Kunstwerke des Monats 2021
Das Grabmal der Familie des Geheimen Baurates Professor Hugo Licht (1841-1923)
Im südwestlichen Teil der V. Abteilung des Südfriedhofes findet sich heute unmittelbar an dem nach Westen, zu den Wandstellen führenden Hauptweg ein recht monumentales Grabmal, dessen Inschriften es als das Denkmal der Familie des Professors Hugo Licht erkennen lassen.
Aber weder der Geheime Baurat Prof. Dr.-Ing. h.c. Hugo Licht, der bedeutende Leipziger Stadtbaurat und Erbauer des Neuen Rathauses, noch seine Ehefrau Clara geb. Heckmann oder die beiden auf dem Grabmal genannten Töchter Franziska und Susanne haben hier den Ort ihrer letzten Ruhe gefunden.
In den Akten des Südfriedhofes findet sich sogar ein mit größter Sicherheit nach 1955 gefertigter handschriftlicher Vermerk, der auf die Ausbombung der familiären Grabstätte und die zeitgleiche Zertrümmerung des Denkmales während des Zweiten Weltkrieges verweist.
Nach dieser Aussage existieren also weder die sterblichen Überreste der auf dem Grabmal Genannten noch das Grabmal selbst.
Die Geschichte um die Grabstätte des Geheimen Baurates Prof. Hugo Licht ist offenbar eine erdachte, eine erlogene Geschichte, weil man zumindest in einer bestimmten Zeit politischer Erstarrung das Andenken an diesen bedeutenden bürgerlichen Stadtbaurat auslöschen wollte.
Diese unselige Zeit dürfen wir heute wohl in das erste Jahrzehnt nach der Gründung der DDR verorten.
Der Autor hat sich gewissenhaft der historischen Aufarbeitung der Geschichte des Grabes von Hugo Licht gewidmet und wird sich nun im nachfolgenden Text bemühen, die historisch belastbaren Fakten zur Grabstätte des Geheimen Baurates Hugo Licht dem geschätzten Leser zu vermitteln.
Dabei wollen wir uns an dieser Stelle aber nicht weiter den hinreichend bekannt gemachten, biografischen Veröffentlichungen über Hugo Licht, der im Februar 1841 im schlesischen Dorf Nieder-Zedlitz als Sohn des dortigen Gutsbesitzers Georg Hugo Licht geboren wurde, widmen. Nach der Realschule folgte eine Maurerlehre und schließlich begann er im Jahre 1864 an der Berliner Bauakademie das Studium der Baukunst. Dem schloss sich 1869 eine einjährige Studienreise nach Italien an, nach deren Rückkehr er sich mit Clara Heckmann, einer Enkelin des bedeutenden wie auch sehr vermögenden Unternehmers Carl Justus Heckmann, vermählte.
1871 etablierte sich Hugo Licht als freier Architekt in Berlin.
In der Ehe wurden vier Töchter und ein Sohn geboren, der aber bereits zeitig im Alter von erst zwei Jahren starb.
Bei aller Verehrung, die der Autor für die historische Persönlichkeit Hugo Licht empfindet, darf hier nicht unerwähnt bleiben, dass Hugo Lichts baumeisterliches Wirken in Berlin mit einem Eklat endete. Licht war als Unternehmer dramatisch gescheitert, die Familie befand sich wirtschaftlich in einer bedenklichen Lage und ihre gesellschaftliche Reputation war zumindest empfindlich beschädigt.
Über fünfzig Jahre später, nach Hugo Lichts Tod, erinnerte der enge Vertraute Professor Max Bischof an diese düsterste Zeit im Leben Hugo Lichts mit folgenden Worten:
"Das selbst verschuldete Unglück, das sich an die letzte Zeit seiner Berliner Tätigkeit knüpfte, und diese jäh abschloss, hat er dann lange Jahre mit großer Verschlossenheit und Selbstbeherrschung getragen".
Umso bemerkenswerter in Hinblick auf den Konkurs des Hugo Licht ist, dass er sich im Frühjahr 1879 wie Phönix aus der Asche erheben konnte.
Hugo Licht wurde plötzlich, ohne vorangegangene öffentliche Ausschreibung der Leiter des Leipziger Hochbauamtes mit dem Titel eines Stadtbaudirektors. Diese Karriere dürfte Licht wohl allein dem weitsichtigen Oberbürgermeister Otto Robert Georgi zu verdanken haben, der ihn zwar überdeutlich erkennbar protegierte, aber damit gleichzeitig der Stadt Leipzig für Jahrzehnte einen unschätzbaren Dienst erwies.
Wenngleich Hugo Licht nach der Vollendung des Leipziger Neuen Rathauses, seines Lebenswerkes, am 31. Dezember 1906 im Alter von 65 Jahren in den Ruhestand gegangen war, so arrondierte Licht ab 1908 noch in vierjähriger Bauzeit den Rathausbau um das benachbarte Stadthaus.
In diese Zeit seines beginnenden Ruhestands fiel die Erkrankung seiner unverheirateten Tochter Franziska, die vermutlich von der Tuberkulose betroffen war.
Zumindest die letzte Phase ihres Lebens verbrachte Franziska Licht im schweizerischen Kurort Arosa im Kanton Graubünden in einem privaten Quartier bei einer Wirtin namens Hofer. Wohl in der Vorahnung des baldigen Todes seiner Tochter Franziska hatte der Geheimrat Hugo Licht bereits im September 1910 auf dem Leipziger Südfriedhof in der VII. Abteilung eine aus den drei Rabattengräbern No.169, No.170 und No.171 bestehende letzte familiäre Ruhestätte erworben.
Am 05. April 1911 erreichte die Eheleute Licht vom Sanitätsrat Römisch aus Arosa telegrafisch die Nachricht, dass die Tochter Franziska sanft entschlafen sei. Sie wurde 36 Jahre, 8 Monate und 24 Tage alt.
Daraufhin fuhr Hugo Licht mit seiner Tochter Sabine, genannt Bibi, nach Arosa, um von seiner geliebten Tochter „Fränzchen“ Abschied zu nehmen. Er schrieb seiner Frau, dass die arme Tochter im Schlaf gestorben sei – sie habe im Sarge wie eine friedlich Schlafende ausgesehen und jede Spur von Schmerz und Krankheit waren von ihrem Gesicht verwischt worden.
Der einfache, aus Rohholz gefertigte, ungestrichene Sarg war aus Gründen der Ansteckungsgefahr von einem Desinfektor namens Friedrich behandelt worden.
Hugo Licht fragte am 07. April 1911 telegraphisch bei seiner Gattin an, ob sie einverstanden wäre, wenn er die Tochter im Zürcher Krematorium einäschern ließe.
Nach der Zustimmung seiner Ehefrau veranlasste Hugo Licht in Zürich die Einäscherung des Leichnams seiner Tochter Franziska – dies geschah am 08. April 1911 im Krematorium Sihlfeld, dem 1889 eröffneten ersten Krematorium der Schweiz, unter der lfd. No.165 des Einäscherungsregisters.
Nach der Feuerbestattung nahm Hugo Licht die Urne mit den Brandresten seiner verstorbenen Tochter an sich, bedeckte diese mit einem schwarzen Tuch und begab sich in Begleitung seiner Tochter Sabine auf die Heimreise nach Leipzig, wo sie, aus München kommend, am Abend des darauffolgenden Tages eintrafen.
Am Nachmittag des 11. April 1911 – es war der Dienstag der vorösterlichen Karwoche – erfolgte um 5 Uhr im engsten Kreis der Familie die Einsenkung der Urne in das ausgewählte Rabattengrab No.169. Hugo Licht und seine Ehefrau Clara, die drei Töchter Susanne, Josepha und Sabine sowie der Schwiegersohn Dr. med. Hans Risel waren zugegen.
Es wurde nicht gesungen, sondern nur ein stilles Gebet gesprochen.
Nun wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass sich im umfänglichen dokumentarischen Nachlass des Geheimen Baurates Professor Hugo Licht und seiner Ehefrau Clara Zeugnisse finden, die – gelinde formuliert – etwas irritieren.
Der Tod ihrer Tochter Franziska zerriss der Mutter Clara Licht nicht das Herz, denn sie schrieb in ihrem Tagebuch, dass sie gemeinsam mit ihrer Tochter Josepha "von einem Albdruck befreit" sei.
Zur Sichtung des Nachlasses der verstorbenen Tochter schrieb Clara Licht am 26. April 1911:
"Wir sind immer wieder darüber entsetzt, was Fränzchen nur alles aufgehoben hat, was jetzt sofort ins Feuer gewandert ist, denn mehr war es durchaus nicht wert. Alte fettige Handschuhe, Kisten mit ausgekämmten Haaren, alte Blätter, worauf sie sich Notizen für die Schule gemacht hatte. Mit all diesen völlig gleichgültigen und überflüssigen Sachen ist ihr großer Koffer ganz und gar angefüllt; ich habe noch Einiges von dem Meinigen hinzugetan und will den Koffer mit seinem gesamten Inhalt verbrennen lassen.
Es war wohl nicht nur krankhaft, denn Fränzchen war nun einmal so angelegt, aber es wirkt so gar nicht wohltuend für ihr Andenken, dieser Geiz, dieses Gegenstück einer offenen Hand, dieser Mangel an jeglicher Herzensgüte und dieser immer mehr hervortretende krasse Egoismus.
Mir war sie keine gute Tochter und für uns alle, mit Ausnahme von Hugo, ist es ein wahres Glück, daß sie gestorben ist. Wie hätte sie beim Älterwerden uns das Leben verbittert, noch ganz anders, als sie es bisher schon getan hat."
Schon seit vielen Jahren hatte sich Clara Licht mit der Familie, der sie entstammte, überworfen. Auch zu ihren Kindern fand sie kein besonders harmonisches oder liebevolles Verhältnis und selbst ihrem unermüdlich arbeitenden Ehemann wollte oder konnte sie wohl kaum ein häusliches Glück schaffen. Das zuvor erwähnte Berliner Desaster hat sie ihrem Mann nie verziehen.
