wurde sein Leichnam in einen Zinksarg gebettet, der wiederum von einem prächtigen eichenen Pfostensarg umschlossen wurde, in welchem der Apotheker sechs Tage nach seinem Heimgang an diesem selbst gewählten Ort in sein fürstliches Grab sank, über dem fortan der segnende Gottesbote der Witwe verheißungsvoll sicheren Trost spendete. Nach einem achtzehnjährigen Witwenstand erlosch dann im September 1938 auch das lange Leben der Apothekerswitwe Sophie Weyrauch, die hier an die Seite ihres Gatten gebettet wurde.

Dieser Engel ist der letzte Engel seiner Gattung – als galvanotechnische Kernplastik – auf unseren Leipziger Friedhöfen. Es ist einsam um ihn geworden, weil man seine zahlreichen Standesgenossen während vieler Jahrzehnte verbannt hat aus unserer Welt der Friedhöfe und sie schließlich hat sterben lassen. Er ist ein Mahner, den noch immer niemand beachten will – er verkündet nicht nur sein eigenes Sterben, sondern auch das Sterben unserer Friedhöfe.


Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 05 Seite 90 ff
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November 2014

Die Grabstätte des Architekten Georg Wünschmann (1868-1937) 

 Am 18. Oktober 1918 bediente sich der Tod der Spanischen Grippe, als er den Eheleuten Wünschmann ihr erstgeborenes Kind, die so sehr geliebte einzige Tochter Elisabeth, genannt Liesel, wenige Wochen vor ihrem zwanzigsten Geburtstag nahm.
Nach der Trauerfeier auf dem Südfriedhof fand die Einäscherung des jungfräulichen Leichnams statt, bevor die Asche fünf Tage nach ihrem frühen Tod in einer sogenannten Erdurne in dieser Grabstätte beigesetzt wurde, obwohl diese der Familie offiziell noch gar nicht gehörte. 

Erst Wochen später, am 03. Dezember 1918, erwarb der fünfzigjährige Georg Wünschmann im prominenten südlichen Teil der VI. Abteilung des Südfriedhofes, einem kleinen Ewigkeitsrefugium einiger sehr vermögender Leipziger Millionärsfamilien, für 2.700 Goldmark ein hundertjähriges Nutzungsrecht an der Wahlstelle No.139.
Im zeitigen Frühjahr 1919, am 11. März, beantragte er die Errichtung der Grabstättenarchitektur, wie wir sie noch heute vorfinden. In seinem Gesuch, „einer Grabstätte für mich“, negierte er eigenartig den Umstand, dass die Grabstätte in jener Zeit als Grabesort für seine Tochter Elisabeth gedacht war, ganz so, als wolle er die traurige Realität ihres Todes verdrängen.  

Wünschmann plante hier die Anlegung eines kleinen Garten Eden, in dem die Architektur eine absolut untergeordnete Rolle spielte.
Die rückseitige niedrige Brüstungsmauer sollte mit Blattpflanzen verdeckt werden, um lediglich ein Bindeglied zwischen den beidseitigen Steinbänken zu bilden.
„Eine Säule mit Putti und eine Schrifttafel, unter der die Urnen bewahrt werden, sind der einzige architektonische Schmuck“, so schrieb Wünschmann selbst in seinem Gesuch.
Wie so oft bei Wünschmann, fand auch hier der, offenbar einer besonderen Neigung geschuldete, Travertin Verwendung, ein Süßwasserkalkstein von sehr lebendiger Ausstrahlung.
Die dominierende, kannelierte Säule ist geschmückt mit eleganten Rosenfestons, die symbolisch von der unvergänglichen Liebe der nachgeborenen Familienglieder zu den an diesem Ort bestatteten Vorfahren künden.
Bekrönt wird diese Säule aber nicht wie üblich durch ein stilgerechtes Kapitell, sondern ein Gefäß, das uns an diesem Ort zweifellos an eine Urne erinnert, ist der Säule aufgesetzt.
Es ist dies ein Verweis, dass hier tatsächlich in einer unmittelbar vor der Säule befindlichen Gruft ausschließlich die Aschen der Verstorbenen beigesetzt sind.
Geschmückt ist diese steinerne Urne umseitig mit einem erhaben ausgearbeiteten griechischen Kreuz und stilisierter Blütenornamentik.
Die von Wünschmann in seinem Gesuch erwähnten Putti – es sind vier an der Zahl – reichen sich die Hände und umschließen in ihrer kindlichen Unschuld dieses heilige Gefäß.
Interessant ist dabei, dass die Putten männlich als auch weiblich sind.

Die vorgelagerte Urnengruft wird verschlossen durch eine mächtige Platte aus Travertingestein, die, zum Betrachter leicht gewinkelt, reich versehen ist mit erhaben aus dem Stein gearbeiteten Inschriften, welche uns die Namen und Lebensdaten der Toten vermelden, deren Aschen sich in der Gruft befinden.
So bezeugt diese Platte inschriftlich, dass hier am Ende die gesamte Familie beigesetzt wurde: Georg Wünschmann und seine Frau Theodora, die einzige Tochter und auch die beiden Söhne sowie Rosa Wünschmann, eine unverheiratet gebliebene Schwester des Architekten.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 05 S. 112 ff.