Ihre vorgenannten Auslassungen im Tagebuch deuten auf eine latent verbitterte Frau, die nicht bereit war, ihre Familie rücksichtsvoll vor ihren eigenen, beständig wechselnden Befindlichkeiten zu bewahren.
Clara Licht starb am 17. Juni 1913 im Alter von 65 Jahren. Drei Tage später wurde ihr Leichnam im Krematorium des Leipziger Südfriedhofes eingeäschert und wiederum drei Tage später wurde die Urne mit ihrer Asche im Rabattengrab No.171 beigesetzt.
Erst neun Monate nach dem Tode seiner Frau machte sich Hugo Licht ans Werk und reichte im März 1914 bei der Verwaltung des Südfriedhofes unter Beifügung einer Entwurfszeichnung einen Grabmalantrag ein, dessen Umsetzung dann sicherlich auch genehmigt wurde.
Die erhaltene, von Hugo Licht unterschriftlich bestätigte Zeichnung zeigt ein recht monumentales Denkmal samt einer die Grabstätte umschließenden massiven Einfriedung. Das sich heute an anderer Stelle, in der V. Abteilung des Südfriedhofes befindliche Denkmal dürfte nach dessen kritischer Untersuchung das originale Grabdenkmal sein, welches sich etwa 70 Jahre auf der Familiengrabstätte des Geheimen Baurates Hugo Licht in der VII. Abteilung des Südfriedhofes befand. Geringfügige Abweichungen zu erhaltenen Entwurfszeichnungen sind nicht ungewöhnlich und vielfach in anderen Fällen immer wieder belegbar.
Erfahrungsgemäß können wir davon ausgehen, dass alle Arbeiten am Grabmal am ersten Todestag seiner verstorbenen Ehefrau im Juni 1914 beendet waren.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, S. 112 ff.
Das Grabmal des Leipziger Fabrikdirektors Willi Schreiber (1879 -1943)
Fünf Tage nach dem frühen Tode seiner Eheliebsten Gret Schreiber, deren kurzes Leben nur 32 Jahre und 10 Monate währte, erwarb der Leipziger Fabrikdirektor Willi Schreiber am 30. Mai 1921 die Wahlstelle No.175 in der I. Abteilung des Leipziger Südfriedhofes. Bald darauf wurde der Leichnam der jungen Frau im dortigen Krematorium eingeäschert und es erfolgte die Beisetzung der Asche in dieser Grabstätte.
Am 02. Oktober gleichen Jahres beantragte der namhafte Leipziger Architekt Alfred Müller, der sich beispielsweise längst als Schöpfer der Philippuskirche in Leipzig-Lindenau (1907 -1910) oder gemeinsam mit Heinrich Rust durch die Bauten am Eingang des Zoologischen Gartens (1899-1900) sowie der nur unweit am Leipziger Nordplatz gelegenen Michaeliskirche (1901-1904) einen Namen gemacht hatte, die Genehmigung für die Errichtung einer architektonischen Grabmalanlage auf der Grabstätte der Familie Schreiber.
Inmitten einer 241 Zentimeter hohen, halbrunden Gruppe kannelierter Säulen mit bedeckendem Architrav befand sich auf einem kräftigen Sockel die bronzene Plastik „Müder Wanderer“, ein Werk des bedeutenden Dresdner Bildhauers Professor Selmar Werner.
Vermutlich war die bereits am 09. Januar 1922 fertiggestellte Säulengruppe aus dem gleichen Material gefertigt wie der Sockel der Plastik – aus Travertin.
Auch Willi Schreiber, der nach dem frühen Tode seiner Frau erneut geheiratet hatte, war kein langes Leben vergönnt; er wurde nur 63 ¾ Jahre alt und starb im April 1943. Gemäß seiner testamentarischen Bestimmung erfolgte im Krematorium des Leipziger Südfriedhofes die Feuerbestattung seines Leichnams und die Beisetzung der Asche im Grabe seiner frühverstorbenen Frau.
Im April 1945, wenige Tage vor dem Einmarsch amerikanischer Kampfverbände in Leipzig, wurden bewaffnete Gruppen, die sich in den Anlagen des Leipziger Südfriedhofes verschanzt hatten, von alliierten Fliegern bekämpft – dabei wurde die gesamte Architektur der Grabmalanlage durch Beschuss und Bombardement unwiederbringlich zerstört. Unübersehbar erhielt auch die bronzene Plastik durch eine Vielzahl von Einschüssen schwerste Beschädigungen, die bis zum heutigen Tage auf ihre Beseitigung durch eine fachgerechte Restaurierung warten.
Die notwendige Wiederherstellung dieses hervorragenden Werkes der Grabmalkunst des ausgehenden Jugendstils ist umso gebotener, da dieses Werk seit vielen Jahren in einem verschlossenen Depot gefährdeter Kunstwerke lagert und damit schon lange der öffentlichen Erlebbarkeit entzogen ist.
Man kennt heute nachweislich insgesamt sieben Exemplare dieser mit größter Wahrscheinlichkeit im Jahre 1910 geschaffenen Plastik, deren Erstguss der Bildhauer Prof. Selmar Werner für das Grab seiner Eltern auf dem Geraer Südfriedhof bestimmt hatte und in dem 1953 auch die Urne mit seiner Asche beigesetzt wurde.
Große Bekanntheit erlangte Selmar Werner übrigens auch durch seine enge Freundschaft mit Karl May. Diesem Umstand war es schließlich zu verdanken, dass nicht, wie ursprünglich geplant, der Leipziger Bildhauer Max Klinger den geplanten marmornen Bildschmuck „Engel empfangen eine irdische Seele“ am Mausoleum der Familie May auf dem Radebeuler Friedhof schuf, sondern Selmar Werner.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No. 07 S. 180 ff
Das Grabmal des Reudnitzer Kistenfabrikanten Carl August Voigt (1840 – 1910)
Im Jahre 1910 starb am 28. März der wohlhabende Reudnitzer Kistenfabrikant Carl August Voigt, dem man durchaus noch sieben Monate Lebenszeit hätte gönnen können, denn dann wäre er siebzig Jahre alt geworden.
Er hatte ein wohlgeordnetes Erbe hinterlassen, zu dem zuvörderst eine von ihm am 01. April 1863 in Reudnitz gegründete Kistenfabrik gehörte.
Anfänglich produzierte er Koffer und Kisten, spezialisierte sich aber zu Beginn der 1880iger Jahre, als das überregionale Verkehrswesen immer mehr anwuchs, auf die alleinige Produktion von Versandkisten in allen gewünschten Formaten.
Auf einen riesigen Brand, der am 06. Mai 1885 nahezu alle Arbeitsstätten vernichtet hatte, reagierte Carl August Voigt mit beeindruckendem, unternehmerischem Elan, indem er sehr rasch den Wiederaufbau seiner Fabrik auf den Weg brachte. Er erhob sich wie Phönix aus der Asche und kämpfte sich nun an die Spitze der vergleichbaren Unternehmen im Deutschen Kaiserreich, brachte es im Königreich Sachsen zum Branchenprimus.
Vermutlich hat er spät geheiratet, denn erst im Alter von 39 Jahren wurde ihm von seiner Eheliebsten Pauline geb. Jahr sein erstes Kind, die Tochter Hildegard, geboren.
Zwei Jahre später, auf den Tag genau 18 Jahre nach der Firmengründung, kam am 01. April 1881 der Sohn Alfred auf die Welt.
Aber weder der Tochter noch dem Sohn war das Schicksal besonders gewogen, denn vermutlich blieb seinen beiden Kindern die Gnade des eigenen Nachwuchses versagt – Carl August Voigt starb also, ohne jemals die Freuden eigener Enkel erlebt zu haben.
Nachdem sein Sohn Alfred an seinem 29. Geburtstag, am 01. April 1910, durch die Übernahme der Firma formal sein väterliches Erbe angetreten hatte, wurde der verstorbene Patriarch Carl August Voigt am folgenden Tag nach vorangegangener großer Trauerfeier in der erst wenige Wochen zuvor eingeweihten Hauptkapelle des Südfriedhofes schließlich zu Grabe getragen. Am gleichen Tage hatte der Sohn Alfred in der XII. Abteilung das unmittelbar am Weg gelegene Rabattengrab No.137, in welches der schwere eichene Sarg eingesenkt wurde, gemeinsam mit dem danebenliegenden Rabattengrab No.138 auf dreißig Jahre erworben.
Mit einiger Sicherheit können wir sagen, dass der Patriarch Carl August Voigt, der sein baldiges Lebensende zumindest erahnen konnte, dem Bildhauer Rudolph Cöllen wohl schon ein Jahr vor seinem Tode mit dem Entwurf eines Grabmales beauftragt hatte und sogar dessen Anfertigung noch auf den Weg bringen konnte.
Rudolph Cöllen hat, ganz dem Jugendstil verpflichtet, dieses Grabmal entworfen* und die angesehene Leipziger Bildhauerwerkstatt Alfred Fränzel, mit der Rudolph Cöllen über viele Jahre geschäftlich eng verbunden war, besorgte die Ausführung dieses prächtigen Grabmales. Typisch für Rudolph Cöllen ist der verwendete rotschwedische Granit, sein bevorzugtestes Gesteinsmaterial.
Kräftige Pfosten, zwischen denen halbrunde Schwellen mit polierter Oberfläche liegen, umschließen die beiden Gräber des kleinen Grabbezirkes. Die konischen Pfosten sind von einer gestockten Halbkugel bekrönt, über die sich ein poliertes, kreuzförmiges Band legt.
Kräftige, geschweifte Anläufer führen beidseitig zum dominierenden Mittelteil, welches im unteren Bereich jeweils flankiert wird von einem schlanken Pfosten, dessen Front mit einem erhaben ausgearbeiteten Mäanderband geschmückt ist und welcher mit einer ganz aus einem Stück gearbeiteten, wunderschönen, bauchigen Vase mit schönstem Jugendstildekor, welches an eine Passionsblume erinnert, bekrönt wird.
Zwischen den beiden Vasen befinden sich die flächigen Felder für eine Beschriftung, vor denen sich ein kranzförmiger Vorsatz mit einer wannenartigen Aushöhlung für mögliche Blumenpflanzungen vor den Inschriften aufbaut.