Oktober 2014

Das Grabmal des Fabrikanten Daniel Paul Vogel (1861-1913)

In der zweiten Abteilung des Südfriedhofes findet sich in unmittelbarer Nähe des südlich gelegenen Hauptweges die aus zwei Rabattengräbern bestehende Grabstätte der Familie des Fabrikanten Daniel Paul Vogel, den der Tod vorzeitig, wenige Wochen vor seinem 52. Geburtstag, im Frühjahr 1913 aus dem Leben riss. Über ihn selbst können wir kaum etwas berichten.
Die Witwe Antonie Vogel dürfte zu dieser Zeit für etwa 200 Goldmark die beiden Gräber erworben haben, um den Leichnam ihres geliebten Gatten hier der Erde zu übergeben.
Während Antonie Vogel beim Erwerb der Grabstätte eine kluge Sparsamkeit übte, zeigte sie sich aber bei der Beauftragung des Grabmales durchaus nicht kleinlich.
Keinem Geringeren als dem renommierten Leipziger Bildhauermeister Alfred Fränzel übertrug sie diesen Auftrag. Fränzel verkörperte in jener Zeit die besten Traditionen des Leipziger Steinmetz-  und Bildhauerhandwerks, wenn es um qualitätsvolle Grabmäler ging. Bei der Übertragung von Werkmodellen akademischer Bildhauer in Stein, eine Arbeit, die er vielfach durchgeführt hat, galt er als ein hochgeschätzter, vielseitiger Fachmann.

So hatte sich die Witwe Vogel für eine Marmorskulptur des namhaften Karlsruher Bildhauers Fidel Binz *entschieden. Die Fertigung dieser schönen marmornen Figur dürfte durch Alfred Fränzel erfolgt sein, von dessen Hand schließlich auch die gesamte Grabmalarchitektur aus dem roten Meißner Granit, dessen Oberfläche unterschiedlichste Bearbeitungstechniken aufweist, stammt.
Über einem zweistufigen Unterbau lehnt die in ihren besten Jahren symbolhaft dargestellte Witwe an einem altarähnlichen Podest, welches bekrönt ist mit einer prächtigen Schale voller üppiger Früchte, die als ein Symbol der Unsterblichkeit Denen gelten soll, deren Namen unauslöschbar in die polierte Podestfront eingearbeitet sind. Die seitlichen Säulen, die den mächtigen Sturzbalken dieser einer Ädikula ähnelnden Architektur tragen, sind jeweils geziert mit von Blütenkränzen umschlossenen lateinischen Kreuzen. 
In ein weites, faltenreiches Gewand gehüllt, hält die verschleierte Witwe ihre Hände geschlossen zum gläubigen Gebet, den Blick leicht himmelwärts gerichtet.
Dem das Grabmal nach oben hin abschließenden Rollwerk entfließen zwei Palmenzweige als hoffnungsvolle Verkünder des ewigen Friedens an diesem Ort einer letzten Ruhe der hier recht zahlreich bestatteten Glieder der Familie D. P. Vogel.
So waren Glaube, Liebe und Hoffnung das große Thema dieses opulenten Grabmales geworden.
Der Witwe Antonie Clara Helene Vogel, wie sie mit vollem Namen hieß, war ein langes Leben beschieden – sie folgte dreißig Jahre später, fast 82-jährig, ihrem Gatten in das Grab.     

 

* Im Katalog der Württembergischen Metallwarenfabrik WMF findet sich diese von Fidel Binz gefertigte Skulptur als eine in Serie gefertigte Galvanoplastik unter der No.965.

Zitiert aus Alfred E. Otto Paul:
„Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 05 , Seite 43

Die Lage der Grabstätte finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig.

September 2014

Die Tempelgrabstätte des Prof. Julius Zeitler

Julius Zeitler, der bedeutende Kunsthistoriker, Verleger, Schriftsteller und Übersetzer war unstrittig selbst der Schöpfer dieser eindrucksvollen Tempelgrabstätte auf dem Gohliser Kapellenfriedhof.
Als im November 1909 Friedrich Julius Richter starb – offenbar der Großvater von Zeitlers Ehefrau – dürfte Julius Zeitler diese Tempelfassade entworfen haben als Kulisse eines für lange Zeit geplanten Erbbegräbnisses der Familie.
Ganz in archaischer Tradition erhebt sich diese aus gewaltigen behauenen Kalksteinblöcken errichtete Tempelfassade, deren Architrav im Mittelteil getragen wird von zwei mächtigen dorischen Säulen und den Eindruck eines Portikus vermittelt.

So erinnert heute nur noch dieser Ort als steinernes Denkmal an eine erloschene Familie, deren Mitglied Julius Zeitler der Nachwelt ruhmvolle Werke der Geistesgeschichte hinterlassen hat.
Mit seinem nur wenige Jahre in Leipzigs Seeburgstraße No.57 existierenden Zeitler – Verlag setzte Julius Zeitler in den Jahren 1904 bis 1912  höchste Maßstäbe in der buchkünstlerischen Gestaltung. Der Kunsthistoriker Julius Zeitler sah sich als Ästhet allein dem schönen Buch als Kunstschöpfung verpflichtet und so entstanden in enger Zusammenarbeit mit Walter Tiemann Meisterwerke der Buchkunst. Der wirtschaftliche Druck durch die Konkurrenz verhinderte eine langfristige volle Entfaltung dieses herausragenden Verlages als ein Kunstprojekt, das dennoch als eine der bemerkenswertesten Episoden in die Geschichte der Buchkunst einging.
Als Herausgeber des dreibändigen  Goethe-Handbuches (1916-1918) hinterlies Julius Zeitler ein bis zum heutigen Tage gültiges Standardwerk der Goetheforschung.
Mit seinem literarischen Sammelwerk „Epochen der deutschen Literatur“ oder seinen kunstwissenschaftlichen Schriften wie z.B. die „Tempelklassiker“ hat sich Julius Zeitler als profunder Kenner der Kunst- und Kulturgeschichte auch für die Nachwelt ausgewiesen.