Darüber erhebt sich dann portikusartig eine ungemein prächtige Ädikula, deren mit Kreuzbandornamenten gezierten, achteckigen Säulen den kräftigen Segmentbogen und gleichzeitig den monolithischen, satteldachförmigen Architrav tragen.
Der Architrav trägt die horizontal eingearbeitete Inschrift FAMILIE C.A.VOIGT, über der sich als ein klares christliches Bekenntnis ein kräftig ausgearbeitetes Radkreuz erhebt.
Im Zentrum der Ädikula findet sich eine herrliche Urne, die symbolhaft für das Heiligste dieses Ortes steht. Die gedeckelte Urne ist monolithisch aus einem Block gearbeitet, handwerklich außerordentlich aufwändig mit einem Schuppenornament versehen und zeigt an ihrem Fuß wiederum – wie schon die seitlichen Pfosten – das Mäanderband.
Vermutlich hat man sich in den siebziger Jahren an dieser eindrucksvollen Grabmalschöpfung des Rudolph Cöllen versündigt, indem man die beiden mittigen Frontpfosten beseitigt und auch die verbindenden Metallstangen entfernt hatte.
Wir können davon ausgehen, dass spätestens zum Totensonntag des Jahres 1910 dieses Grabmal, welches über einem mindestens zwei Meter tiefen Ziegelfundament aufgeführt wurde, vollendet war.
*Am linksseitigen Eckpfosten findet sich die eingearbeitete Inschrift „R.Cöllen“.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, Seiten 152 ff.
Die Familiengrabstätte des Generals Gustav Eduard Osterloh (1842 – 1903)
In der X. Abteilung des Südfriedhofes findet sich seit über einem Jahrhundert die familiäre Grabstätte des sächsischen Generals Gustav Eduard Osterloh, deren Originalität sich bis in unsere Tage eindrucksvoll erhalten hat. Ein prächtiges, sich über Granitschwellen aufbauendes eisernes Gitter ganz in den Formen des Jugendstils umschließt die kleine, aus zwei Rabattengräbern bestehende familiäre Totenstätte, welche zwei Grabmale aus schwarzschwedischem Felsgestein mit polierter Front birgt, in die einst stilgerecht die Namen der hier bestatteten Glieder dieser Generalsfamilie eingemeißelt wurden. Mit ihren Namen verbindet sich bis heute eine durchaus erwähnenswerte Kulturgeschichte.
Der Protagonist dieser Geschichte ist der am zweiten Maientage des Jahres 1842 in Leipzig geborene Gustav Eduard Osterloh, der später in der Armee des Königreiches Sachsen als Artillerist aufsteigen wird bis zum General.
Sein Vater war der hochbedeutende Jurist Professor Ernst Robert Osterloh, der es an der Alma Mater Lipsiensis bis zum Ordinarius für Civilprozesse brachte, etliche Male auch Dekan der juristischen Fakultät dieser altehrwürdigen Universität war und der schließlich vom sächsischen König zum Geheimen Hofrat erhoben und auch mit der bedeutenden Würde eines Comthurs des Königlich Sächsischen Verdienst-Ordens dekoriert wurde.
Dessen Vater war Johann Gottfried Ernst Osterloh, zuletzt Pfarrer in Döhlen bei Dresden, und dieser wiederum war der Sohn des einst in Hohlstedt bei Sangerhausen ansässigen Müllermeisters Johann Gottfried Christian Osterloh.
Die Mutter des späteren Generals Gustav Eduard Osterloh war Therese Osterloh geb. Jörg, Tochter des Königlich Sächsischen Hofrates und Ordentlichen Professors für Geburtshilfe Dr. med. Johann Christian Gottfried Jörg, der im Jahre 1810 als einer der namhaftesten Geburtshelfer seiner Zeit als erster Direktor des berühmten Trierschen Instituts jahrzehntelang in Leipzig wirkte.
Das von der im Jahre 1806 verstorbenen, verwitweten Appellationsrätin Rahel Amalia Augusta Trier gestiftete Hebammeninstitut mit angeschlossener Entbindungsanstalt befand sich seit Anbeginn unter der Aufsicht der medizinischen Fakultät und gilt als die Keimzelle der späteren Leipziger Universitätsfrauenklinik.*
Gustav Eduard Osterloh entstammte also einer bürgerlich-elitären Familie mit einer außerordentlich beachtlichen gesellschaftlichen Reputation, die besonders in akademischen Kreisen in höchstem Ansehen stand.
In jungen Jahren besuchte Gustav Eduard Osterloh die namhafte Grimmaer Fürstenschule St. Augustin und trat später, im Jahre 1862, als Fahnenjunker in die Kadettenanstalt der Artillerie in Dresden ein.
Im Jahre 1866 war er Teilnehmer am Deutschen Krieg, dessen Schlacht von Königgrätz durch den Sieg Preußens letztlich das Ende der unabhängigen Königlich Sächsischen Armee bedeutete, weil nun das Königreich Sachsen erzwungenermaßen Mitglied im preußisch geführten Norddeutschen Bund wurde. Der junge Osterloh war ein ungestümer Draufgänger, dem nichts unmöglich schien, dem kein Risiko zu groß war. Als er 1866 in Wien weilte, bestieg er von außen ohne jede Sicherung den 136 m hohen Stephansdom und gewann damit eine vorher abgeschlossene, lebensgefährliche Wette.
Am 15. Oktober 1867 heiratete der inzwischen zum sächsischen Artillerie-Leutnant avancierte 25-jährige Gustav Eduard Osterloh in der Leipziger Thomaskirche Maria Josepha Therese geb. Belot, die am 11. Juli 1842 in dem in der Bucht von Habana auf Cuba gelegenen Ort Porres geboren war.
Ihre Mutter war Caroline Therese Belot geb. Coccius, Tochter des Gräflich-Hohenthalschen Gerichtsdirektors Samuel Ernst Gottlob Coccius in Knauthain bei Leipzig. Diese hatte im Februar 1841 in der Knauthainer Kirche den Arzt Dr. Johann Nepomuk Belot geheiratet, dem sie dann nach Cuba gefolgt ist, wo sie ihm die beiden Töchter Maria Josepha Therese (1842) und Caroline Isabella (1849) schenkte.
Dr. Johann Nepomuk Belot stammte aus dem Elsass, hatte die napoleonischen Feldzüge mitgemacht und wurde für herausragende Tapferkeit mit dem Kreuz der französischen Ehrenlegion dekoriert, bevor er 1812 in russische Gefangenschaft geriet.
Später studierte er Medizin und wanderte nach seiner Promotion nach Cuba aus, wo er in Porres das Krankenhaus „San Carlos“ begründete, dem er später noch eine Schiffswerft, eine Seifenfabrik und auch einen recht umfänglichen landwirtschaftlichen Besitz mit 30 Sklaven hinzufügte.
Er war in erster Ehe mit einer Kubanerin verheiratet, die allerdings nach der Geburt ihres siebenten Kindes starb.
Am 13. September 1854 segnete Dr. Johann Nepomuk Belot im Alter von 60 Jahren in Porres auf Cuba das Zeitliche und wurde dort begraben.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, S. 128 ff.
Die Grabstätte des Geheimen Regierungsrates Wilhelm Schulze (1835 – 1917)
Die Wiege des Wilhelm August Schulze, der im Jahre 1835 als Sohn eines Webers geboren wurde, stand im äußersten Norden der Uckermark, in Göritz an der Oder. Dort ganz in der Nähe fand er dann später die Liebe seines Lebens, Charlotte Honig, die er als junger Postassistent im Juli 1862 heiratete.
Wilhelm Schulze machte seine beachtliche Karriere im Reichspostdienst und brachte es dort schließlich bis zum Geheimen Rechnungsrat.*
Eine fast fünfzigjährige, glückvolle Ehe, die mit drei Töchtern und zwei Söhnen gesegnet wurde, war dem Paar im irdischen Leben vergönnt.
Am 10. Februar 1912 aber starb im Alter von 79 ½ Jahren die Eheliebste Charlotte Schulze an ihrem Wohnort in Berlin-Schöneberg.
Da in Leipzig die dauerhafte Heimstatt der Familie des Sohnes Johannes Wilhelm August war, wurde auf dem dortigen Südfriedhof in dessen wohl schönstem Areal, im Urnenhain mit Blick auf den idyllischen Weiher, das Rabattengrab No.120 erworben und zur letzten Ruhestätte für die verstorbene Charlotte Schulze bestimmt.
Nach der Überführung des Leichnams von Berlin-Schöneberg** nach Leipzig erfolgte am 14. Februar 1912 im Krematorium auf dem Südfriedhof unter der lfd. Nummer 1.530 die Feuerbestattung und am gleichen Tage die Beisetzung der Urne mit den Brandresten im Inneren des Sockels des zuvor errichteten Postamentes mit aufgesetzter Urne aus herrlichem, grünen Serpentin, dem sogenannten Schlangenstein.***
Der Serpentin ist seit Jahrhunderten ein besonders auserwähltes Gestein, welches man aufgrund seiner relativen Weichheit leicht verarbeiten kann und dessen breites Spektrum an Farbschlägen die besondere Aura des Materials verstärkte. Große Wertschätzung erfuhr das aus Serpentin gefertigte Tafelgeschirr der sächsischen Herrscher, deren Kunstkammern reich gefüllt waren mit prächtigen Objekten aus diesem Material, dessen bedeutendste Lagerstätten sich im sächsischen Erzgebirge befanden.
Aber auch in der Herstellung von Grabmälern und Urnen spielte der Serpentin besonders in der Zeit zwischen Gründung und Niedergang des Deutschen Kaiserreiches eine erhebliche Rolle.
In Katalogen wurden seriell gefertigte Artikel dauerhaft angeboten. Eine solche Katalogware stellt das Grabmal der Eheleute Charlotte und Wilhelm Schulze dar.
Nachdem der Geheime Regierungsrat Wilhelm Schulze am 22. April 1917 in Berlin-Wilmersdorf gestorben war, erfolgte die Feuerbestattung im dortigen Krematorium.****
Aber erst am 13. September 1917 erfolgte die Beisetzung der Asche in der aufgesetzten Serpentinurne des Grabmales.
So blieb das erworbene Rabattengrab letztlich viele Jahre ein Schmuckbeet vor dem Serpentingrabmal, welches bis heute in seinem Inneren die sterblichen Überreste der Eheleute Schulze birgt.
Der bereits erwähnte Sohn Johannes Wilhelm August Schulze war 1866 in Berlin geboren, erhielt eine grundsolide Ausbildung zum Kaufmann, die ihn in jener Zeit auch nach England führte. Er war der klassische Typ eines begnadeten Managers, der schließlich im Jahre 1902 zum Vorstand der Leipziger Firma Gustav Najork Chromo-Papier-Fabrik avancierte.
Die auf die Herstellung von veredelten Papieren für den Kunstdruck spezialisierte Firma war 1868 von Gustav Najork gegründet worden und agierte ab 1895 nach dem Tod des Gründers als Aktiengesellschaft mit einem Aktienkapital in Höhe von 1.200.000 Goldmark. Das von Johannes Schulze als Direktor außerordentlich erfolgreich geführte Unternehmen erwirtschaftete alljährlich zur Freude der Aktionäre im Durchschnitt etwa 13% Dividende.
Hans Schulze, so sein geläufiger Name, hatte im Januar 1892 in Dresden geheiratet. Zwei Töchter und zwei Söhne wurden in der außerordentlich harmonischen Ehe geboren.
Im Jahre 1907 folgte der Familienvater einem Rat des namhaften Gartenarchitekten Otto Mossdorf jun. und erwarb in dem in der Nähe von Leipzig gelegenen Dorf Göhrenz Landbesitz, der zunächst als erbauliche Sommerfrische diente. Einige Jahre später beschloss Hans Schulze, dort ein standesgemäßes Haus zu bauen, welches er vom Architekten Heinrich Mossdorf, einem Bruder von Otto Mossdorf, planen ließ. Ab 1916 wohnte die Familie dann beständig in Göhrenz.
Das Glück der Familie aber wurde überschattet vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Gleich nach Kriegsbeginn meldeten sich die beiden Söhne Bernhard und Ernst freiwillig zum Kriegsdienst.
Dabei sorgten sie sich ernsthaft, dass der Krieg rasch siegreich enden könnte, ehe sie sich an der Front heldenhaft für das Vaterland bewähren durften. *****
Während der Sohn Bernhard in das 7. Königlich Sächsische Infanterie-Regiment No.106 eingegliedert wurde, versagte man dem jüngeren Bruder Ernst den freiwilligen Kriegsdienst, da er noch keine 16 Jahre alt war.
Aber bereits wenige Wochen später, nachdem dieser am 11. September 1914 das geforderte Mindestalter erreicht hatte, wurde er rekrutiert und folgte dem Tross des bereits erwähnten Infanterie-Regiments No.106 an die Westfront.
Nach einer Verwundung vor Verdun entsprach man seinem Wunsch nach Versetzung zur Fliegerei, wo er eine Ausbildung zum Kampfflieger erhielt.
Der Bruder Bernhard Schulze wurde am Heiligabend 1914 schwerstverwundet. Nach seiner Genesung versetzte man ihn zum Train, wo er als Leutnant das Ende des äußerst verlustreichen Krieges erlebte.
Der inzwischen zum Leutnant beförderte Ernst Schulze errang im beständigen Luftkampf an der Westfront achtbare Erfolge, wurde mit dem EK II und dem EK I und zahlreichen anderen Auszeichnungen bedacht, darunter wiederholt als „Sieger im Luftkampf“ mit entsprechenden Pokalen.
Am 09. Mai 1918, dem Tage Christi Himmelfahrt, erhielt der zur Königlich Preußischen Jagdstaffel 48 gehörige blutjunge Leutnant Ernst Schulze im Luftkampf gegen vier englische Jäger am Himmel der Normandie über Montdidier einen Beckenschuss. Er flog schwerverletzt seine Maschine zum deutschen Fliegerhorst zurück und konnte dort noch kunstgerecht landen. Dann erlosch rasch sein junges Leben – er war verblutet.
Das Leben des Kampffliegers Ernst Schulze, der am 11. September 1898 im schlesischen Haynau geboren wurde, endete mit 19 ½ Jahren in der Blüte seiner Jugend.
Seine Kameraden betteten den gefallenen Flieger in einen Bleisarg, der anschließend verlötet wurde. Auf dem Fliegerhorst fand dann die Aufbahrung des geschlossenen Sarges statt, der eine bewegte Trauerfeier folgte.
Danach fuhr ein Kraftwagen mit dem Sarg und dem Gepäck des Toten in Begleitung seines Burschen, der auch Fotos von der Trauerfeier in Frankreich bei sich hatte, nach Leipzig. Unter Tränen berichtete der Bursche den Eltern des gefallenen Leutnants von dem letzten Luftkampf ihres Sohnes.
Am 21. Mai 1918, einem Dienstag, wurde der Leutnant Ernst Schulze im Heldenhain des Südfriedhofes in der XV. Abteilung im Rabattengrab No.129 mit militärischen Ehren beerdigt.
Dabei gaben die fünf Töchter des bereits erwähnten Gartenarchitekten Otto Mossdorf jun. dem toten Kampfflieger als Ehrenjungfrauen in langen weißen Kleidern mit schwarzer Schärpe das letzte ehrende Geleit.
Wenige Tage später holte man auf Veranlassung des Vaters Hans Schulze aus dem Harz einen mehrere Tonnen wiegenden gewaltigen Granitfindling, der mit entsprechender Beschriftung über dem Grabe errichtet wurde.
Etwa zehn Jahre später ging nach über 26-jähriger Tätigkeit in der Firma Najork der Direktor Hans Schulze im Jahre 1928 in den wohlverdienten Ruhestand. Wenige Jahre später erkrankte Hans Schulze an einem Lungentumor. Ein konsultierter Wiener Professor stellte bei der Untersuchung auch eine Metastase im Gehirn fest, wodurch ein in Erwägung gezogener operativer Eingriff verworfen wurde.
Im weiteren Verlauf wurde Hans Schulze gelähmt, er konnte nicht mehr sprechen und es begann ein quälendes Siechtum, bis der Tod ihn am 23. Juli 1932 im Alter von 66 Jahren endlich erlöste.
Im Rahmen der Trauerfeier am 27. Juli 1932 in der Hauptkapelle des Südfriedhofes hielt der Pastor Karl Bernhard Thiergen aus Zschopau, der Schwiegervater von Hans Schulzes Tochter Johanna, die Trauerrede. Am Ende der ergreifenden Trauerfeier senkte sich der Sarg über die im Chor befindliche Sargversenkungsanlage in die Tiefe und gelangte so in die Einäscherungshalle des unmittelbar angrenzenden Krematoriums, wo unverzüglich die Feuerbestattung des Leichnams von Hans Schulze erfolgte.
Am nachfolgenden Tage hat man im Beisein des engsten Kreises der Familie die Urne mit der Asche des verstorbenen Fabrikdirektors i.R. im Rabattengrab No.120 des Urnenhains beigesetzt.
Wenig später wurde nach einem Entwurf des Architekten Heinrich Mossdorf von einem Leipziger Steinmetzen ein Grabmal aus feinkörnigem Muschelkalkstein gefertigt und unmittelbar hinter dem Serpentin-Grabmal des Geheimen Rates Wilhelm Schulze und dessen Ehefrau Charlotte wandartig errichtet. Mit bronzenen Lettern hatte man nun dieses zweite Grabmal beschriftet und erinnerte fortan an den Fabrikdirektor Hans Schulze sowie an dessen Eltern – der Geheime Rat Wilhelm Schulze und dessen Frau Charlotte – und an den Sohn, den gefallenen Kampfflieger Ernst Schulze, der aber, wie zuvor erwähnt, im Heldenhain in der XV. Abteilung beerdigt worden ist.
Später erfolgte noch die entsprechende Beschriftung zur Erinnerung an die 1947 verstorbene Witwe des Direktors Hans Schulze, Gretchen Schulze, deren Asche hier im Grabe ihres Gatten ruht.
Der auf dem Grabmal erwähnte Dr. jur. Hans Thiergen war der Schwiegersohn des Fabrikdirektors Hans Schulze. Er ist in Leipzig Amtsgerichtsrat gewesen, wurde im Juni 1940 eingezogen. Seit den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges gilt er als vermisst – vermutlich ist er bei Kämpfen im Weichselbogen gefallen. Er war einst glücklich verheiratet mit Johanna geb. Schulze – auch ihre Inschrift hat memorialen Charakter.
*Lt. Suchkartei in der Kanzlei des Südfriedhofes war er „Geheimer Regierungsrat a.D.“, im Familienstammbuch wird er als „Geheimer Rechnungsrat a.D. im Reichspostdienst“ betitelt.
** Die Feuerbestattung war im Februar 1912 in Berlin praktisch noch nicht möglich
***Über Jahrhunderte hielt sich hartnäckig die Überzeugung, der Schlangenstein wirkt als erkennbarer Indikator gegen eingebrachte Gifte; bspw. bei Weinkelchen.
****Die Friedhofsdokumente bezeichnen ausdrücklich das Krematorium Wilmersdorf, welches zu jener Zeit allerdings noch nicht erbaut war.
*****Die Brüder erinnerten sich an die siegreichen Waffengänge im Deutschen Krieg 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71
Ungekürzt zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, Seiten 144 ff.
Die Grabstätte des Hefegroßhändlers Julius Linde (1877 – 1925)
Im Jahre 1900 befand sich in der Leipziger Sebastian-Bach-Straße 26 die Franke´sche Hefehandlung, deren Inhaber der Kaufmann Julius Hünigen war.
Etwa im Jahre 1909 erwarb Julius Linde gemeinsam mit seinem Schwager Richard Maiwald vom Leipziger Kaufmann Julius Hünigen die alteingesessene Firma und schon zwei Jahre später kauften sie schließlich von ihm auch das fünfgeschossige Haus in der Sebastian-Bach-Straße 26, in welchem die Firma ansässig war und in dem sie bereits mit ihren Familien wohnten.