Ab 1915 lehrte Zeitler an der Leipziger Akademie für graphische Künste zur Kunst- und Kulturgeschichte sowie zur Geschichte der Buchkunst.
1920 folgte seine Ernennung zum Professor für Buchkunst und sein enger Künstlerfreund Walter Tiemann übernahm im gleichen Jahr das Amt des Rektors dieser Kunstakademie. 
Trotz seiner im Jahre 1940 erfolgten Versetzung in den Ruhestand wurde Walter Tiemann noch 1944 von Goebbels in die elitäre Riege der „Gottbegnadeten“ aufgenommen – im Jahr zuvor aber starb bereits am 15. Januar 1943 mit 68 Jahren Professor Dr. phil. Johann Georg Andreas Julius Zeitler.
Sein Leichnam wurde am 20. Januar 1943 im Leipziger Krematorium eingeäschert und die Urne mit seiner Asche am darauf folgenden Tag in dieser Erbbegräbnisstätte beigesetzt.
Ein langes Leben war seiner Witwe vergönnt - Clara Theodora Zeitler geb. Richter überlebte ihren Mann um 35 Jahre und starb im 98. Lebensjahr am 11. Juli 1978 und auch ihre Asche fand hier nun ihren letzten Ort.

Zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 03 Seite 24 ff.

August 2014

Die Grabstätte der Familie Schlippe

Als 1899 dessen Sohn Carl August Schlippe stirbt, erwirbt seine Witwe Bertha Louise für „ihren über alles geliebten Ehemann…“ diese überaus wertvolle Grabmalplastik, die Beweinung Christi darstellend, von der Hand des namhaften Professors der Nürnberger Kunstakademie Johann Rössner (1841-1911).
Wieso die Gohliser Familie Schlippe den anerkannten Nürnberger Bildhauer Johann Rössner auswählt, erklärt sich durch deren engste verwandtschaftliche Verbindungen mit der Nürnberger Kunsthändlerfamilie Arnold, deren Tochter Hedwig den Sohn August Oskar Schlippe heiratet.
Gegossen wird die Plastik in der renommierten Nürnberger Bronzebildgießerei Lenz, in der bedeutende Werke Johann Rössners wie bspw. die Statuen des Martin Behaim oder des Hans Sachs entstanden sind. Zeitgenössische Dokumente, im Besitz der noch heute in Nürnberg sehr erfolgreichen Kunstgießerei Lenz, belegen einen von der Witwe Schlippe gezahlten Kaufpreis von etwa 3.000 Goldmark für diese Skulpturengruppe.
So wird eine, von beidseitig je zwei sandsteinernen Kragsteinen getragene, kräftig profilierte Sandsteinplatte in die Wandstelle zur Aufnahme der prächtigen bronzenen Skulpturengruppe eingearbeitet. In über hundert Jahren hat die Natur die Figurengruppe mit der grünen Patina geschmückt.
Aber nicht nur der Altersschmuck der Patina hat sich auf der Plastik niedergelegt, sondern auch deutliche Verkrustungen und Salze bedrohen ihre Zukunft und drängen auf eine baldige Restaurierung dieses meisterhaften Werkes.
Im Rahmen dieser künstlerisch erheblichen Aufwertung der Grabstätte erfolgt auch die Erneuerung der oberen Gesimsabdeckung sowie die schmückende Bekrönung der die Wandstelle beidseitig begrenzenden Pilaster mit jeweils einer prächtigen, noch heute unbeschädigten Schmuckurne aus grünlichem sächsischen Serpentin.

Auf dem Erbbegräbnis sehen wir links ein klassisches Grabmal - eine im Schaft zerbrochene Säule als Symbol des geendeten Lebens erinnert an den Sohn des Gutsbesitzers Carl August Schlippe, der die landwirtschaftliche Tradition seiner Vorfahren beendet und als Dr. phil. August Oskar Schlippe erfolgreich eine Leipziger Buchdruckerei übernommen hat. Seine Tochter Manja Schlippe ist die letzte Namensträgerin. Sie heiratet den Studienrat Dr. phil. Hans Schüppel, der über zwei Jahrzehnte an der Gaudig-Schule in Leipzig wirkt. Deren  Tochter Nora stirbt traurigerweise 1944 während eines Einsatzes beim Reichsarbeitsdienst an einer Sepsis im blühenden Alter von 19 Jahren.    

In beeindruckender Verantwortung und ausgeprägtem kulturellen Bewusstsein sichert der Sohn Geert Schüppel (*1928) diese Grabstätte seiner Vorfahren, in der fünf Generationen einer äußerst verdienstvollen Gohliser Familie ihre letzte Ruhestätte haben.
Diese Grabstätte verkörpert das klassische Erbbegräbnis schlechthin und ist durch seine beispielgebende gärtnerische Gestaltung ein Gesamtkunstwerk,  wie wir es in dieser Ganzheit leider nur noch selten erleben können. 

Die Grabstätte der Familie Schlippe liegt auf dem Gohliser Friedhof, ihre Lage kann nicht angezeigt werden.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul – „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 03 S.14 ff.

Juli 2014

Die Grabstätte des Fabrikanten Rudolf Sack

Begräbnisbücher können uns viel berichten über das Leben und Schicksal der einst Lebenden.
Warum Rudolf Sack, dieser bedeutende deutsche Industrielle, am 01. Dezember 1896 die Familienbegräbnisstätte No.40 auf dem Plagwitzer Friedhof erwirbt, erklärt sich eindeutig durch den Tod seiner Ehefrau Emma Adolfine Sack geb. Franke, die am Silvestertag 1896 stirbt – sie war also sehr krank und ihr baldiges Ableben sicher.
Und so wird sie nach 62 Lebensjahren am 02. Januar 1897 hier in doppelter Grabestiefe beerdigt.
Zum Andenken an seine Frau errichtet Rudolf Sack im gleichen Jahre mit 40.000 Goldmark eine Stiftung zur Unterstützung der Armen und Kranken in den Kirchgemeinden Plagwitz und Kleinzschocher.

Mit Sicherheit entsteht 1897 die prächtige Grabmalanlage, denn Rudolf Sack selbst befindet sich in seinem 74. Lebensjahr und auch sein Lebensende ist absehbar.
Und so beginnt man im Frühjahr 1897 mit dem Bau dieser gewaltigen Grabmalwand aus Kalkstein, deren Mittelbau an einen Triumphbogen erinnert, bekrönt durch zwei mit einem Trauerschleier bedeckte, große Urnen.

An den bogentragenden Säulen befindet sich jeweils ein in Stein gehauener, schleifengeschmückter Eichenlaubkranz als Symbol der Trauer und aber auch der Verdienste der hier ruhenden Toten. Der den Kranz haltende Kragstein zeigt im Relief die Lilie als  Symbol der Vereinigung von Himmel und Erde, von Gott und Mensch – Zeichen der vollkommenen Liebe.

Zwei kunstvoll gestaltete Voluten gleiten herab von den Säulen des Bogens zu den seitlichen Anläufern der Wandstelle und den Füllhörnern entspringt das eichene Laub.
Die riesige Platte innerhalb des Bogens trägt in Lettern aufgesetzt die Inschrift „Familie Rudolph Sack“ – sie ist aus rotschwedischem Granit wie auch die schlichten Pfeiler der Einfriedung des großflächigen Grabbezirkes und so erzielt das helle Grau der Wandstelle und das dunkle Rot von Schriftplatte und Einfriedung einen wirkungsvollen farbigen Kontrast.
Die verwendeten Materialien verweisen auf den Leipziger Bildhauer Rudolf Cöllen als den Schöpfer dieser imposanten Grabmalanlage.
Unterhalb der Schrifttafel findet sich ein plastischer Schmuck mit einem wappenähnlichen Schild und einem ausladenden Band, das durchdrungen wird von jungen Eichentrieben und in seiner Symbolik wohl auf die beständige Erneuerung des Familienstammes durch nachfolgende Generationen verweist
Grundsätzlich ist das bei diesem Wandgrabmal so dominierend verwendete Eichenlaub als Ruhmessymbol zu verstehen, welches aber auch auf Tugenden wie kraftvolle Beständigkeit und Treue hindeutet. Die Eiche auch als Ewigkeitssymbol entspringt der menschlichen Betrachtung, dass ein Eichenleben 30 Generationen währt.     

Rechtsseitig umschließt eine ebenso aus Kalkstein errichtete Mauerwange die Grabstätte, die hier eine Urnengruft für die mit der Familie Sack eng verwandte Familie Wichmann birgt und eine große rechteckige Schrifttafel benennt, heute kaum noch lesbar, die Namen der Toten dieses Familienzweiges. Auch die Urne mit der Asche des Kunsthistorikers Dr. Heinrich Wichmann, ein leiblicher Enkel von Rudolf Sack, von 1929 bis 1945 Direktor des Leipziger Kunstgewerbemuseums, befindet sich in dieser Gruft.

Unter dieser Schriftplatte, unmittelbar vor der gewölbten, mit schweren bronzenen Ringen bestückten und efeubewachsenen Gruftplatte findet sich eine prächtige steinerne Bank, deren Armlehnen eine mächtige Flügelschwinge darstellen und deren Adlerköpfe verleihen dieser Adlerbank den Charakter einer königlichen Stätte, einem Ort stolzer Trauer. 

Die Grabstätte von Rudolf Sack liegt auf dem Plagwitzer Friedhof, ihre Lage kann nicht angezeigt werden.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 03 S. 62 ff.

 

Juni 2014

Das Grab des Verlegers Herrmann Julius Meyer

Ein bronzenes Porträtmedaillon des Begründers des Bibliographischen Instituts Joseph Meyer und dessen Wahlspruch „Bildung macht frei“ bekrönen die monumentale Grabmalanlage der Familie Herrmann Julius Meyers, einer der bedeutendsten deutschen Verlagsbuchhändler.

Sein Vater Joseph Meyer begründet im Jahre 1826 das Bibliographische Institut in Gotha.
Wirtschaftliche Turbulenzen zwingen ihn zwei Jahre später mit dem Verlag in das thüringische Hildburghausen überzusiedeln.
1856, nach dem Tode des erst 60-jährigen Vaters – er stirbt an einer Lungenentzündung – übernimmt dessen einziger Sohn Herrmann Julius den Verlag und baut diesen in den nachfolgenden Jahren nach einer schwierigen Phase der wirtschaftlichen Konsolidierung zu einem der weltbedeutendsten Verlage aus.

1874 verlegt Herrmann Julius Meyer das Bibliographische Institut in das Zentrum des deutschen Buchhandels nach Leipzig.
Gewaltig ist das Spektrum der Verlagserzeugnisse und mit Meyers Lexikon, Brehms Tierleben oder den kartographischen Atlanten sei hier nur an einige Werke erinnert.


... erwirbt Herrmann Julius Meyer am 17. Juni 1893 für 1.800 Goldmark auf dem erst wenige Jahre zuvor eröffneten Südfriedhof die beiden in der I. Abteilung gelegenen Wandstellen No.54/55 für einhundert Jahre.

Knapp zwei Jahre später beantragt er die Errichtung der Wandstellenarchitektur nach Plänen seines engen Freundes und Vertrauten, des Architekten Max Pommer. Die Baugenehmigung durch Stadtbaurat Hugo Licht erfolgt unmittelbar bereits am Tag darauf und wir können von der Ausführung der Arbeiten im Jahre 1895 ausgehen.
Die in schlichter klassizistischer Form gestaltete Sandsteinarchitektur über kräftigem Granitsockel zeigt im stelenartig sich aufbauenden Mittelteil einen vom Bildhauer Adolf Lehnert gefertigten bronzenen Bildschmuck.
Das kreisrunde Porträtmedaillon des Vaters bezeugt die Dankbarkeit und Anerkennung des Sohnes für dessen umfassende Leistungen und ein bronzener Kranz, gewunden aus Mohnblumen, verweist auf den ewigen Schlaf aller hier in dieser Erde ruhenden Mitglieder der Familie Meyer.
Unübersehbar deutet der Palmzweig darauf hin, dass diese Ruhestätte der Familie ein Ort des ewigen Friedens sein möge.