Julius Linde wurde 1877 in Merseburg als Sohn eines Handarbeiters geboren. Er heiratete im April 1901 in der Leipziger Nathanaelkirche die nahezu gleichaltrige Therese Marie Brömme, die einst im kleinen Dorfe Zscherneddel nahe Merseburg geboren wurde, aber deren Eltern schon bald nach ihrer Geburt nach Lindenau in die Nähe von Leipzig gezogen waren.
Bereits wenige Wochen vor ihrer Heirat wurde dem jungen Paar ein Töchterchen namens Marie geboren, das aber traurigerweise schon nach fünf Monaten starb.
Im September 1903 kam dann der erstgeborene Sohn Julius auf die Welt und im August 1904 wurde der Sohn Fritz geboren – aber auch beiden Söhnen war nur ein ganz kleines Lebenslicht vergönnt; sie starben beide bereits im August 1904 innerhalb weniger Tage.
Fortan ging Marie Linde, die nie wieder ein Kind auf die Welt brachte, mit traurigem Herzen an die Gräber ihrer drei Kinder, welche sie seinerzeit auf dem Friedhof von Lindenau beerdigen musste.
Die Lebensenergie des Ehepaares Linde floss nun in die Firma, die als Hefe-Großhandlung Maiwald & Linde firmierte. Marie Lindes Schwester Anna hatte den Teilhaber Richard Maiwald geheiratet und so wurde die selbst in den schwierigen Jahren des verhängnisvollen Ersten Weltkrieges florierende Firma als ein sehr familiäres Unternehmen recht erfolgreich geführt.
Aber am 16. Dezember 1925 starb Julius Philipp Ernst Linde unerwartet im Alter von 48 Jahren nach einer bereits überstandenen Blinddarmoperation in einer Leipziger Klinik. Nach der Trauerfeier in der Hauptkapelle des Südfriedhofes wurde unter großem Glockengeläut der mit einem Zinkeinsatz versehene Eichensarg drei Tage vor Heiligabend in die Arkadengruft No.04 eingesenkt.
Ende März 1926 erwarb die Witwe Marie Linde für 2.000 Reichsmark in der exklusiven XVII. Abteilung des Südfriedhofes das hundertjährige Nutzungsrecht am Erbbegräbnis No.43. Wenige Tage später beauftragte sie den Baumeister Richard Metzger aus Kleinzschocher mit der Errichtung einer kleinen, etwa 3 m x 3 m großen Gruft, die von 40 cm starken Mauern aus Hartbranntziegeln umschlossen wurde und für die dereinstige Aufnahme der Särge des kinderlosen Ehepaares bestimmt war.
Wir können davon ausgehen, dass während dieser Bauarbeiten gleichzeitig über die gesamte Breite der Rückseite der Grabstätte ein etwa 3 m tiefes Ziegelfundament errichtet wurde, über dem dann die Leipziger Bildhauerfirma Gustav Kühne* im Sommer 1926 das prächtige Grabmal aus rotem Meißner Granit errichtete, dessen abschließende Fertigstellung im September 1926 aktenseitig vermerkt wurde.
Zu dieser Zeit** hat man den Sarg mit dem Leichnam von Julius Linde aus der erwähnten Arkadengruft ausgehoben, zur ehelichen Grabstätte überführt und in die eigens errichtete Grabkammer eingesenkt.
Das etwa knapp drei Meter breite, wandartige Grabmal mit seiner tempelartigen Front wird beidseitig von kannelierten Pilastern flankiert. Zwei dorische Säulen mit ornamentgeschmücktem Echinus und abschließendem Abakus tragen den kräftigen Architrav mit seinem stimmig ausgearbeiteten Aufsatz und gliedern die Grabmalfront in drei Felder, wobei sie gleichzeitig das an eine Pforte erinnernde Mittelteil umrahmen, dessen polierte Fläche mit der Inschrift
Familie
Julius
Linde
darauf verweist, dass dies die Stätte der letzten Ruhe der Eheleute ist.
An den unsagbar großen Seelenschmerz der Witwe Marie Linde, die im Alter von 48 Jahren so unerwartet für immer ihren Gatten verlor, erinnert schließlich das unvergänglich in den Stein gearbeitete Trauergedicht:
Wenn Liebe könnte
Wunder tun und
Tränen Tote wecken
Dann würde Dich
Gewiss nicht hier
Die kühle Erde decken.
Im rechten Feld erinnert die eingearbeitete Inschrift an den hier ruhenden Julius Linde.
Darüber verkörpert ein Kreuzzeichen den christlichen Glauben des Toten und in den Kreuzfeldern symbolisieren Rosenblüten sowie Lorbeerzweige die unvergängliche Liebe und verweisen auf die lebzeitigen, fürsorglichen Verdienste des Dahingegangenen.
Die Witwe Marie Linde zahlte seinerzeit allein für das Grabmal die enorme Summe von 4.800 Reichsmark. Rechnet man die Kosten des Bestatters sowie die Gebühren des Friedhofes für die Trauerfeier in der Hauptkapelle samt Nutzung der Arkadengruft hinzu und berücksichtigt man die Erwerbskosten für das hundertjährige Erbbegräbnis ebenso wie die Kosten für die Erbauung der Gruft, so dürften sich die Gesamtkosten, welche die Witwe getragen hat, durchaus auf etwa 10.000 Reichsmark belaufen haben.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen –Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, Seite 42 ff.
Das Grabmal des Studenten Heinrich Wolfgang Pewsner (1899 –1919)
Heinrich Wolfgang Pewsner wurde am 26. September 1899 in Leipzig geboren. Er war der älteste Sohn des 1869 im weißrussischen Städtchen Schklow geborenen jüdischen Pelzhändlers Hilel Benjamin Pewsner, der im Jahre 1890 nach Leipzig gekommen war und schließlich am 01. Juni 1895 in der Großen Gemeindesynagoge die 1870 in Moskau geborene Anna geb. Perlmann geheiratet hatte.
Schon sehr bald war Hilel Benjamin Pewsner, der sich später den Vornamen Hugo zugelegt hatte, wohlhabender Mitinhaber des am Brühl ansässigen Commisions- und Speditionsgeschäftes Emil Barban.
Im ersten Monat des Jahres 1902 wurde den Eheleuten Pewsner der zweite Sohn geboren, der die Vornamen Nikolai Bernhard Leon erhielt.
Die Verhältnisse, in denen Heinrich Wolfgang und sein jüngerer Bruder Nikolai aufwuchsen, schilderte Nikolaus* Pevsner**später in seinen autobiografischen Erinnerungen als „großbürgerlich“.
Die beiden Söhne der Eheleute Pewsner besuchten die Thomasschule und begannen danach an der Leipziger Universität ein Studium der Kunstwissenschaften.
Am späten Abend des 30. Juni 1919 gegen 23 Uhr nahm sich in der Richard-Wagner-Straße 7 „der Student der Philosophie Heinrich Wolfgang Pewsner, mosaischen Glaubens“ im Alter von erst 19 ¾ Jahren sein junges Leben***. Wir kennen weder die Gründe für den Freitod dieses jungen Mannes noch haben wir Kenntnis von der Art und Weise seines Selbstmordes.
Am 04. Juli 1919 wurde der Leichnam des jungen Mannes im Leipziger Krematorium eingeäschert und die Urne mit der Asche des Heinrich Wolfgang Pewsner seiner Mutter Anna übergeben, die diese dann in ihrer Wohnung in der noblen Schwägrichenstraße 11 aufbewahrte.
Erst Ende August 1919 erwarb der Vater Hugo Pewsner im Urnenhain des Leipziger Südfriedhofes für 1000 Reichsmark ein hundertjähriges Nutzungsrecht an der Wahlstelle No.36. Reichlich zwei Wochen später beantragte der Steinmetzmeister Egid Engel im Auftrag von Frau Anna Pewsner unter Beifügung einer Zeichnung des akademischen Bildhauers Kurt Kluge die Genehmigung zur Errichtung des Grabmales aus gelbem Postaer Sandstein.
Aber der zuständige Bearbeiter im Hochbauamt verwehrte aus vermeintlich künstlerisch-ästhetischen Gründen seine Zustimmung und übersandte stattdessen einen zeichnerischen Gegenentwurf an Kurt Kluge. Erst nach äußerst energischen Protestbriefen des fassungslosen Bildhauers Kurt Kluge, der nunmehr drohte, die Presse einzuschalten und den Vorstand des Deutschen Künstlerbundes unter dem Grafen Kalkreuth auf Eddelsen von diesem Skandal künstlerischer Bevormundung zu unterrichten, lenkte der zuständige Stadtbaurat Carl James Bühring in einem Schreiben vom 08. November 1919 ein und teilte dem Bildhauer Kluge mit: „Ihr Entwurf ist ….. zur Genehmigung empfohlen worden.“.
Schließlich wurde am 15. März 1920 das durchaus avantgardistische Grabmal auf der Grabstätte Pewsner errichtet. Die Beisetzung der Asche von Heinrich Wolfgang Pewsner aber erfolgte erst Monate später, am 03. August 1920.
Der jüngere Bruder Nikolaus Pevsner wurde 1924 für seine Dissertation „Die Baukunst der Barockzeit in Leipzig“ promoviert. 1934 emigrierte er wegen des auch in Leipzig immer mehr zunehmenden Antisemitismus nach England, wo er später sein 46-bändiges Hauptwerk „Die großen Bauten Englands“ schuf.
Für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen wurde Nikolaus Pevsner im Jahre 1967 mit der Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland geehrt und 1969 erhob ihn die englische Königin Elisabeth II. in den persönlichen Adelsstand. Sir Nikolaus Pevsner starb 1983 in London.
Die in Leipzig verbliebenen jüdischen Eltern Hugo und Anna Pevsner teilten im Nationalsozialismus das traurige Schicksal tausender Leipziger Juden.
Nach jahrelangen Demütigungen, nach Besitzentzug und sozialer Ausgrenzung starb am 08. Januar 1940 Hugo Pevsner im Alter von knapp 71 Jahren. Da er Jude war, verwehrte man sein Begräbnis in der von ihm einst auf dem Südfriedhof erworbenen familiären Grabstätte und so wurde er auf dem Neuen Israelitischen Friedhof beerdigt, wo sich sein Grab samt einer mit seinem Namen versehenen steinernen Liegeplatte bis heute erhalten hat.