Kurz vor seinem Tode erlebt der greise Herrmann Julius Meyer die erste Bestattung in dieser einst von ihm begründeten Familiengrabstätte auf dem Südfriedhof , als am 27. April 1908 die Asche seines im Chemnitzer Krematorium feuerbestatteten Sohnes Carl Emil hier beigesetzt wird.
Im Jahr darauf stirbt am 12. März 1909 der große Verleger Herrmann Julius Meyer fast 83-jährig schließlich selbst und findet an der Seite seines Sohnes hier die letzte Ruhe.

„Seiner Familie“ – diese Inschrift lesen wir im Mittelteil der Grabmalwand und zahlreiche Grabsteine aus dem unvergänglichen schwarz-schwedischen Granitgestein erinnern daran, das hier neben den Eltern Herrmann Julius (1909) und Antonie Caroline geb. Meidinger (1919) auch die vier Söhne Emil (1908) und Arndt (1928) sowie Hans (1929) und Herrmann (1932) die letzte Ruhestätte fanden. 

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Bd. 04 S. 20 ff.

Die Lage der Grabstätte des Verlegers Herrmann Julius Meyer finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig.

Mai 2014

Der Königlich-Sächsische Baurat Emil Max Pommer

Max Pommer zählt zu den charismatischen Lichtgestalten der gründerzeitlichen Ära Leipzigs und die beeindruckenden Zeugnisse seines Lebenswerkes finden sich überaus zahlreich in dieser Stadt.

Für seine herausragenden Verdienste ernennt ihn König Albert von Sachsen am 22. April 1902 zum Königlich-Sächsischen Baurat.
Wenige Jahre später honoriert König Friedrich August III. von Sachsen seine Leistungen mit dem Ritterkreuz I. Klasse des Königlich-Sächsischen Albrecht-Ordens, den ihm der Leipziger Oberbürgermeister Rudolf Dittrich überreichen wird.
Viele Jahre hat Max Pommer im Stadtparlament und auch als unbesoldeter Stadtrat politische Verantwortung zum Nutzen der Stadt Leipzig wahrgenommen.

Wenige Wochen vor seinem 60. Geburtstag erwirbt Max Pommer für 1300 Goldmark ein vorerst hundertjähriges Nutzungsrecht am Erbbegräbnis No. 8 in der V. Abteilung des Südfriedhofes. Die entsprechende Konzessionsurkunde bezeichnet ihn zuvörderst als Stadtrat und dann als Königlich-Sächsischen Baurat.
Aber erst zwei Jahre später errichtet er hier eine Gruftanlage aus Stahlbeton, deren Fertigstellung mit dem 09. Oktober 1908 bezeugt ist.


Im Frühjahr 1909 beginnt über der erdbedeckten Gruft die Errichtung der Grabstättenarchitektur aus Muschelkalkstein. Sämtliche Zeichnungen und Statiken stammen von Pommers eigener Hand – er ist also unzweifelhaft auch der Entwurfsverfasser der Grabmalanlage.
Obwohl der Jugendstil in dieser Zeit noch immer dominierend ist, erkennt Pommer ihn als eine kurze Episode und entscheidet sich sicher sehr bewusst für eine architektonische Ausbildung in klarer Sachlichkeit, ohne Überladung mit Schmuckwerk.
Nahezu schlicht umschließt die Grabstätte ein einfaches bronzenes Gitterwerk, das unterbrochen wird von kräftigen, niedrigen Pfeilern, die als einzigen Schmuck erhaben ausgearbeitete, ovale Patten aufweisen.
Nahezu wandstellenartig baut sich das eigentliche Grabmal auf, über dessen erhabenen Schriftzug „Max Pommer und die Seinen“ eine gewaltige, monolithische Schale auf beidseitigen Löwentatzen thront. Eine dreiteilige Lorbeergirlande bildet neben Perlstab und anderem begleitenden bauplastischen Zierrat den Hauptschmuck dieser Schale und somit des Grabmales überhaupt.
Beidseitig in Höhe der genannten Inschrift sehen wir jeweils ein quadratisches, florales Ornament, das wir unschwer als Akanthusblattwerk erkennen, um dessen Unvergänglichkeitssymbolik wir wissen.
Darunter schmücken senkrechte Lorbeergirlanden zopfartig die Grabmalwand und erinnern an die Verdienste aller hier dereinst bestatteten Toten.
Die seitlichen Anläufer der Grabmalwand sind mit herauskragenden bronzenen Kranzhalterungen zur Schmückung der Grabstätte bei besonderen Anlässen versehen.
Am 09. Juni 1909 sind die Arbeiten an der Grabstätte vollständig abgeschlossen.

Wenige Wochen vor der Fertigstellung der Grabstätte ist Max Pommers engster Freund und Förderer Herrmann Julius Meyer gestorben und wird nur unweit in der von Pommer für ihn einst entworfenen Grabstätte bestattet.
Der Königlich-Sächsische Baurat Max Emil Pommer erliegt im Alter von 68 Jahren am 05. Juli 1915 in Leipzig einem tödlichen Herzinfarkt.
Sein Leichnam wird feuerbestattet und die Urne mit seiner Asche am sechsten Tage nach dem Tode in der Grabkammer beigesetzt.
Am 01. November 1928 folgt ihm seine geliebte Ehefrau Helene im Tode nach.
Wenig später, im Dezember, findet auf einem vor dem Grabmal befindlichen Postament die schöne lorbeerbekränzte Urne aus Galvanobronze, die inschriftlich versehen ist mit den Namen und Lebensdaten der hier bestatteten Eheleute Max und Helene Pommer, Aufstellung.

In mehreren Auszügen zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 04 S. 76 ff.

Die Lage der Grabstätte der Familie Max Pommer finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig.

 

April 2014

Die Grabstätte des Baumeister Johannes Alfred Wetzold

Erst  am 04. Dezember 1928 beantragt der Leipziger Architekt Max Schönfeld in seinem Namen die Errichtung des Denkmales in seiner heutigen Gestalt. Offenbar stammt von Max Schönfeld der künstlerische Entwurf, denn der renommierte Bildhauer Alfred Thiele wird nur als Ausführender der plastischen Arbeiten genannt. Interessant ist die ursprüngliche Absicht des Baumeisters Wetzold, die Löwenplastik in Bronze zu liefern, die sich dann aber leider nicht verwirklicht hat.
Das 2,50 Meter tiefe Fundament errichtet der Baumeister im Sommer 1929 höchstpersönlich und am 16. September 1929 hat der Bildhauer Alfred Thiele sein Meisterwerk vollendet; das „Denkmal ist aufgestellt“, vermeldet die Akte des Friedhofsamtes.

Wir können sicher sein, dass Johannes Wetzold von Anbeginn hinsichtlich der künstlerischen Qualität und der intellektuellen Prägung sehr hohe Ansprüche an die Grabmalgestaltung stellt. Dies war auch ein gesellschaftliches Gebot, da in dem seinerzeit exklusivsten Begräbnisareal vor der Kulisse des patriotischen Völkerschlachtdenkmales bereits hervorragende Grabmäler von führenden Künstlern wie die  Professoren Seffner, Lehnert, Pfeifer, Heinemann oder Trebst, Magr, Kluge u.a. errichtet worden sind.
Aber es ist auch Wetzolds ureigener Wille, dem zu schaffenden Grabmal ein hohes Maß an individueller Prägung zu verleihen.

Seit Jahrtausenden verwendet die Menschheit den Löwen in vielfältigster Symbolik und auch in der überaus zahlreichen Literatur zur Ikonografie ist er ein bedeutsames Thema.
Das Spektrum der Löwensymbolik ist unendlich breit, es speist sich aus der ägyptischen Kulturgeschichte, findet sich ausgeprägt im Hellenismus und natürlich in allen Stadien der Geschichte der Christenheit. Deshalb könnte die Interpretation der Symbolik dieses Löwen auf dem Wetzold`schen Grabe mindestens den Umfang einer Magisterarbeit erreichen.

Der Autor vertritt hier in aller Offenheit folgende These:
Johannes Wetzold ist der Primus inter pares der Familie. Nicht sein älterer Bruder Richard  ist faktisch das Oberhaupt der Familie, sondern Johannes, weil er der Erfolgreichere ist. Johannes Wetzold hat sein Leben lang tapfer um den Erfolg gekämpft, er hat ein ansehnliches Lebenswerk gesichert, trotz zahlreicher turbulenter Jahre wirtschaftlicher Wirren. Der Löwe steht seit ewigen Zeiten symbolisch für Stolz und Würde, Beharrlichkeit, Tapferkeit und Mut, aber auch für Mäßigung.
Diese charakterlichen Eigenschaften entsprechen auch dem Lebensbild des Baumeisters Johannes Wetzold und so identifiziert er sich mit dem Löwen in besonderem Maße.
In Hinblick auf seinen jahrzehntelangen Lebenskampf erscheint ihm das naturgegebene, unweigerliche Lebensende durch den Tod als eine segnende Erlösung und wohl kein Geistesgut entspricht mehr seiner Sehnsucht nach einstiger ewiger Ruhe wie die Worte Shakespeare`s, der Hamlet im fünften Monolog sagen lässt: ES IST EIN ZIEL AUFS INNIGSTE ZU WÜNSCHEN STERBEN SCHLAFEN.
Deshalb ist Johannes Wetzold selbst der Löwe, der dort schlafend liegt. Die den Löwen flankierenden bronzenen Kreuze deuten auf einen zweiten, für den Christen Johannes Wetzold sehr wesentlichen ikonografischen Aspekt hin, und zwar die Auferstehung, denn der Löwe verkörpert als eines der vier klassischen Evangelistensymbole eben die Auferstehung Jesu.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 04  S. 52 ff.      

Die Lage der Grabstätte Wetzold finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig.

März 2014

Das Grabmal des Fabrikbesitzers Johann Heinrich Grimm

Wenngleich wir über keinerlei Zeugnisse zur künstlerischen Autorenschaft dieses interessanten Grabmales verfügen, begründen aber unsere langjährige Forschung sowie vergleichende Studien eine höchstwahrscheinliche Zuschreibung dieses Werkes einem ganz besonderen Leipziger Architekten - Paul Möbius (1866-1907), einem großen Avantgardisten und Überwinder des Historismus. Seine Bauten, und dazu gehören auch die von ihm geschaffenen Grabmäler, sind längst Ikonen der Leipziger Architektur.
Das ganz aus poliertem Granit errichtete Grabmal erinnert in seiner Architektur an einen Portikus, dessen satteldachförmiger oberer Abschluss eine gewisse monumentale Wuchtigkeit ausstrahlt, die durch zwei vorgelagerte, pilasterartige, konisch sich hochwärts verjüngende Stelen noch deutlich verstärkt wird. Ein ebenso kräftiges, rundbogiges Portal, dessen vierstufig gegliedertes Gewände seine Tiefenwirkung deutlich erhöht, birgt in seinem Innern ein wunderschönes kreisrundes Mosaik, welches an eine Himmelsscheibe erinnert.
Viele goldene Sterne zieren seinen blauen Grund und symbolisieren dieses Portal als einen Grenzpunkt zwischen den irdischen Gefilden und dem göttlichen Reiche.
Ein weiblicher gewandeter Engel, aus weißem Marmor gehauen, schreitet erhaben aus dieser himmlischen Pforte deren vierstufige Treppe hinab – eben im Begriff, das vor ihm liegende, einzige Grab dieser Stätte zu segnen und es mit den zahlreichen, in einer Schale mitgeführten Rosen zu schmücken. Dabei verweisen die Rosen als Symbol der Liebe auf die biblisch postulierte Liebe Gottes als Erlöser.
Auch in seiner deutlich sichtbaren Morbidität vermittelt uns diese meisterhaft gearbeitete Plastik noch heute ihre ausstrahlende Aura von einst.
Der Bildhauer ist schwerlich zu benennen- am ehesten könnte man hier wohl Arthur Trebst vermuten, aber auch Adolf Lehnert wäre nicht unwahrscheinlich.