Äußerst tragisch ist das Lebensende der Ehefrau – aus Angst vor der bevorstehenden
Deportation wählte sie am 11. Februar 1942 den Freitod. Anna Pevsner wurde auf dem Alten Israelitischen Friedhof beerdigt, der eigentlich schon seit dem Jahre 1928 als Begräbnisplatz geschlossen war.
*Nikolai Pewsner nannte sich später Nikolaus.
**Auf Antrag von Hugo Pewsner genehmigte das Sächsische Innenministerium im Februar 1924 die Änderung der Schreibweise des Familiennamens Pewsner in „Pevsner“.
***Sterbeurkunde des Standesamtes - das Einäscherungsregister des Leipziger Krematoriums nennt den 01. Juli 1919 als Todestag.
Ungekürzte Fassung zitiert aus Alfred E. Otto Paul
„Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.07 S.74 ff
Das bronzene Grabkreuz des Domherren Paul Herfurth (1855 – 1937)
Bereits 1889 hatte Paul Herfurth, der im Süden von Leipzig in der Raschwitzer Flur einige Villen erbauen ließ, nach einem umfangreichen Geländekauf vom ansässigen Gutsbesitzer Walter Kees mit der Schaffung eines Landschaftsparks im englischen Stil begonnen, in den er schließlich 1896 /1897 vom Baumeister Gustav Hempel nach dem Vorbild des im Park von Versailles befindlichen Petit Trianon ein schlossartiges Gebäude errichten ließ, welches seiner Familie in den Sommermonaten als landsitzartiges, privatimes Refugium dienen sollte, dessen reizvolle Parkanlage Paul Herfurth später durch umfangreiche Landzukäufe auf etwa 50 Hektar ausweitete.
Die vier Geschwister Herfurth* waren typische Vertreter der elitären Leipziger Oberschicht. Zahlreiche Stadtvillen – so in der Hillerstraße, in der Karl-Tauchnitz-Straße oder in der Weststraße – waren ihre standesgemäßen Winterdomizile in Leipzig, ihre ausgedehnten Landgüter sicherten eine beschauliche halbjährige Sommerfrische in idyllischer Natur.
Während sich im Jahre 1912 das Vermögen von Paul Herfurth auf etwa fünf Millionen Goldmark belief, lag das seines Bruders Edgar im gleichen Jahre sogar noch 200.000 Goldmark darüber. Und während Paul Herfurth über jährliche Einkünfte in Höhe von etwa 340.000 Goldmark verfügte, erreichten Edgar Herfurths Einkünfte in gleicher Zeit 540.000 Goldmark**.
Im Juni 1934 entwarf Wilhelm Lossow das 320 Zentimeter hohe Grabkreuz mit Strahlenkranz, welches vermutlich in den nachfolgenden Wochen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Leipziger Erzgießerei Traugott Noack gegossen und patiniert wurde.
Der verlängerte Fußbalken des bronzenen Grabkreuzes ruht auf einem schön profilierten Sockel und ankert in einem schweren, etwa 18 Zentner wiegenden Muschelkalksteinblock mit fein scharrierter Oberfläche, der gleichzeitig als Fundamentkörper zuverlässig das hohe Erlöserkreuz trägt. Nachdem Wilhelm Lossow offiziell am 04. September 1934 bei der Verwaltung des Südfriedhofes um die Genehmigung für die Errichtung des über 3 Meter hohen Passionskreuzes mit Strahlenkranz ersucht hatte, dürfte es im gleichen Monat auf der Grabstätte errichtet worden sein.
Der Kreuzkörper ist deutlich erkennbar im Bereich des Fußbalkens horizontal geteilt, wofür wir gusstechnische Gründe in der Leipziger Bronzegießerei Noack vermuten.
Die Botschaft des Grabmales ist die Erlösung und Erleuchtung der Toten durch Gottes Wirken in seinem himmlischen Reich. Besonders für den gläubigen Domherrn Paul Herfurth, dessen Bildnis sich übrigens auch als Apostel Andreas an der Kanzel im Wurzener Dom findet, dürfte das Kreuz ein unverzichtbares Symbol über seinem Grabe gewesen sein und wir können wohl mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass Paul Herfurth selbstbestimmt auf die Idee und die Gestaltung des Kreuzes wie auch der bronzenen Grabplatte, die später mutmaßlich ebenfalls in der Werkstatt des Erzgießers Traugott Noack entstand, eingewirkt hatte.
Gleichsam können wir allerdings nicht gänzlich ausschließen, dass der Guss des Bronzekreuzes in der Dresdner Erzgiesserei Adalbert Milde & Co. unter dem Werkmeister Willi Philipp erfolgte, denn der Domherr Paul Herfurth war bis 1932 wesentlich beteiligt an der Ausstattung der vom Bildhauer Professor Georg Wrba geschaffenen, hochbedeutenden bronzenen Bildwerke des Wurzener Domes, für deren Guss nicht weniger als etwa 200 Zentner reiner Bronze bei Milde &Co. verarbeitet wurden.
Paul Herfurth war beispielsweise im Jahre 1932 der großzügige Stifter der außerordentlich bemerkenswerten Bronzefigur des Johannes Evangelista in Form eines Lesepultes, die gleichsam eine Konnotation eines im Stadium der Adoleszenz befindlichen deutschen Jünglings darstellt.
Jedenfalls wäre es nicht ungewöhnlich gewesen, wenn Paul Herfurth den auch mit Leipzig eng verbundenen Professor Georg Wrba in sein ganz persönliches Grabmalprojekt eingebunden hätte und der Guss des bronzenen Grabkreuzes seinerzeit in Dresden erfolgt wäre.
Nachweisbar hat aber der Architekt Wilhelm Lossow zumindest in den beginnenden dreißiger Jahren mit dem Erzgießer Fritz Noack, dem Sohn des Traugott Noack, zusammengearbeitet. Wenig später erfolgte beispielsweise im Frühjahr 1936 bei Noack der Guss des bronzenen Grabkreuzes für die verstorbene Rosa Clara Erwig.
Paul Herfurth starb am Neujahrstage des Jahres 1937 im gesegneten Alter von 81 ½ Jahren in seinem prächtigen „Haus Raschwitz“ – dem heutigen Weißen Haus in Markkleeberg.
Der Tag seines Todes war gleichsam der traurige 63. Geburtstag seiner Frau Else.
Paul Herfurth, der in seinem Leben unermüdlich Arbeitende, hatte segensreich viele Ämter ausgeübt und konnte sich mit zahlreichen Titeln schmücken. Er war zu seinen Lebzeiten u. a. einst Württembergischer Konsul, Ehrensenator der Leipziger Universität, Domherr des Domstifts zu Wurzen, Handelsrichter am hiesigen Landgericht und auch Mitglied der äußerst renommierten Vertrauten Gesellschaft.
Entsprechend groß war die öffentliche Würdigung seines verdienstvollen Lebens, beeindruckend die Trauerfeier im halbmast geflaggten „Haus Raschwitz“ und die riesige Schar der Trauergäste, die sich einreihten in den Kondukt, der am 05. Januar 1937, einem Dienstag, den Sarg zur bereits über zwei Jahrzehnte vorher von Paul Herfurth ausgewählten Stätte seiner letzten Ruhe geleitete.
In üblicher Grabestiefe wurde sein Sarg „hinten rechts“ eingesenkt.
Im März 1937 fertigte der Architekt Wilhelm Lossow die Entwurfszeichnung für die Grabplatte des verstorbenen Domherren Paul Herfurth und am 05. April 1937 genehmigte die Verwaltung des Südfriedhofs ihre Niederlegung an dessen Grabe. Die erhaltene Zeichnung belegt eine etwa 10 cm starke Natursteinplatte aus fein scharriertem Fichtelgebirgs-Porphyr, auf die schließlich sehr qualifiziert die Bronzeplatte montiert wurde.
Die Witwe Else Herfurth residierte bis zum Ende des Krieges 1945 im Haus Raschwitz inmitten ihres herrlichen englischen Parkes, der für die Öffentlichkeit unzugänglich blieb.
Nach ihrer Enteignung ging Else Herfurth zu ihrer einzigen Tochter Annemarie Freifrau von Uslar-Gleichen, die den Freiherrn von Uslar-Gleichen geheiratet hatte. Im nur wenige Kilometer von Göttingen entfernten Herrenhaus des niedersächsischen Rittergutes Sennickerode, welches kurz nach dem Tode von Paul Herfurth durch den vertrauten Architekten Wilhelm Lossow in den Jahren 1937 / 1938 unter Einbeziehung historischer Bauteile neu errichtet worden war, verbrachte Else Herfurth standesgemäß ihren Lebensabend.
Else Herfurth starb hochbetagt am 07. November 1958 im Alter von 84 Jahren in Sennickerode.
* Neben Paul Herfurth *1855 +1937, Edgar Herfurth *1865 + 1950 und Alice Frege geb. Herfurth *1857 + 1923 war Arthur Herfurth einer der vier Geschwister
* Jahrbuch des Einkommens und des Vermögens der Millionäre des Königreiches Sachsen
*** Nach der 1994 erfolgten Exhumierung wurden die Gebeine von Else Herfurth im Krematorium Göttingen eingeäschert
In verschiedenen Auszügen zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No. 07, S. 184 ff.
Das Grabmal des Hoteliers Richard Wostratzky (1869 – 1930)
Der vermutlich in Leipzig geborene Richard Wostratzky war offenbar sein Leben lang mit Leib und Seele dem gastronomischen und dem Hotelgewerbe eng verbunden.
Als junger Mann muss er rasch geheiratet haben, denn bereits im Jahre 1891 kam sein erstgeborener Sohn Gustav als erstes Kind der Eheleute auf die Welt. Dennoch verbrachte der frisch Vermählte von 1890 bis 1892 als Angehöriger der 6. Kompanie im 7. Königlich-Sächsischen Infanterieregiment No.106 seine obligate Militärzeit in der riesigen Kaserne an der Halleschen Straße in Möckern und war fortan auch immer dem entsprechenden Militärverein der 106er eng verbunden.