Über dem Portal verweisen großbuchstabige bronzene Lettern deutlich auf die Familie Grimm als Inhaber der Grabstätte und an den Stelen der Grabmalwand erinnern noch Dübellöcher an die einstige Existenz von bronzenen Tafeln, die mit Sicherheit von den in dieser Grabstätte ruhenden Toten kündeten – die kinderlos gestorbenen Eheleute.

Die auf den Handel mit Ölen und Schmierstoffen spezialisierte Plagwitzer Firma Grimm gerät durch den verlorenen I. Weltkrieg und seinen Folgen in den Konkurs und so ist vielleicht auch der Lebensmut von Johann Heinrich Grimm gebrochen, der im Alter von 65 Jahren stirbt und in doppelter Grabestiefe hier am 20. September 1920 beerdigt wird.
Einige Jahre später wird die Witwe Maria Bertha Clementine Grimm geb. Herrmann
am 10.August 1926 im Grabe ihres Mannes einfach tief über seinem Sarg beigesetzt und so ruhen sie hier in diesem gemeinsamen Grabe zu Füßen ihres segnenden Engels.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 03 – S.66

Die Grabstätte von Johann Heinrich Grimm liegt auf dem Plagwitzer Friedhof, ihre Lage kann nicht angezeigt werden.

Februar 2014

Die Grabstätte des Kaufmanns Hermann Törpsch

In der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt durch Carl Heine die Industrialisierung von Plagwitz; im Jahre 1887 existieren hier bereits über einhundert Fabriken und Plagwitz entwickelt sich zu einem der bedeutendsten Industriestandorte Europas – in diesem Jahr begründet Hermann Törpsch in Plagwitz eine Eisen- und Maschinenhandlung.

Die in der Naumburger Straße 25 ansässige Firma hat eine äußerst breite Produktpalette und handelt mit Dampfkesseln, Dampfmaschinen, Elektromotoren und Dynamos, Lokomobilen, Pumpen, Transmissionen, Werkzeugmaschinen aller Art sowie mit Hüttenprodukten. Der wirtschaftliche Erfolg erlaubt dem Kaufmann Hermann Törpsch die Erbauung eines prächtigen Hauses in der Elisabeth-Allee 14 und die nachfolgenden Jahre bezeugen uns eine beachtliche geschäftliche Entwicklung der Firma sowie den entsprechenden gesellschaftlichen Aufstieg der Familie.

In diese Glanzzeit der Familie fällt dann der plötzliche Herztod ihres Patriarchen Franz Hermann Törpsch am 11.September 1908 in einem Alter von 48 Jahren 11 Monaten und 24 Tagen. Drei Tage vor seinem 49. Geburtstag wird er am 14.September 1908 auf dem Plagwitzer Friedhof im Erbbegräbnis No.45, das die Witwe am gleichen Tage erwirbt, in einem eichenen Sarg beerdigt.

Bereits wenige Tage später beauftragt die Familie den namhaften Leipziger Bildhauer Arthur Trebst mit der Errichtung eines Grabmales.
Und Trebst folgt bei dieser monumentalen Grabmalschöpfung eindeutig den Wünschen der Familie nach standesgemäßer Repräsentation auf diesem Friedhof des inzwischen entstandenen äußerst wohlhabenden Plagwitzer Bürgertums, auf dem so große Familien wie Sack, Brehmer, Mey, Steche, Büchner, von Zahn und viele andere bereits ihre Ruhestätten erworben haben.
So entsteht im Jahre 1909 hier eine prachtvolle Grabmalanlage im Stile der ägyptischen Tempelarchitektur mit seinem stelenhaften konischen Mittelbau aus poliertem Granit und den beidseitig ausladenden Flanken aus querrechteckigen, zentnerschweren, bossierten Granitblöcken. Die eingemeißelte Inschrift „Trebst fec. Salomonstr.“ bezeugt die alleinige Autorenschaft des Bildhauers an diesem Meisterwerk der Grabmalkunst.
Im Zentrum des gewaltigen Mittelbaues sehen wir umrahmt von einem gekehlten Gewände ein schweres bronzenes Tor mit aufgesetzten kreuzförmigen Patten als unschwer zu erkennendes Symbol eines dahinterliegenden anderen Ortes – das Reich der Toten.
Den künstlerischen Höhepunkt der eindrucksvollen Architektur aber bildet unzweifelhaft die weißmarmorne Plastik, eine Darstellung der ihren verstorbenen Mann ehrenden Witwe.
Die Trauernde hebt ihren Blick leicht himmelwärts und ihr faltenreiches, bis auf den sandalentragenden Fuß reichendes, langes Gewand korrespondiert mit der antiken Grabmalarchitektur. Eine üppige, rosengeschmückte Girlande in ihrem Schoß gleitet hinab bis auf die Erde und mit der Rechten ist sie eben in Begriff, Rosenblüten auf das unmittelbar davor befindliche Grab des hier ruhenden Gatten zu streuen.

Über vierzig Jahre wird sie als Witwe ihren geliebten Mann betrauern und in dieser Zeit beschwert sie das Leben noch einmal mit dem Verlust ihrer Tochter Elise, die 1935 im Alter von erst 47 Jahren verstirbt und nun an der Seite des Vaters beigesetzt wird.