Bald aber kam schwere Krankheit über Richard Wostratzky, den Patriarchen der Familie, und es begann für ihn eine lange Zeit des Leidens. Als er 60 Jahre alt wurde, waren seine Tage bereits gezählt. Nachdem er den Kelch geleert hatte, starb Richard Wostratzky am Abend des 02. Juni 1930 im Terrassenhotel in Stettin. Warum er ausgerechnet an diesem Ort sein Leben beschloss, vermögen wir nicht zu sagen – aber es findet sich in den Friedhofsakten ein Hinweis, der auf ihn als Eigentümer dieses recht gediegenen Stettiner Hotels deutet.
Jedenfalls fand am Freitag, dem 06. Juni 1930 nachmittags um ¾ 4 Uhr in der Hauptkapelle des Stettiner Friedhofes die Trauerfeier statt und am nachfolgenden Tag wurde sein Leichnam im dortigen Krematorium eingeäschert.
Zwei Wochen später erfolgte am 21. Juni 1930 die Beisetzung seiner Asche in der XXIII. Abteilung des Südfriedhofes im Rabattengrab No.240 der zweistelligen Grabstätte, welche die Witwe Anna Wostratzky bereits am 13. Juni 1930 auf vorerst 30 Jahre käuflich erworben hatte.
Sicherlich noch im gleichen Jahr hat der Leipziger Kunstbildhauer Kurt Günther die Grabplastik geschaffen, die wohl in der Leipziger Bronzegießerei des Traugott Noack gegossen wurde. Warum ausgerechnet der nur mäßig anerkannte Bildhauer Kurt Günther mit der Schaffung des Grabmales für die Familie Wostratzky betraut wurde, dürfte sich aus der persönlichen Bekanntschaft der Familie mit dem Künstler erklären lassen.
Gustav Wostratzky, der Sohn des Verstorbenen, wohnte ab 1933 nicht zufällig nur vier Häuser vom Bildhauer entfernt.
Kurt Günther ist heute weithin vergessen und nur noch wenige Spuren seines Schaffens sind mühsam zu finden.*
Der Künstler bediente sich bei der Schaffung des Grabmales dem klassischen Motiv des Thanatos, des nackten knienden Jünglings mit der gesenkten Fackel in der Rechten, deren Flamme absehbar erlischt und gleichsam symbolisch für das endende Leben steht.
Sein Haupt ist gestützt im nachdenklichen Gestus, als ob er sich müht, das unbegreifliche Phänomen des unausweichlichen Lebensverlustes zu verstehen.
Unter der beidseitig rosettengezierten steinernen Deckplatte des oberflächlich mit einer Scheinquaderung versehenen Sockels aus feinkörnigem Muschelkalkstein findet sich ein wappenartiges Relief, welches mit einem Schriftband auf die in dieser Grabstätte beigesetzten Glieder der Familie Wostratzky verweist. Darunter zeigt sich in einem Wappenschild der Sechsstern mit dem Kelch sowie die Jahreszahl 1930 als ein Hinweis auf die Zeit der Errichtung dieser familiären Stätte des Totengedenkens.
Das Wappen wird beidseitig flankiert von einer laubgeschmückten Weinrebe und einer ebenso laubumschlossenen Hopfendolde.
Das Relief als ein Abbild des jahrhundertealten Zunftzeichens der Brauer und Mälzer bekräftigt gleichsam die enge Verbindung der Familie mit diesem traditionsreichen Berufsstand.
Seitliche Flügelsteine tragen die Namen und Lebensdaten der in dieser Grabstätte bestatteten Toten der Familie.
*1926 fertigte Kurt Günther das Kriegerdenkmal vor der Heilig-Kreuz-Kirche in Leipzig-Neuschönefeld für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen der Kirchgemeinde.
In Auszügen zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07 S. 194 ff.
Das Grabmal des Maschinenfabrikanten Ernst Julius Wagner (1861 – 1913)
Aber am 26. Mai 1913 starb im Alter von erst 51½ Jahren in der Blüte seines Schaffens Ernst Julius Wagner, der Patriarch der Familie und der Begründer dieser erfolgreichen Maschinenfabrik. Eine schwerste Erkrankung hatte ihm den Tod gebracht.
In der XIV. Abteilung des Südfriedhofes, im östlichen Areal der nahegelegenen riesigen Kapellenanlage, erwarb die Witwe eine aus zwei Rabattengräbern bestehende familiäre Grabstätte, in der ihr Gatte nun unter den Tränen seiner geliebten Hinterbliebenen in doppelter Grabestiefe zur letzten Ruhe gebettet wurde.
Ein Jahr später begann der Erste Weltkrieg, und vermutlich blieb es dem seinerzeit 24-jährigen Sohn Ernst nicht erspart, von Anbeginn in diesen Krieg zu ziehen, vielleicht sogar mit freiwilligem Heldenmut.
Während die Witwe Wilhelmine Wagner in den ersten Jahren nach dem frühen Tod ihres Mannes die Firma als alleinige Inhaberin führte, übte sie schließlich ab 1917 die Inhaberschaft in Gemeinschaft mit dem Sohn aus.
Im Frühjahr 1919, nur wenige Monate nach dem Ende des verlustreichen Völkerkampfes, starb der Sohn am 05. April 1919 im Alter von erst 29 Jahren an den Folgen schwerer Verletzungen, die er im Kriege erleiden musste.
So wurde er an der Seite seines Vaters beerdigt.
Offenbar hatte der Krieg in all den Jahren der Not und des Mangels verhindert, dass über dem Grabe des Vaters ein Grabmal errichtet werden konnte.
Nun aber, wo an dieser Stätte neben dem Vater auch der Sohn zu beweinen war, beauftragte Wilhelmine Wagner als Witwe und als Mutter bei einer heute nicht mehr bekannten Leipziger Steinmetzfirma dieses Grabmal.
Vermutlich entstand es erst im Sommer des Jahres 1920 – wegen der Notzeiten nach dem verlorenen Kriege hat man es aus einem Kunststein gefertigt.
Das dreiteilig gegliederte Grabmal erhebt sich etwa zwei Meter über den beiden Gräbern, wobei sich vor dem Mittelteil im erhöhten Sockelbereich eine Pflanzschale befindet, die aber praktisch wohl eher nur eine dekorative Funktion hatte. Darüber befindet sich eine querrechteckige Tafel aus poliertem Syenitgestein, deren Inschrift „Familie Wagner“ auf alle künftig hier bestatteten Toten der Familie verweist, die dann letztlich auf den seitlichen Schrifttafeln namentlich einzeln aufgeführt wurden.
Im Zentrum des Mittelteils befindet sich beidseitig säulenflankiert eine bronzene Relieftafel, die sich dem Abschied des Vaters widmet, beweint von der Ehefrau und von den Kindern, wofür symbolisch der auf dem Bildnis erkennbare kleine Junge steht, der den Segen des scheidenden Vaters empfängt.
Der in einem von einem Strick umschlossenen Gewand gehüllte, sandalengeschnürte Pilger, der sich mit dem Stab in seiner Linken nun auf die letzte große Reise macht, soll hier niemand anders sein als Ernst Julius Wagner. Er hadert nicht mit seinem Schicksal, sondern beginnt scheinbar ganz bewusst und zuversichtlich seinen Weg in Gottes Reich.
Dieses Bildnis sollte auch tröstend wirken auf die hinterbliebenen Glieder der Familie.
Das hochrechteckige Bronzerelief ist ein Artikel aus dem Katalog „GRABSCHMUCK“ der WMF Württembergische Metallwarenfabrik Geislingen-Steige bzw. aus deren Abteilung für Galvanoplastik.
Die Signatur auf der Relieftafel bezeichnet C. M. GEILING und benennt also den Düsseldorfer Bildhauer und Maler Carl M. Geiling (1874-1924), der einst diese Arbeit geschaffen und schließlich zum Zwecke industrieller Vervielfältigung an die WMF verkauft hat.
Interessant ist dabei, dass der Bildhauer Geiling gleichermaßen auch mit der Galvanoplastischen Kunstanstalt Heilighaus in gleichartigen Geschäftsbeziehungen stand und auch dort seine Werke entsprechend vervielfältigt vermarktet wurden.
Im WMF Katalog des Jahres 1919 finden wir das am Grabmal Wagner vorhandene Bronzerelief von Carl M. Geiling sogar in unterschiedlicher Gestaltung – einmal unter der Katalognummer 955 wie am Grabmal Wagner vorhanden mit dem Kind, aber auch unter der Katalognummer 10267 unter gänzlicher Weglassung des Kindes.
Die Witwe Wilhelmine Wagner starb nach schwerer Krankheit am 31. März 1924 im Alter von 61 Jahren und 7 Monaten. Ihr Sarg wurde im Grabe des Gatten normaltief über dem Pfostensarg ihres Mannes beerdigt und so ruhen sie bis heute im Tode wieder vereint.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07 S. 160 ff.
Das Grabmal des Naturheilkundlers Carl Louis Kuhne (1835 – 1901)
Louis Kuhne wurde am 14. März 1835 als Sohn eines Hufschmieds im kleinen Dörfchen Lössen in der Nähe von Delitzsch geboren. Diesen Ort seiner Kindheit sucht man heute vergeblich, denn er wurde ab 1985 devastiert durch den begierigen Kohleabbau des Tagebaues Breitenfeld. Die Gemarkung des Dorfes bedeckt heute das Wasser des Schladitzer Sees.
Louis Kuhne, der in seinen jungen Jahren den Beruf eines Tischlers erlernt hatte, war von einer bemerkenswerten Geschäftstüchtigkeit beseelt. Im Alter von erst 24 Jahren hatte er 1859 bereits eine Fabrikationsstätte zur Herstellung von Tischlerwerkzeugen begründet, die er dann spätestens im Jahre 1863 als Leipziger Bürger in der Colonnadenstraße 21 der prosperierenden Messestadt etablierte.
Schließlich war er ab 1870 auch Inhaber der Leipziger Firma Th. W. Helbig Parfümerie- und Toilettenseifenfabrik und wurde 1878 in gleicher Stadt auch Inhaber des Kammwarengeschäftes Adolf Wille in der renommierten Petersstraße.
Aber trotz dieser beachtlichen unternehmerischen Energie litt er nach eigener Aussage in seinen jungen Jahren unter erheblichen gesundheitlichen Beschwernissen, die ihn letztlich bewogen, sich der Naturheilkunde zuzuwenden. Besonders die Thesen der namhaften Naturheiler Sebastian Kneipp und Theodor Hahn bildeten wichtige Grundlagen seiner eigenen Arbeit, die in vegetarischer Ernährung und hydrotherapeutischer Behandlung einen wesentlichen Schlüssel erfolgreicher Krankenbehandlung gesehen hat.
Am 10. Oktober 1883 gründete er in Leipzig am Floßplatz eine „Internationale Lehranstalt für arzneilose und operationslose Heilung“.
Spätestens 1890, nachdem sein publizistisches Hauptwerk „Die Neue Heilwissenschaft“ erschienen war, begann ein gnadenloser Kampf insbesondere der Leipziger Schulmediziner gegen den außerordentlich erfolgreichen und weithin bekannten Naturheiler Louis Kuhne.
Besonders dessen hydrotherapeutische Reibesitzbäder, durch deren Anwendung er angeblich in besonderem Maße die Onanie fördere, führten hinsichtlich dieser Therapie zu einem amtlichen Verbot des Leipziger Rates, dem endlose Prozesse hierzu folgten und Louis Kuhne immer wieder mit Geldstrafen belegt wurde.
Der ohne jede akademische Ausbildung und auch ohne einen mindesten medizinischen Abschluss tätige Naturheiler trat auch sehr erfolgreich mit Publikationen zur Kindererziehung, zur Gesichtsausdruckskunde oder zur Gesundheitsbewertung an die Öffentlichkeit.
Besonders in einer Großstadt wie Leipzig fand der Naturheiler, der die arznei- und operationslose Heilung propagierte, viel Zuspruch bei Kranken und Gebrechlichen – aber gleichermaßen zogen die akademischen Ärzte gegen ihn zu Felde, verunglimpften ihn durch die Bezichtigung der Kurpfuscherei und auch des Betruges.
Spektakuläre Heilungen von Kranken, die zuvor von so international berühmten Medizinern wie die Professoren Curschmann oder Strümpell aufgegeben waren, stärkten immer wieder die Autorität und das Ansehen des Naturheilkundlers Louis Kuhne.
Wegen der beständigen Rechtsverfolgungen, denen sich Kuhne ausgesetzt sah, übergab er schon im Dezember 1892 das von ihm begründete Institut seiner Ehefrau Marie Louise Kuhne geb. Bär, die dieses wiederum im Frühjahr 1899 auf den gemeinsamen Sohn Max Louis Kuhne übertrug. Durch derartige juristische Winkelzüge konnte der Naturheiler Louis Kuhne die Arbeit seines medizinischen Institutes aufrechterhalten und sich gleichzeitig gegen die Übermacht seiner Gegner aus der schulmedizinischen Ärzteschaft juristisch zur Wehr setzen.
Seine bereits erwähnte, bedeutendste Schrift mit dem Titel „Die Neue Heilwissenschaft“ erschien beständig in immer neuer Auflage und in zunehmenden Fremdsprachen.
Selbst Jahrzehnte nach seinem Tod wurde noch im Jahre 1936 dieses in 26 Sprachen übersetzte Hauptwerk Louis Kuhnes in seiner 123. Auflage publiziert.
Die juristischen Anfechtungen seiner Gegner brachten den gläubigen Protestanten und Vater dreier Kinder in einem Strafprozess bis vor die Schranken des in Leipzig ansässigen Reichsgerichtes.
Im Januar 1901 endete im Olymp der deutschen Gerichtsbarkeit dieser Prozess wegen Betruges mit einem fulminanten Freispruch für Louis Kuhne.
Aber da waren seine irdischen Tage bereits gezählt – nach kurzer Krankheit folgte ein tödlicher Gehirnschlag. Er starb am Mittwoch, den 03. April 1901 nachmittags um 3 ¼ Uhr als Privatmann im Alter von 66 Jahren und 19 Tagen in seiner standesgemäßen Wohnung im Parterre der Haydnstraße 8, die er gemeinsam mit der Ehefrau seit dem 01. April 1899 bewohnt hatte.
Am darauffolgenden Sonnabend fand am Mittag um 1 Uhr in der Wohnung die Trauerfeier statt, in deren Anschluss die Trauergäste mit bereitgestellten Kutschen dem Leichenwagen mit dem Sarg Louis Kuhnes zum Südfriedhof folgten.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07 S. 168 ff.
Das Grabmal des Restaurateurs Franz Otto Eckardt (1842 – 1901)
Die Wiege des Franz Otto Eckardt stand im Jahre 1842 im seinerzeit kleinen Städtchen Düben bei Eilenburg, in dem sein Vater Curt Franz Eckardt ein angesehener und wohlhabender Mühlenbesitzer gewesen war.
Nach dem frühen Tode seines Vaters zog er um 1877 mit seiner Ehefrau Lina und seiner verwitweten Mutter Christiane Wilhelmine nach Leipzig, wo er offenbar durch ein ansehnliches Erbe des Vaters in der Lage war, das gut etablierte Restaurant „Baarmann´s Wein- und Bierstube“ zu übernehmen. Als Firma „Franz Otto Eckardt Baarmann´s Nachfolger“ betrieb er fortan sehr erfolgreich diese Unternehmung und wurde sogar zum Hoflieferanten des sächsischen Königshauses wie auch der sächsischen herzoglichen Häuser erhoben. Er wohnte mit der Familie standesgemäß inmitten der Stadt in Baarmann´s Haus am Markt 6 und sicherte durch eine kluge Heiratspolitik die künftige gesellschaftliche Stellung seiner Kinder in der Stadt.
Aber sein so erfolgreiches Leben währte nicht lang. Der Tod begegnete ihm nicht gnädig, sondern ließ ihn vorab sehr leiden, bis er ihn am 30. September 1901 abends um 8 Uhr in seiner Wohnung von fürchterlichen Qualen erlöste. Franz Otto Eckardt wurde 59 Jahre und 19 Tage alt.
Am 03. Oktober 1901, einem Donnerstag, standen zahlreiche Kutschen vor dem Trauerhause am Markt, um die vielen Trauergäste hinauszufahren zum Südfriedhof, wo um 16 Uhr in der damals noch sehr bescheidenen Parentationshalle die Trauerfeier unter der Leitung des hochangesehenen Archidiakons von St. Thomas D. theol. et Dr. phil. Hermann Ferdinand von Criegern (1841-1936) begann.
Danach trug man den schweren Eichensarg in die III. Abteilung des Südfriedhofes zum Erbbegräbnis No.18, dessen einhundertjährige Nutzung der Verstorbene noch zu seinen Lebzeiten am 11. Oktober 1900 erworben hatte. Sein Sarg wurde genau in der Mitte der Grabstätte hinabgesenkt bis in doppelte Grabestiefe, um dereinst darüber seiner Witwe das letzte Ruhelager bereiten zu können.
Wir können durchaus davon ausgehen, dass der totkranke Franz Otto Eckardt im Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Erwerb der Grabstätte auch entsprechende Verfügungen hinsichtlich seines Grabmales getroffen hatte und seinen Schwiegersohn, den angesehenen Leipziger Architekten Richard Bauer, mit dem Grabmalprojekt betraute. Bauer wählte in seinem Entwurf den modernen Stil der Zeit, den Jugendstil. Die Ausführung des Grabmales in stelenhafter Form aus nordischem Syenit übertrug er dem angesehenen Leipziger Bildhauer Otto Wutzler.
Ebenso müssen wir davon ausgehen, dass Franz Otto Eckardt persönlich den renommierten Bildhauer Carl Seffner (1861-1932) mit der Schaffung seines Bildnisses für das Grabmal beauftragte. Zu dieser Zeit arbeitete Carl Seffner bereits an zwei sehr bedeutenden Projekten für Leipzig, dem Denkmal für Johann Sebastian Bach und dem Denkmal für Johann Wolfgang Goethe. Dass Seffner den Auftrag für diese Grabmalbronze übernahm, dürfte aus einem sehr persönlichen Verhältnis resultieren, das er einst zu Franz Otto Eckardt hatte. Signatur und Jahreszahl am Bildnisrelief des Franz Otto Eckardt lassen vermuten, dass Seffner die Modellierung wohl im Frühjahr 1902 begonnen und sehr rasch vollendet hatte. Wenngleich sich seit dem 01. Juli 1899 in Leipzig der Erzgießer Traugott Noack mit seiner Bronzegießhütte etabliert hatte, beauftragte Carl Seffner aber noch die Stuttgarter Erzgießerei Paul Stotz (1850-1899 mit dem Guss dieses bronzenen Reliefbildnisses und der darüber befindlichen Symbole.
Mit Sicherheit war das Grabmal im Spätsommer 1902 vollendet und durch die Firma Otto Wutzler über dem Grabe von Franz Otto Eckardt errichtet. Dabei dürfte das Fundament, wie damals üblich, etwa 180 cm tief gegründet worden sein.
Neben dem Bildnis des verstorbenen Restaurateurs findet sich der Sechsstern, der oftmals falsch interpretiert wird als jüdischer Davidsstern. Er ist hier der Brauerstern, das jahrhundertealte Zunftzeichen der Brauer und Mälzer. Das im Zentrum sichtbare Kelchglas steht symbolisch für den Wein. Also verweist dieses Symbol deutlich auf den Wein- und Bierausschank, mit dem Franz Otto Eckardt viele Jahre lang in Leipzig sehr erfolgreich tätig war.
Über dem Reliefbildnis findet sich erhaben aufgesetzt das bronzene Christusmonogramm, welches flankiert wird vom Alpha und Omega des klassischen griechischen Alphabets als ein religiöses Bekenntnis für das ewige Schöpfungswirken Gottes von Anfang bis ans Ende.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07 Seite 34 bis 37
Kunstwerk Archiv