Als die Witwe Emma Marie Törpsch geb. Mönicke am Neujahrstage 1949 hochbetagt fast 87-jährig stirbt, ist das Lebenswerk ihres Mannes durch Enteignung zerstört - in einem schlichten, einfachen Brettsarg wird ihr Leichnam am winterkalten 04. Januar 1949 hier begraben.

Die Familie ist heute weithin vergessen, nur ihr in den Stein gemeißelter Name erinnert an sie – und da das Grabmal aus unvergänglichem Granit errichtet ist, wird auch in hundert Jahren der Name Törpsch zumindest an diesem Ort noch von der einstigen Plagwitzer Blütezeit künden und auch daran erinnern, dass in dieser Erde die großen Gründerväter ruhen.

Zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 03 S. 82 ff.

Die Grabstätte von Hermann Törpsch liegt auf dem Plagwitzer Friedhof, ihre Lage kann nicht angezeigt werden.

Januar 2014

Das Grab des Thomaskantors Günther Ramin (1898–1956)

Wiederum in der Nachfolge seines großen Lehrers Prof. Karl Straube wird Günther Ramin am 18. Oktober 1939 zum XII. Thomaskantor nach Bach berufen.
Zu den Nationalsozialisten bewahrt Günther Ramin eine ehrenhafte Distanz und erkennt bis an sein frühes Lebensende seine besondere Berufung in der Pflege des Bach´schen Werkes. Nach 1945 erwirbt er sich als Präsident des Bach-Ausschusses der DDR sowie als Geschäftsführender Vorstand der Neuen Bachgesellschaft und künstlerischer Leiter der Bach-Wettbewerbe bleibende Verdienste, die 1949 mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Philosophische Fakultät der Universität Leipzig sowie 1950 durch die Auszeichnung mit dem Nationalpreis 2. Klasse gewürdigt werden.

Nach zehntägigem Krankenlager stirbt Günther Ramin am 27. Februar 1956 in Leipzig an den Folgen eines Schlaganfalles.
Seinem Wunsch gemäß, wird sein Leichnam in der Thomaskirche aufgebahrt, wo unzählige Verehrer aus aller Welt von ihm Abschied nehmen. Staatspräsident Wilhelm Pieck ehrt den verstorbenen Günther Ramin mit einem gewaltigen Kranz, der dem großen Toten vorangetragen wird, als er zum letzten Male die Thomaskirche, die große Stätte seines Wirkens, verlässt.
Die beeindruckende Predigt hält Superintendent Stiehl.
Im großen Saal des Alten Rathauses, dessen Stirnwand mit schwarzem Tuch verhängt ist und ein Porträtgemälde Ramins zeigt, würdigt die Stadt in einer Feierstunde die Lebensleistung des verstorbenen Thomaskantors.

Der Leichnam von Günther Ramin wird am 02. März 1956 eingeäschert und die Urne mit seiner Asche am folgenden Tag in einer von der Stadt Leipzig gestifteten Ehrengrabstätte, der Wahlstelle No.391 in der II. Abteilung des Südfriedhofes, beigesetzt.
An diesem Tage findet hier auch eine Beerdigung statt – von einem anderen Ort hat man das bereits 1930 im Alter von 7 Jahren gestorbene Töchterchen Gabriele hierher überführt und nun im Grabe des Vaters zur letzten Ruhe gebettet.
Erst Jahrzehnte später stirbt Charlotte Ramin im 95. Lebensjahr in Ludwigsburg und ihre Asche wird im Dezember 1987 an der Seite ihres Mannes und ihrer Tochter hier beigesetzt.

In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich auch das Grab des unvergessenen Gewandhauskapellmeisters Arthur Nikisch.

Den Grabstein für Thomaskantor Günther Ramin gestaltet der bedeutende Bildhauer Alfred Späte, einer der führenden deutschen Bildhauer auf dem Gebiet der Grabmalkunst. Auch der berühmte Gewandhauskapellmeister Franz Konwitschny, der Komponist Ottmar Gerster sowie fünf international bedeutende Leipziger Professoren erhalten ihr Grabmal von der Hand Alfred Spätes in seinem unverwechselbaren gestalterischen Duktus.

Günther Ramins Grabmal erschafft Alfred Späte in seinem bevorzugten Material aus unvergänglichem gestocktem Granit. Aus dem konischen Stein treten erhaben Orgelpfeifen mit dem darüber befindlichen zweireihigen Schriftzug „Thomaskantor Günter Ramin“.

Zwischen den Lebensdaten Ramins befinden sich in Notenschrift b-a-c-h und so würdigt der Bildhauer Alfred Späte ikonographisch die große Lebensleistung Günther Ramins in der Werkpflege des großen Vorgängers Johann Sebastian Bach.
Über dem leicht pyramidal abgeschrägten Abschluss des Grabmales setzt Alfred Späte eine die Welt darstellende bronzene Kugel, die von einem kräftig darüber thronenden Kreuz als Zeichen der christlichen Zuversicht und Hoffnung auf Erlösung bekrönt ist.
Im Sockelbereich befindet sich erinnernd der Name „Gabriele“ und verweist auf die jung verstorbene Tochter Günter Ramins.

Auch Ramins großer Lehrer und Amtsvorgänger Thomaskantor Karl Straube hat auf dem Südfriedhof seine letzte Ruhestätte gefunden, ebenso wie die Thomaskantoren Gustav Schreck und Erhard Mauersberger.

Der Bildhauer Alfred Späte starb erst 62-jährig am 26. November 1979 bei einem mysteriösen Brand seines Ateliers in Kayna bei Zeitz, in dem schon seit 1851 sein Großvater und auch sein Vater als Bildhauer wirkten. Zumindest in der Grabmalschöpfung auf Leipziger Friedhöfen ist seit seinem tragischen Tod nichts Gleichwertiges mehr entstanden.


Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band 02 S. 42 ff.

Die Lage der Grabstätte Ramin finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .