Kunstwerke des Monats 2011

Dezember 2011

Die Grabstätte des Kunstmalers Walter Queck

Zu den herausragendsten Zeugnissen des Jugendstils in Leipzig zählt die Grabmalanlage des Kunstmalers Walter Queck in der X. Abteilung des Leipziger Südfriedhofes.

Walter Queck gehört um 1900 zu den hoffnungsvollsten Porträtmalern Leipzigs – geboren wird er am 15. Dezember 1871 im erzgebirgischen Annaberg. Im Alter von nur 34 Jahren stirbt der Künstler am 7. März 1906 in Meran an der Tuberkulose. Sein Leichnam wird nach Leipzig-Lindenau überführt und am 13. März 1906 wird Walter Queck in einem noblen Metallsarg auf dem Friedhof Lindenau begraben.

8 Monate später entschließt sich die Witwe zum Erwerb eines repräsentativen Erbbegräbnisses in der X. Abteilung des Südfriedhofes, der eben genau in dieser Zeit durch umfangreiche Flächenerweiterungen und der im Bau befindlichen gigantischen Kapellenanlage aufstrebt in die Riege der großen und bedeutenden Friedhöfe Europas.

Die Exhumierung Walter Quecks auf dem Friedhof Lindenau erfolgt am frühen Morgen des 19. November 1906, am gleichen Tage wird der Leichnam zum Südfriedhof überführt und hier im Metallsarg wiederum in doppelter Tiefe beerdigt. Die Witwe Johanna Queck beauftragt nun den Architekten ihres Hauses, Paul Möbius (1866-1907) mit dem Entwurf für die Grabmalanlage auf der Grabstätte ihres Mannes. Und Paul Möbius entfaltet in diesem Entwurf seine volle Meisterschaft als der große Vertreter des Jugendstils in Leipzig und schafft ein Kunstwerk ersten Ranges.

Möbius gestaltet mit äußerster Sensibilität einen weihevollen Ort des Totenkultes – zwei monumentale Säulen werden von einem gewaltigen giebelähnlichen Sturzbalken bekrönt und bilden das Eingangstor, in deren Laibungen beidseitig fackeltragende Wächterfiguren als Himmelsgesandte diesen heiligen Ort des Toten beschützen. Der Sturzbalken weist inschriftlich unübersehbar aus, daß dies die Ruhestätte des Walter Queck ist.

Im Inneren der Grabstätte flankieren granitene halbrunde Ruhebänke das Eingangstor und genau in dessen Achse befindet sich am Ende das eigentliche Grabmal des Kunstmalers Walter Queck im schönsten Jugendstil. Als Flachrelief ausgebildet sehen wir zwei weibliche trauernde Figuren – vielleicht die beiden Töchter des Künstlers, die sich symbolisch unter das Kreuz stellen und demütig auf die Akzeptanz des Todes als das eherne Gesetz des Lebens deuten.

Die Inschrift „Felix Pfeifer sculp. 1907“ im Relief der linken Wächterfigur des Eingangstores verweist auf die Ausführung durch einen der bedeutendsten Leipziger Bildhauer, Professor Felix Pfeifer.

Auszugsweise zitiert aus : Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen“, Band 02

Die Lage der Grabstätte Queck finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig 

November 2011

Das Auferstehungsgrabmal des Maßstabfabrikanten Hermann Leistner

Nur der Zufall beschert gelegentlich dem Besucher des Leipziger Südfriedhofes die Entdeckung dieses beeindruckenden Grabmales, welches ohne Zweifel zu den bedeutendsten Schöpfungen der Leipziger Grabmalkultur des vergangenen Jahrhunderts zu zählen ist.

Im ältesten Teil des Südfriedhofes, in der I.Abteilung gelegen, steht seit dem Jahre 1920 dieses vom bedeutenden Leipziger Bildhauer Albrecht Leistner (1887–1950) geschaffene hervorragende Grabmal für die Familie seines Onkels, des Maßstabfabrikanten Hermann Leistner.

Der Tod von Hermann Leistner im Juni 1914 begründete den Erwerb des Erbbegräbnisses No.12 durch dessen Witwe Anna Leistner – das Modell eines fertigen Grabmalentwurfes beantragte Bildhauer Albrecht Leistner im Mai 1916 zur Ausführung beim Stadtbaurat C.J. Bühring, der dies nach persönlicher Besichtigung in Leistners Atelier genehmigte.

Allerdings gelangte dieses Modell einer nur aus zwei Personen bestehenden Auferstehungsdarstellung mit der Sockelbeschriftung „Wir sterben, um verjüngt zu leben“ wegen Leistners Einberufung zum Kriegsdienst an die Westfront nicht zur Ausführung – nach diesem „grauenhaften Krieg“, so Leistner, veränderte er unter den Eindrücken seiner Kriegserlebnisse im Jahre 1919 das ursprüngliche Modell und beantragte im Juli 1920 die Errichtung des „in veränderter Weise geplanten Grabmales“.

Auf einem mächtigen Sockel aus Kronsheimer Muschelkalkstein ist das tonnenschwere Grabmalrelief aus weißem italienischen Laaser Marmor aufgesetzt. Es bezeichnet das große Thema der Auferstehung, das Leistner zu Beginn der dreißiger Jahre in eindrucksvoller Weise auch bei seiner Grabmalplastik für den Generaldirektor Albert Böhme in der XIV. Abteilung wiederum auf dem Südfriedhof umsetzte.

Ebenso finden wir ein ähnliches Werk von Albrecht Leistner  zu diesem Thema auf dem weltgrößten Parkfriedhof in Hamburg-Ohlsdorf – das 1923/24 geschaffene Grabmal für die Familie Robert Stamm.

Auszug aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen“ Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen, Band 01

Die Lage der Grabstätte Leistner Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .

Oktober 2011

Die Wandstelle No.38 des Südfriedhofes

Der Kaufmann Richard Konze hat in Leipzig ein Vermögen als Konditor und Cafehausbetreiber gemacht, ihm gehören zahlreiche prächtige Häuser in dieser Stadt und im Jahre 1890 regelt er mit dem Erwerb der Wandstelle No.38 auf dem Südfriedhof auch die letzten Dinge des Lebens.

Mit Rudolf Cöllen und Alfred Fränzel beauftragt er zwei renommierte Leipziger Bildhauer, die seine Intentionen – möglichst prächtig, möglichst prunkvoll – gekonnt umsetzen und so entsteht 1891 diese pompöse neobarocke Prachtfassade aus weißem schlesischen Sandstein, in der sich sehr deutlich und anschaulich der gesellschaftliche Anspruch des Bürgertums nach der Reichsgründung 1871 widerspiegelt.

Im Zentrum der Wandstelle sehen wir vor einem thronartigen Baldachin eine trauernde, bekrönte Madonna – mit ihren Händen hält sie schildartig die Schrifttafeln mit den Namen der hier ruhenden Toten.

Geflügelte Putti umrahmen diese Trauernde und sollen tröstender Hinweis sein auf die himmlische Geborgenheit der Verstorbenen.

Steingehauene Lorbeergirlanden umrahmen beidseitig dieses imposante Grabmal als ein Verweis auf die einstigen achtbaren Verdienste der hier Ruhenden und üppiges Akanthusblatt bezeugt symbolisch deren Unsterblichkeit.

Ausführlicher hierzu im Band 01 der Publikation „Die Kunst im Stillen“ zu den Kunstschätzen auf Leipziger Friedhöfe von Alfred E. Otto Paul.

Hinweis: Durch Anklicken der Überschrift wird Ihnen die Lage der Grabstätte auf dem Südfriedhof angezeigt.

Die Lage der Grabstätte Konze finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .

September 2011

Das Grabmal der Familie Woide – die „Trostspenderin“

Nach dem Tode des kaiserlichen Majors Ulrich Woide im August 1919 erwarb dessen Witwe

auf dem Südfriedhof auf einer unmittelbar neben der prächtigen Hauptallee gelegenen Wiese im Eingangsbereich des Nordtores eine 80qm große Begräbnisstätte. Auf dieser Wiese war eigentlich die Totenbestattung nicht vorgesehen, aber die Ankündigung der Witwe für die Errichtung einer äußerst opulenten Grabmalanlage mit sieben überlebensgroßen, in Granit gehauenen Figuren, bewirkte letztlich ausnahmsweise die Genehmigung der Friedhofsverwaltung für dieses anspruchsvolle Projekt an diesem Standort.

Die Witwe Olga Woide beauftragte mit Carl Seffner einen der bedeutendsten Leipziger Bildhauer dieser Zeit mit der Ausführung dieses steinernen Figurenensembles.

Jedoch starb die Witwe wenige Monate später, Anfang März 1920. Dem testamentarisch eingesetzten Berliner Oberbaurat Max Guth wird es immer schwieriger, die bestimmte Grabmalanlage zur Ausführung zu bringen, da die einsetzende Inflation das gewaltige hinterlassene Vermögen immer schneller dezimiert und der Bildhauer Carl Seffner sich außerstande sieht, für das sich entwertende Geld den Auftrag auszuführen.

Am Ende gelangt im Jahre 1923 deshalb nur diese einzige Figur zur Ausführung - nicht in unvergänglichem Granit gehauen, sondern aus Muschelkalkstein gearbeitet.

Auch ist diese eindrucksvolle „Trostspenderin“ kein Unikat, sondern findet sich in Seffners Werkschaffen einige Male in modifizierter Form, so auch auf Friedhöfen in Hamburg und in Chemnitz.

Die in langem Gewande gehüllte schöne Frau mit entblößten Schultern hält in beiden Händen eine Schale, die sehr deutlich vermuten lässt, das sie gefüllt ist mit dem Wasser des sagenhaften griechischen Flusses Lethe – die in das Totenreich kommenden Verstorbenen tranken dieses Wasser des Lethe und verloren so jede Erinnerung an ihr früheres Leben.

Dieser Verlust jeder Erinnerung ist als unbeschwerter Neubeginn in einem Leben danach, als eine Tröstung zu deuten und gibt der Plastik ihren Namen.

Mehr hierzu im Band 01 der Publikation „Die Kunst im Stillen“ von Alfred E. Otto Paul.

Die Lage der Grabstätte Woide finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .

 

August 2011

Die Trauernde – ein Meisterwerk des Bildhauers Heinrich Weltring

Diese Plastik gehört zu den schönsten Werken unter all den vielen Schätzen unserer Leipziger Friedhöfe. Nach Ansicht des Autors schmückte sie ursprünglich einst eine Grabstätte auf dem Leipziger Neuen Johannisfriedhof und wurde nach dessen Schließung im Jahre 1950 – vielleicht auch kurz vor seiner Zerstörung um 1970 – zum Südfriedhof verbracht und schmückt seitdem die Grabstätte eines Steinmetzen in der V. Abteilung.

Die um 1906 geschaffene Plastik ist deutlich vom Jugendstil geprägt. In Leipzig ist dies das einzige erhaltene Werk des namhaften deutschen Bildhauers Heinrich Weltring (1847 – 1917), der einst in Süddeutschland einen grandiosen Aufstieg erlebte und dann aber im Alter, von Krankheit gezeichnet und völlig verarmt, nahezu vergessen starb.

Mehr zu diesem Ausnahmekünstler und seinen Werken können Sie im vierten Band der Publikation „Die Kunst im Stillen“ von Alfred E. Otto Paul nachlesen.

Die Lage der Grabstätte Lang finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .

Juli 2011

Das Grabmal der Familie von Pillement

Sie entstammen einer altfranzösischen Adelsfa­milie, der Oberstleuntnant Ottmar von Pillement und sein Sohn, der junge Leutnant Franz von Pillement. Mit diesen beiden hier im Grabe Ruhenden erlosch tragisch für immer der Mannesstamm dieser adligen Familie.

Am 01. November 1914 wird in dieser Grabstätte am Fuße des Völkerschlachtdenkmales die in München gestorbene Mathilde von Pillement geb. Greding, die Mutter des Oberstleutnants Ottmar von Pillement, beerdigt.

Sie hat 20-jährig im Jahre 1853 den um 25 Jahre älteren bayrischen Major Franz Georg von Pillement geheiratet, ihm 1854 und 1857 die Kinder Ottmar und Euphrasia auf die Welt gebracht und ist nach nur siebenjähriger Ehe dann 1860 bereits im Witwenstand, in dem sie 54 lange Jahre bis zum Tode verbleibt.
Ihr wunderschönes Ballkleid aus dem Jahre 1859 hat sich bis heute erhalten. Ihre Enkelin Thekla Euphrasia von Pillement hat es 1954 dem Leipziger Grassi-Museum für Kunsthandwerk vermacht, wo es in seiner ganzen Pracht vitrinengeschützt in der Dauerausstellung »Historismus« zu bewundern ist.

Der Sohn Ottmar von Pillement hat 1883 die reiche Fabrikantentochter Agnes Webendörfer aus Crimmitschau geheiratet. In dieser Ehe werden 1884 die Tochter Thekla Euphrasia und 1889 der Sohn Eduard Franz geboren.

Dieser einzige Sohn, der Leutnant Franz von Pillement, fällt kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges am 05. April 1915 in Rawa Stara auf polnischem Boden. Sein Leichnam wird in die Heimat überführt und am 22. Mai 1915 hier beerdigt. Er wird 25 Jahre alt, stirbt unverheiratet und kinderlos einen sinnlosen Heldentod.
Mit der Schaffung eines standesgemäßen Grabmales beauftragt die offenbar sehr vermögende Familie den hochangesehenen Leipziger Bildhauer Prof. Carl Seffner, der durch seine in Erz gegossenen Denkmäler des Thomaskantors Bach und des jungen Goethe in Leipzig längst unvergänglichen Ruhm erworben hat.
Das Denkmalgesuch reicht Seffner im Juni 1916 ein, die Genehmigung durch den Stadtbaurat Bühring erreicht den Bildhauer bereits wenige Tage später und so können wir von einem Beginn der Arbeiten bereits in diesem Monat ausgehen.
Im Herbst 1916 bezeugt uns die Friedhofsakte die Fertigstellung des Denkmals.
Einige Wochen darauf, am 02. Januar 1917, stirbt der Oberstleutnant Ottmar von Pillement »infolge einer im Felde zugezogenen Krankheit« in seinem Hause in Leipzig-Eutritzsch, Mörikestraße 13 und wird drei Tage später hier begraben.
Er war der letzte männliche »von Pillement« und mit seinem Tod erlischt für immer der Mannesstamm, wie auch die Inschrift auf dem Grabmal bezeugt.

Übrig bleiben die Witwe Agnes von Pillement und ihre Tochter Euphrasia, die plötzlich der Meinung sind, dass das Grabmal zu nahe am Wege steht und es gefälliger wirken würde, wenn es um einige Meter zurückversetzt wird.
Diese Meinung teile auch »der Herr Geheimrat Seffner«, so schreiben sie an den Stadtrat Lampe in ihrem Gesuch und auch der Friedhofsdirektor Mönch unterstützt dieses Anliegen.
Daraufhin erfolgt im Herbst 1917 der Abbau des gewaltigen Grabmales mitsamt der Entfernung des 3 Meter tiefen Fundamentes und seine Neuaufrichtung an heutiger Stelle.
Die Särge der hier bestatteten Toten Mathilde, Franz und Ottmar von Pillement werden ausgehoben und nun unmittelbar vor dem Grabmal beerdigt.
Das interessante Grabmal ist gänzlich aus bayrischem Muschelkalkstein, die bossierten Quader des Sockels prägen dessen Monumentalität und flankieren die Schrifttafel aus einem gewaltigen, geschliffenen Kalksteinblock.
Über der schmückenden Girlande prangt unübersehbar der große Name der Familie und das Eiserne Kreuz verweist auf die Verdienste der beiden hier ruhenden Offiziere.
Im untersten Sockelbereich überwölben die behauenen Bossensteine eine halbrunde Öffnung, an deren Front sich ein großer, aus dem Stein gearbeiteter Ring findet und wohl den Anschein einer darunter befindlichen Grabkammer erwecken soll.
Zwei aus dem Stein gearbeitete weibliche Antlitze mit wallendem Haar zeigen uns im Hintergrund die Spitzen ihrer Flügel und verweisen so engelsgleich tröstend auf die göttliche Geborgenheit der hier ruhenden Toten.
Über ihren Häuptern erheben sich schlanke, gedrehte Säulen, deren blattwerkgeschmückte Kapitelle überleiten zum ebenso geschmückten und mit einem Zahnfries versehenen Rundbogen. Inmitten dieser an ein romanisches Portal erinnernden Architektur findet sich absolut dominierend ein ritterhaft dargestellter Kriegsmann, der symbolisch auf die jahrhundertlange Tradition der Familie verweist, in Tapferkeit als treue Vasallen ihren Lehnsherren gedient zu haben. Die hohen Schaftstiefel und der prächtige Säbel zur linken weisen ihn als einen Offizier aus.
Der Schild deutet auf den Lohn – er ist geziert mit dem adligen Wappen der Familie von Pillement, welches innerhalb des Schildrandes einen beidseitigen Sparren mit darüber befindlichen zwei fünfstrahligen Sternen und im Sparrenfeld einen Zinnenturm zeigt.

Die Witwe Agnes von Pillement stirbt im Juli 1946 im Alter von fast 84 Jahren.
Interessant ist ein Brief ihrer Tochter Thekla Euprasia von Pillement vom 31. Juli. 1947 an das Friedhofsamt, in dem sie sich darüber beschwert, dass man ohne Absprache einen auf der Grabstätte befindlichen Baum gefällt hat, den der Bildhauer Prof. Carl Seffner einst mit eigener Hand gepflanzt hat.
Die unverheiratet gebliebene Thekla Euphrasia von Pillement ist die Letzte dieser Familie, die hier 1976 ihre Ruhestätte fand – nach einem langen, über 92 Jahre währenden Leben.

Die Lage der Grabstätte Pillement finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .

Auch das Grabmal der Familie von Pillement wurde im 4. Band von "Die Kunst im Stillen - Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen" von Alfred E. Otto Paul abgedruckt.
Im Heft zeigen historische Fotos den ursprünglichen Zustand der Grabstätte.

 

Juni 2011

Die Grabpyramide des Fabrikanten Ullstein

Der Name Ullstein ist bis in unsere Zeit verbunden mit der Geschichte des Zeitungswesens nach der deutschen Reichsgründung. Nachdem der aus Fürth stammende, jüdische Papiergroßhändler Hayum Hirsch Ullstein verstorben ist, verlegen dessen drei Söhne die ererbte Firma um 1850 nach Leipzig in das Zentrum des deutschen Buchhandels.

Leopold Ullstein, der Jüngste dieser Söhne, geht später nach Berlin und wird hier der bedeutendste Zeitungsverleger des Kaiserreiches, der Zeitungskönig Ullstein.

Am 02. Juli 1912 stirbt im oberfränkischen Blechschmidtenhammer erst 50-jährig der Inhaber der Leipziger Papiergroßhandlung H. H. Ullstein, Ferdinand Eduard Ullstein, ein Neffe des Zeitungskönigs.
Nach der Feuerbestattung seines Leichnams im Leipziger Krematorium wurde die Urne mit der Asche des Toten zunächst in eine Nische des Kolumbariums auf dem Südfriedhof beigesetzt.

Am 13. Juli 1912 erwirbt sein Sohn Hans Ullstein in der äußerst exklusiven X. Abteilung des Südfriedhofes für 2 700 Goldmark ein 100-jähriges Nutzungsrecht an der Wahlstelle No. 48.
Offenbar beauftragt er wenig später die angesehene­ Steinmetzfirma F. G. Damm mit der Planung einer Grabpyramide, denn am 10. Dezember 1912 beantragt diese unter Vorlage sämtlicher Zeichnungen sowie der statischen Berechnungen die Genehmigung zum Bau dieser königlichen Grablege, welche am 30. Dezember 1912 erteilt wird. Ausdrücklich hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass niemals Särge hier eingestellt werden, sondern generell nur Urnen mit den Aschen der Toten aufbewahrt werden sollen. Trotz der winterlichen Jahreszeit beginnen unverzüglich die Arbeiten an der Grabpyramide.
Tiefe Betonfundamente umschließen unterirdisch eine

Grabkammer, die als Urnengruft nach Schätzung des Autors für die Beisetzung von etwa 30 Urnen angelegt ist.
Darüber wird unter Verwendung von bestem Klink­ermauerwerk das pyramidale Mauerwerk aufgeführt und anschließend mit ansehnlichen Blöcken aus Muschelkalkstein verkleidet.
Über kräftig ausgebildetem Sockel, der sich auf einer relativ geringen Fläche von etwa nur 12 Quadratmetern aufbaut, strebt dann in einem extrem steilen Winkel die eigentliche Pyramide nahezu elegant bis zu einer Höhe von 6 Metern empor.
Die Eleganz und Noblesse des Bauwerkes wird frontal verstärkt durch eine prächtige Bronzetür, eingerahmt durch ein mit Zahnfries geschmücktem, steinernem Gewände. Aufgesetzte großbuchstabige, bronzene Lettern und ein lateinisches Kreuz bezeichnen diesen Ort als die christliche Totenstätte der Familie Ullstein.
Ein prächtiger, bronzegegossener Türklopfer zeigt aus einem bandgeschmückten Pinienzapfen hervorquellende Füllhörner, denen das die Unsterblichkeit symbolisierende Akanthusblatt entspringt. Im Zentrum findet sich ein in einer Muschel knieendes, kleines nacktes Mädchen und verweist wohl auf die Unschuld des neu geborenen Lebens oder auf die beständige Wiedergeburt der Schöpfung.
Über der Tür findet sich das kräftige Halbrelief eines ruhenden nackten Jünglings, dessen Schoß leicht mit einem Tuch bedeckt ist und zu dessen Füßen sich eine henkelgeschmückte Urne findet. In ihm erkennen wir eine allegorische Darstellung der erhofften dereinstigen Auferstehung nach dem Tode.
Die Flanken der Pyramide sind geschmückt mit dem über einer gewundenen Schleife befindlichen Siegeskranz als Verweis für ein untadelig geführtes Leben derer, denen mit diesem Grabbau gedacht wird.
Der Pyramide vorgelagert findet sich ein zweistufiges Podest, welches von steinernen Kugeln als Symbol des Universums oder des die Erde umschließenden Himmels flankiert wird.
Im Inneren der Pyramide findet sich ebenerdig – über der Urnengruft – ein kleiner Raum, dessen Wände Nischen für die Einstellung von Ascheurnen aufweisen.

Als die Grabpyramide am 23. April 1913 vollendet ist, erfolgt die Überführung der Prunkurne mit der Asche von Ferdinand Eduard Ullstein aus dem Kolumbarium und ihre Aufstellung in einer Nische in der Pyramide.
Die dann folgende verhängnisvolle deutsche Geschichte verhindert weitere Urnenbeisetzungen in dieser Totenstätte der Familie Ullstein. Die einst von den Vätern begründeten Firmen werden sehr schnell von den Nationalsozialisten arisiert, da die Ullsteins wegen der antisemitischen Nürnberger Rassengesetze als Juden eingeordnet werden. Die Ullsteins verlassen ihr deutsches Vaterland und kehren nie wieder nach Leipzig zurück.

Im Jahre 2008 hat eine hiesige Familie diese Grabstätte erworben und mit beeindruckendem Engagement, viel Sachverstand und erheblichem finanziellen Aufwand dieses einmalige Zeugnis der Grabkultur des Südfriedhofes restaurieren lassen.
Der Autor ist dieser ihm gut bekannten Familie für deren Kulturleistung außerordentlich dankbar – diese Menschen bewahren in bescheidener Anonymität unser aller kulturelles Erbe.

Die Lage der Grabstätte Ullstein finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .

 

Diesen Beitrag zur Die Grabpyramide des Fabrikanten Ullstein finden Sie ebenfalls im 4. Band von "Die Kunst im Stillen - Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen" von Alfred E. Otto Paul.

Mai 2011

Die Grabstätte des Geheimen Kommerzienrates Leopold Offermann

Am 30. August 1837 wird Hubert Leopold Offermann als Spross einer alteingesessenen Tuchhändlerfamilie im rheinländischen Lindlar bei Köln geboren. Die Offermanns sind eine weitverzweigte Dynastie von Kaufleuten, deren geschäftliche Verbindungen sich in vielen Ländern Europas nachweisen lassen.
Jede Generation wird gründlichst vorbereitet auf ihre eigene Karriere und so erhält auch der junge Leopold Offermann nach einer Zeit der praktischen Tätigkeit in verschiedenen Hüttenwerken und Maschinenfabriken eine solide Ausbildung durch ein Studium an der Technischen Hochschule in Karlsruhe.
Daran, dass er bereits mit 25 Jahren Direktor einer Woll- und Seidenspinnerei im Elsaß wird und wenig später in gleicher Position in Louviens in der Normandie tätig ist, kann man mit Sicherheit die Protektion der einflussreichen Familie erkennen.

Nach einem Aufenthalt in Paris ist er 1871-1873 Di­rektor der Kammgarnspinnerei im thüringischen Wermshausen.
1873 gründet Leopold Offermann eine Wollkämmerei in Döhren bei Hannover, nachdem er kurz zuvor die aus Lüttich stammende Marie Emma Celine Drissen heiratet, die ihm hier in Döhren die Töchter Helene und Emmy auf die Welt bringt.

1876 übernimmt Leopold Offermann als Direktor und offenbar als deren Großaktionär die 1872 gegründete Leipziger Wollkämmerei, und zwar als alleiniger Vorstand. In Leipzig wird ihm 1878 die dritte Tochter, Nelly, geboren, während ihm der ersehnte Sohn vom Schicksal versagt bleibt.
Leopold Offermann wird die Lichtgestalt der deutschen Textilindustrie, er gründet Zweigwerke in Hoboken bei Antwerpen (1884) sowie in Reierstieg nahe Hamburg (1889), initiiert die Gründungen der Kammgarn- und Baumwollspinnerei in Leipzig.
Als Ingenieur entwickelt er zahlreiche technische Neuerungen für die Wollverarbeitung.

Ab 1885 bis zu seinem Tode ist Leopold Offermann jahrzehntelang der Vorsitzende des Verbandes der sächsischen Textilgenossenschaft.
Außerordentlich zahlreich sind seine geschäftlichen Beteiligungen an weiteren großen deutschen Unternehmen, deren Aufsichtsräten er ebenfalls angehört.

Standesgemäß bewohnt er seit 1890 eine prächtige Villa in der Bismarckstraße 21 mit Blick auf den späteren König-Albert-Park.
Längst gehört Offermann zur Riege der Leipziger Millionäre, sodass es nicht verwundert, dass auch seine drei Töchter hier in Leipzig durch eheliche Bande mit den millionenschweren Familien Jay, Lücke und Ficke die wirtschaftliche Macht der Familie Offermann weiter stärken.
Der Unternehmer Leopold Offermann erhält für seine Verdienste um die sächsische Industrie die königliche Ehrung mit seiner Ernennung zum Königlich-Sächsischen Geheimen Kommerzienrat, darüber hinaus ist er argentinischer Konsul und die Technische Hochschule Dresden ernennt ihn 1912 für seine Verdienste um die gesamte deutsche Textilindustrie ehrenhalber zum Dr.-Ing.. Zu dieser Zeit beläuft sich sein Vermögen auf 2.700.000 Goldmark, sein Jahreseinkommen beträgt 200.000 Goldmark.

Im Januar 1907 stirbt erst 53-jährig im mondänen Nizza Offermanns Schwager, der Leipziger Kaufmann Heinrich Jaenisch, der einst die um sieben Jahre jüngere Schwester von Leopold Offermanns Ehefrau geheiratet hat.

Der Leichnam von Heinrich Jaenisch wird nach Sachsen überführt. Die große Trauerfeier findet nicht in Leipzig, sondern im benachbarten Chemnitz statt, denn Heinrich Jaenisch verfügte die Feuerbestattung seiner Leiche. Wenige Wochen vor seinem Tode, am 16. Dezember 1906, ist in Chemnitz die Inbetriebnahme des ersten Krematoriums im Königreich Sachsen erfolgt.
Das Einäscherungsregister des Chemnitzer Krematoriums bezeugt unter der No. 250 die Feuerbestattung von Heinrich Jaenisch im Januar 1907.
Die Urne mit der Asche des Heinrich Jaenisch verbleibt nachweislich im Chemnitzer Kolumbarium B.

Sicher veranlasst der Tod seines Schwagers Leopold Offermann, der sein siebentes Lebensjahrzehnt bereits überschritten hatte, zum Erwerb einer Familiengrabstätte und so kauft er am 21. Oktober 1908 für 2 025 Goldmark die Wahlstelle No. 14 in der II. Abteilung des Südfriedhofes, unmittelbar gelegen an der prächtigen, 28 Meter breiten lindenbestandenen Hauptallee vom Nordtor zur Hauptkapelle.
Der Auftrag für den Entwurf einer repräsentativen Grabmalanlage ergeht an den Königlich-Sächsischen Baurat Professor Walter Wiesinger (1876-1961).
Wiesinger gestaltet seinen Entwurf wesentlich im Stil der Sezession, er folgt der künstlerischen Zeitströmung des Jugendstils.
Aus einem sehr hellen, feinkörnigem Granitgestein errichtet, umschließt die Anlage im Halbrund die Grabstätte.

Die beidseitigen mächtigen geschweiften Flankensteine leiten über zur monumentalen Grabmalwand mit den eingestellten dorischen Säulen und seinen Urnennischen.
Das Zentrum und gleichsam den künstlerischen Höhepunkt bildet die lebensgroße, bronzene Relieffigur, die wir wohl deuten können als eine Auferstehende, eine Tröstende.
In einem prächtigen, an ein Ornat erinnerndes Gewand, wirkt sie wie die Verkünderin einer göttlichen Botschaft, der Strahlenkranz über ihrem Haupt überstrahlt himmlische Wolken und verweist auf stilisiertes Akanthusblattwerk als Symbol der Unsterblichkeit.
Beidseitig dieser bronzenen Botin sehen wir in Stein gearbeitete Palmzweige, die auf den ewigen Frieden der hier ruhenden Toten hindeuten.
Über dem Architrav schwingt sich das Gestein empor und trägt in der Höhe das christliche Zeichen des Kreuzes. Es deutet auf Gottvertrauen, auf die verheißene Erlösung in Gottes Reich.
Beidseitig bewirken bekrönend schleierumkränzte, steinerne Urnen die Architektur der Anlage in wohlproportionierten Dimensionen der Horizontalen zur Vertikalen.

Die Ausführung dieses künstlerischen Entwurfes von Professor Walter Wiesinger überträgt Leopold Offermann dem Leipziger Bildhauer Anton Liegert, von dem die Kunstgeschichte heute nichts mehr zu berichten weiß.

Recherchen des Autors haben ergeben, dass Anton Liegert (1846-1927) durch die Heirat mit Clara Antonia Damm der Schwiegersohn von F. G. Damm ist, der ein sehr renommiertes Steinmetzgeschäft in Leipzig besitzt. Durch diese Heirat wird Anton Liegert Mitinhaber der Firma, ist aber mit Sicherheit kein akademischer Bildhauer, sondern Bildhauermeister. Dieses Grabmal für die Familie Offermann stellt in seinem Schaffen schon etwas Besonderes dar und so meißelt er nicht ohne Stolz seinen Namen in die Front des rechten Flankensteines. Die informelle Spur zu Anton Liegert fand der Autor übrigens im Mitgliederverzeichnis der Freimaurerloge »Apollo« unter der No. 1392, der er bis zu seinem Tode am 27. April 1927 angehörte. Begraben wurde er in einem schlichten Reihengrab auf dem Neuen Johannisfriedhof. Die bronzene Relieffigur dürfte also kein Werk von Anton Liegert sein, sondern eine sogenannte Katalogware, die sich sicher auch anderswo auf einem Friedhof noch heute findet. Gleiches gilt für den bronzenen Lorbeerkranz unterhalb der Figur, der erst später angebracht wurde.
Die Akten vermelden uns die Fertigstellung der Grabmalanlage am 26. Mai 1909.
Wenige Tage später, am 03. Juni 1909, trifft aus Chemnitz die Urne mit der Asche von Heinrich Jaenisch in Leipzig ein und wird am gleichen Tage hier beigesetzt.

Am 08. November 1909 werden in Zinksärgen Charles Drissen († 1890) und dessen Ehefrau Ferdinande Drissen (†  1898) hier beerdigt, sie sind die Schwiegereltern von Leopold Offermann, die nach ihrer Exhumierung auf dem Bonner Hauptfriedhof hierher überführt werden und seitdem in dieser Familiengrabstätte ruhen.

Der Geheime Kommerzienrat Dr.-Ing. h.c. Konsul ­Leopold Offermann stirbt am 05. August 1919.
Sein Leichnam wird im Krematorium Leipzig eingeäschert und bereits am dritten Tage nach seinem Tode erfolgt die Beisetzung seiner Asche in dieser einst von ihm begründeten Grabstätte.

Sehr zahlreich sind danach hier die Bestattungen von Mitgliedern der Familie, die allesamt feuerbestattet werden – am 18. August 1965 aber wird als letzte Bestattung hier ein Sarg mit den sterblichen Überresten von Claus Beckmann in diese Erde gesenkt, einem Enkel von Leopold Offermann. Die Familie lässt kurz vor der Säkularisierung des Neuen Johannisfriedhofes seine Leiche exhumieren, um sie hier zur letzten Ruhe zu betten.

Durch eine testamentarische Verfügung gelangt 1928 eine große Summe Geldes an die Stadt Leipzig mit der Verpflichtung zur ständigen würdigen Pflege der Grabstätte.

 

Diesen Beitrag zur Grabstätte des Geheimen Kommerzienrates Leopold Offermann finden Sie im 4. Band von "Die Kunst im Stillen - Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen" von Alfred E. Otto Paul mit weitereren, teilweise historischen Fotos.

Die Lage der Grabstätte Offermann finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .

April 2011

Das Grabmal des Kaufmanns Max Bürklin

Über den wohlhabenden Leipziger Kaufmann Max Bürklin finden sich in den Archiven nur spärliche Informationen. Er wohnt mit seiner Frau Amalie und der Tochter Alice in seinem prächtigen Haus in der Pfaffendorfer Straße 26 am Ufer der Parthe.
Im Jahre 1907 erwirbt er in der V. Abteilung das Erbbegräbnis No. 26 und lässt in der Grabstätte von der Bauunternehmung Julius Kornagel, die als Generalunternehmer in dieser Zeit die gewaltige Kapellenanlage des Südfriedhofes baut, eine Gruft errichten.

Bürklin muss nach eigenen Angaben viel gereist sein und findet auf diesen Reisen Kontakt zum Münchner Bildhauer Friedrich Kühn, der als Grabmalschöpfer einen hervorragenden Ruf besitzt.
Diesem Bildhauer erteilt er schließlich den Auftrag, mit einer Grabmalplastik sein Erbbegräbnis in Leipzig zu schmücken.
Als 1908 das Grabmal in München fertiggestellt ist, kommt der Bildhauer Friedrich Kühn nach Leipzig, um die Aufstellung seines Werkes vorzubereiten.
Allerdings zeigt er sich gegenüber seinem Auftraggeber Max Bürklin wenig zufrieden mit dem Standort der Grabstätte, weil sein Werk hier offenbar nicht die erwünschte öffentliche Beachtung findet. So drängt er auf einen Wechsel der Grabstätte und schlägt gleichzeitig den heutigen Standort vor, unmittelbar gelegen an der prächtigen, zur Hauptkapelle führenden Allee.


Und der Kaufmann Max Bürklin fügt sich dem Wunsch des Bildhauers, er verhandelt mit dem Friedhofsdirektor einen Tausch der Grabstätten.
Der Friedhofsdirektor Gustav Mönch erklärt sich in einem Schreiben an den zuständigen Stadtrat Lampe solidarisch mit dem Wunsch von Bürklin und Kühn und bittet um die Zustimmung des Stadtrates, die dieser dann auch erteilt.
So erhält Max Bürklin am 18. September 1908 unter Zuzahlung von 725 Goldmark im Tausch dann die Wahlstelle No. 16 in der VII. Abteilung als seine künftige Grabstätte.

Im Mai 1909 lässt Bürklin an dieser Stelle erneut eine Gruft anlegen und im Juni 1909 erfolgt die Errichtung des prächtigen Grabmales. Für dieses, eigens für Bürklin geschaffene Unikat*, zahlt der Auftraggeber dem Künstler Fritz Kühn die stattliche Summe von 20 000 Goldmark.

Über dem mehrstufigen, kräftigen Sockel aus sehr hellem, gestocktem Granit erhebt sich edel das eigentliche steinerne Grabmal aus poliertem, rotem, schwedischem Granit. Darüber thront in Erz gegossen madonnenhaft die ergreifend schöne Grabplastik. Sie ist umhüllt von einem weiten, faltenreichen Gewand und selbst das leicht gesenkte Haupt ist von einem Trauerschleier bedeckt. Ein gürtelähnliches Band unterhalb des Busens bringt ihre opulente Weiblichkeit deutlich zur Geltung, das leicht vorgestreckte rechte Bein ist etwas angewinkelt und verleiht der Skulptur eine gewisse Dynamik.
Mit der Rechten stützt sie sich auf die Wange des steinernen Grabmals und verweist auf einen schleifengeschmückten Rosenkranz, ein Symbol für die nicht endende Liebe.
Als Zeichen der Hoffnung auf künftige Geborgenheit der Toten in einer anderen Welt umfasst sie mit ihrer Linken den Haltering eines Ankers.
Der Saum des Gewandes verkündet mit »F. Kühn fec. München 1908« inschriftlich die Autorenschaft des Künstlers.

Max Bürklin hat mit dieser herrlichen Skulptur, die mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Münchener Bronzegießerei gegossen wurde, dem zu jener Zeit aufblühenden Südfriedhof ein wirklich großes Geschenk gemacht.

Zwei Jahre später, am 07. Juni 1911, wird in diese Gruft ein weißer Kindersarg eingesenkt.
Der Sarg birgt die sterblichen Überreste des im Jahre 1880 erstgeborenen kleinen Töchterchens der Eheleute Bürklin. Dieses Kind, Elsa Bürklin, ist bereits nach einem Lebensmonat gestorben und in der VIII. Abteilung des Neuen Johannisfriedhofes begraben worden. Dem Wunsch der Eltern entsprechend, hat man die Kinderleiche exhumiert und hierher in diese letzte Heimstatt der Familie überführt.

Das Totenbuch vermerkt dieses Kind als Tochter des Braumeisters Max Bürklin – vermutlich hat er eine Brauerei betrieben, was seine schon erwähnten zahlreichen Reisen erklären würde, die sicher dem Produktvertrieb gedient haben.
Später hat Max Bürklin dann aber offenbar seine Geschäftstätigkeit eingestellt, denn zum Zeitpunkt seines Todes am 06. November 1919 wird er im Totenbuch als »Privatmann 66 Jahre« tituliert.

In einem eichenen Pfostensarg wird er in der Gruft beigesetzt.
Seine Frau Amalie Louise verbleibt über 26 Jahre im Witwenstand, verlässt aber Leipzig und lebt fortan bei Tochter Alice in Weimar, wo sie am 03. Februar 1946 im 85. Lebensjahr stirbt und ihr Leichnam im dortigen Krematorium eingeäschert wird.
Nun wird diese Gruft ein letztes Mal geöffnet und die Urne mit ihrer Asche hier beigesetzt.

Wegen der beginnenden Umgestaltung der prächtigen Hauptallee in einen sogenannten Sozialistischen Ehrenhain hat man zu Beginn der 1970er Jahre willkürlich die Grabstätte für weitere Bestattungen gesperrt und damit den Nachgeborenen jedes Recht genommen, ihre Toten hier bei den Vorfahren zu bestatten.

* Der Künstler Fritz Kühn hat zwei Jahre später mit dieser Skulptur offenbar noch einmal ein gutes Geschäft gemacht, denn sie findet sich in leicht modifizierter Form, nun mit der Linken keinen Anker, sondern eine Malerpalette mitsamt diverser Pinsel ergreifend, als Denkmal für zwei Kunstmaler im oberschwäbischen Biberach an der Riß.

 

Dieser Beitrag zum Leipziger Kaufmann Max Bürklin wurde ebenfalls, im 4. Band von "Die Kunst im Stillen - Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen" von Alfred E. Otto Paul veröffentlicht.

Die Lage der Grabstätte Bürklin finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .

März 2011

Der Bildhauer Gustav Emil Werner

Von außerordentlich ergreifender Emotionalität zeigt sich uns das Grabmal der Familie Werner und die Geschichte seiner Entstehung  ist voller Tragik.

Als dem Leipziger Bildhauer Gustav Emil Werner am 23. April 1934 im Alter von erst 49 Jahren die geliebte Frau stirbt, erwirbt er in der XVII. Abteilung des Südfriedhofes das Rabattengrab No.1101 und beerdigt hier drei Tage später seine Lebensliebe Martha in einem eichenen Sarg in doppelter Grabestiefe.
In all seinem Seelenschmerz muss er nun das bitterste Werk seines Lebens schaffen, den Grabstein für seine Frau.
Im Hohen Lied des Alten Testamentes der Heiligen Schrift findet der gottgläubige Bildhauer Gustav Emil Werner den einzigen überhaupt möglichen Trost in dieser Situation des unbeschreiblichen Verlustes seiner Lebensmitte und aber auch die Kraft für die Anfertigung des Grabmales als der große Liebesbeweis für sein dahingegangenes Glück.

Künstlerisch wählt er den großen Stil des Art deco, der kunsthistorisch seinen Zenit zu dieser Zeit bereits überschritten hat.
Das spitzbogige Grabmal erinnert an eine Pforte, wohl als den Grenzpunkt zu einer jenseitigen Welt, und hier lesen wir die dem Hohelied entlehnte erhabene Umschrift „Stärker wie der Tod ist die Liebe“ und im kräftigen Relief sehen wir niemand anders als Gustav Emil Werner mit seiner Frau Martha.
Sein ganzes Leid hat der Bildhauer hier in den feinkörnigen Muschelkalkstein mit eigener Hand gehauen – die wirkliche, unvergängliche Liebe zweier Menschen zueinander ist überzeugender wohl kaum darzustellen.

Das steinerne Bildnis erlaubt uns eine breite Interpretation – es vermittelt die Fassungslosigkeit der Trennung durch den Tod mit allem Schmerz, den die Mimik der Gesichter und die Körpersprache der Liebenden uns so anrührend vermitteln.
Gleichzeitig aber erkennen wir hier ikonografisch auch die Tröstung und die Hoffnung der Liebenden, ihre Annahme des Leids im Vertrauen auf die göttliche Botschaft der Auferstehung der Toten.
Der zu dieser Zeit 57-jährige Gustav Emil Werner und seine 49-jährig verstorbene Ehefrau sind hier wesentlich jünger dargestellt und entsprechen so dem christlichen Vorstellungsbild der einstigen leiblichen Auferstehung in jungen Jahren. Nackt wirst Du geboren – und so finden wir in Auferstehungsdarstellungen auf Grabmälern die nackten Körper, oftmals auch wie hier noch mit dem Leichentuch bedeckt und auf die Wiedergeburt verweisend.

Lange 29 Jahre betrauert der Gatte in unauslöschlicher Liebe seine im Grabe ruhende Eheliebste, bis auch ihn der Tod im Alter von fast 86 Jahren in dieses Grab sinken lässt.
Am 05. Februar 1963 wird der Bildhauer Gustav Emil Werner in einfacher Grabestiefe über dem Sarg seiner Frau hier beerdigt.
Später findet auch der gemeinsame Sohn Rolf, selbst Bildhauer gewesen wie schon sein Vater, hier im Grabe der Eltern seine letzte Ruhestätte.

Und so beschließt der Autor diesen kleinen Beitrag in der Hoffnung, dieser großen Eheliebe von Gustav Emil Werner und seiner Frau Martha im Besonderen ein würdiges Andenken zu sichern und alle Liebenden unserer Tage daran zu erinnern, wie kostbar jeder in Liebe gelebter Tag uns Menschen sein soll.

*Als Dr. Rudolf Dittrich, Oberbürgermeister 1908-1918 und Ehrenbürger der Stadt Leipzig im Jahre 1929 starb, hatte Gustav Emil Werner die Ehre der Schaffung seine Grabmales.

Dieser Beitrag zum Leipziger Bildhauer Gustav Emil Werner ist im 4. Band von "Die Kunst im Stillen - Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen" von Alfred E. Otto Paul veröffentlicht.

Die Lage der Grabstätte Werner (heute: Kayser) finden Sie auf der Karte des Südfriedhofs Leipzig .

Februar 2011

Das Grabmal des Zeitungsverlegers Johann Friedrich Lindner

Eines der schönsten und ergreifendsten Grabmäler auf unseren kirchlichen Friedhöfen finden wir auf dem im Jahre 1866 eröffneten Friedhof von Lindenau.
Am 13. Januar 1906 stirbt der Leipziger Zeitungsverleger Johann Friedrich Lindner. Aus diesem traurigen Anlass erwirbt dessen Witwe Amalie Auguste Therese geb. Ratzsch hier zwei Tage später für 60 Jahre das Erbbegräbnis No. 333, in dem ihr Ehemann am 16. Januar 1906 in einem massiven Eichensarg zur letzten Ruhe gebettet wird.

In Erwartung seines baldigen Todes, da schwer erkrankt, beauftragt Johann Friedrich Lindner persönlich im Jahr zuvor beim Leipziger Bildhauer Carl Seffner diese marmorne Plastik mit dem jugendlichen Genius des Todes nach antikem Vorbild als sein künftiges Grabmal.
Seffner wählt für die Ausführung einen reinweißen, besonders festen Marmor, dessen Herkunft sachverständige Begutachtung, auf Initiative des Autors im Jahre 1998, den griechischen Inseln Naxos oder Paros zuweist.
Die Plastik weist keinerlei Signatur auf, aber schon in den zurückliegenden achtziger Jahren wird sie durch kunsthistorische Studien dem Bildhauer Carl Seffner zugeschrieben. Zurecht, wie sich durch spätere Forschungen des Autors bestätigt hat. Ein handschriftlicher Eintrag auf der Grabkartei verweist auf Carl Seffner als Bildhauer und die noch lebende Elfriede Heuß als eine Urenkelin Johann Friedrich Lindners bestätigt diese künstlerische Autorenschaft.
Erst nach dem Tode des Verlegers Lindner, im Jahre 1907, findet die Plastik Aufstellung auf der Grabstätte.
Die Witwe Amalie Auguste Therese Lindner stirbt 72-jährig im Jahre 1912 und wird an der Seite ihres Gatten ebenso in einem eichenen Sarg hier normaltief beerdigt.

Ein trauriger Umstand ist zu vermelden – als 1933 die einzige Tochter Franziska stirbt. Sie darf nicht bei ihren Eltern begraben werden, da sie ihr Leben nicht im Standesbewusstsein der Familie geführt hat und so findet sie nur unweit von den Eltern in einem einfachen Reihengrab ihre letzte Ruhestätte.

Johann August Lindner ist der Begründer des Lindnerschen Verlages mit Sitz in der Leipziger Fichtestraße No. 26, in dem wöchentlich die in hoher Auflage deutschlandweit vertriebene Wochenzeitung »Grüne Post« erschienen ist, und er führt in seinem Hause in der Lindenauer Burgauenstraße No. 5 auch eine gut gehende Buchhandlung.

Nach seinem Tode führt der Sohn Friedrich das väterliche Unternehmen erfolgreich weiter und das ererbte, erhebliche väterliche Vermögen ermöglicht ihm einen künftigen Wohnsitz in herrschaftlicher Villa in der vornehmen Leipziger Windscheidstraße.
Der Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges hat auch diese Familie durch die Zerstörung aller ihrer Gebäude der wirtschaftlichen Grundlagen beraubt und sie hat die Stadt für immer verlassen.

Seit 1998 befindet sich dieses Meisterwerk der Grabmalkunst im Eigentum des Autors, der es bewahren wird für die nachfolgenden Generationen.

Diesen Beitrag zum Leipziger Zeitungsverleger Johann Friedrich Lindner finden Sie ebenfalls im 3. Band von "Die Kunst im Stillen - Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen" von Alfred E. Otto Paul.

Januar 2011

Grabstätte Carl Ernst Mey

Nur wenige Wochen nach der Weihe des Plagwitzer Friedhofes erwirbt der damals erst 41-jährige Kaufmann Carl Ernst Mey am 31. 12. 1885 in der I. Abteilung das Erbbegräbnis No. 49 als die künftige Grabstätte seiner Familie.
Carl Ernst Mey gehört unstrittig zu den zahlreichen großen unternehmerischen Persönlichkeiten, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Plagwitz zu einem der bedeutendsten europäischen Industriestandorte emporheben.
Er wird am 05. September 1844 im erzgebirgischen Dorf Niederschmiedeberg als erstes Kind eines Kantors geboren – später folgen noch 13 Geschwister.
In Annaberg erhält er in den Jahren 1859 bis 1863 eine Lehre zum Bankkaufmann. Er ist gesegnet mit einem außerordentlichen beruflichen Talent und wird im Alter von erst 20 Jahren 1864 Privatsekretär im renommierten Leipziger Bankhaus Becker & Co., für das er sehr erfolgreich im internationalen Börsengeschäft agiert.
Seinen unternehmerischen Aufstieg begründet Ernst Mey im Jahre 1867 mit der Übernahme der Firma Gray´s American Moulded Paper Collar Co. in Paris sowie mit dem Erwerb eines amerikanischen Patentes für Papierkragen und Papiermanschetten.

1868 beteiligt er seinen Jugendfreund Bernhard Edlich und firmiert seitdem als Mey & Edlich. Zwei Jahre später erfolgt die Verlegung der Firma von Paris nach Plagwitz, wo deren unaufhaltsamer Aufstieg beginnt und sie sich in den Folgejahren geschäftlich erheblich ausweitet. Bernhard Edlich, der enge Freund und Teilhaber, stirbt bereits in jungen Jahren 1879.

Ab 1881 ist Mey & Edlich Hoflieferant des sächsischen Königshauses. Seit 1884 produziert Mey in Schleußig Celluloid-Waren und schließlich begründet er 1889 die Deutsche Celluloidfabrik Aktiengesellschaft.
Mit dem Versand-Geschäft Mey & Edlich gilt Ernst Mey seit 1886 als der Begründer des deutschen Versandhandels. Der erste Warenkatalog beinhaltet bereits etwa 1 500 Artikel. 1888 erfolgt mit der Umbenennung der Plagwitzer Elsterstraße in Ernst-Mey-Straße eine angemessene öffentliche Ehrung des erst 44-jährigen Unternehmers, dessen großzügige Unterstützung beim Bau der Heilandskirche in Plagwitz wohl wesentlich zu dieser Ehrung beigetragen haben dürfte. Auch als Mitglied des Gemeinderates sowie als Mitglied der Freimaurerloge »Apollo« befördert Ernst Mey zahlreiche soziale Projekte in Plagwitz.
Seine überragenden Verdienste honoriert der Sächsische König im Jahre 1897 mit der Verleihung des Titels eines Königlich-Sächsischen Kommerzienrates.

Im Jahre 1900 entschließt sich Ernst Mey zur Errichtung einer Grabmalanlage auf dieser schon vor vielen Jahren erworbenen Familienbegräbnisstätte, deren Fertigstellung für 1901 bezeugt ist.
Schöpfer dieses imposanten Grabmales ist kein Geringerer als der Leipziger Bildhauer Prof. Adolf Lehnert.
Gleich einer Zitadelle baut sich über kräftigem, granite­nen Sockel die Wandstelle in Sandstein auf. Ihre Monumentalität begründet sich deutlich durch die beiden flankierenden, turmartigen Bauteile und erinnert an die antike Tempelarchitektur. Das zinnenbekrönte Gesims trägt exakt mittig eine prächtige Sandsteinurne, die bedeckt ist von einem weit ausladenden Trauerschleier samt Lorbeergirlanden. Im Zentrum der Wandstelle bezeichnet die goldausgelegte Inschrift »MEY« dieses als die Grabstätte der Familie.

Absolut dominierend befindet sich vor dem Mittelteil der Wandstelle über dreistufigem Unterbau ein eindrucksvoller granitener Sarkophag, vor dem eine herrliche, lebensgroße, marmorne Frauenskulptur mit Trauerschleier steht, die mit beiden Händen einen rosengeschmückten Lorbeerkranz hält als deutliches Zeichen der liebevollen Ehrung aller dereinst hier ruhenden Toten der Familie Mey.

Im linksseitigen, turmartigen Aufbau findet sich in fast portalartiger, rundbogiger Nische ein herrliches Marmorrelief, welches jedem Kunstkenner sofort die unverwechselbare Handschrift des Bildhauers Adolf Lehnert verrät.
Unzweifelhaft sehen wir hier dargestellt den Patriarchen der Familie, den so erfolgreichen Unternehmer Carl Ernst Mey.
Im klassischen Gewand sitzt er, den Kopf auf die linke Hand gestützt, an einem sekretärähnlichen Möbel. Während er in ein auf seinem Schoß liegendes aufgeschlagenes Buch schaut, umfasst seine rechte Hand den beigestellten Tischglobus und so vermittelt er uns durchaus realistisch sein lebenslanges geschäftiges Tun. Dabei verweist der Tischglobus auf seine weltweiten Unternehmungen.
Ein über ihn schwebender Engel als der göttliche Bote segnet ihn und der Lorbeerzweig in dessen linker Hand deutet auf die Unvergänglichkeit der ruhmvollen Verdienste des Carl Ernst Mey.

Ein klares Gegenstück ist die ergreifende Dramatik des rechtsseitigen Turmreliefs mit der personifizierten Darstellung des Todes, wie sie wohl auf keinem anderen Leipziger Friedhof so zufinden ist.
Gnadenlos nimmt er einer jungen Frau das Kind – ohne Rücksicht auf das unendliche Leid, das er ihr zufügt.
Die blattlosen, abgestorbenen Bäume unterstreichen noch einmal eindrucksvoll die Kälte des Todes und der Mohn verweist auf den ewigen Schlaf.

Als ob Carl Ernst Mey die traurige Zukunft seiner Familie erahnte, als er von Adolf Lehnert dieses Grabmal schaffen ließ, denn die Sprache der marmornen Bildwerke wird einst traurige Wirklichkeit.

Im Zenit seines Erfolges, Mey & Edlich hat zweitausend Beschäftigte und ist weltweit das führende Versandunternehmen, stirbt der Kommerzienrat Carl Ernst Mey am 30. Januar 1903 im Alter von erst 58 Jahren, 4 Monaten und 25 Tagen.
Der Sarg mit seinem Leichnam wird am 02. Februar 1903 hier in üblicher Grabestiefe beerdigt.
Wenige Jahre später stirbt am 08. Mai 1908 die Ehefrau Emma geb. Wankmore im 62. Lebensjahr und findet hier ihr Grab an der Seite ihres Mannes.
Beerdigt wird in dieser Grabstätte 1909 auch der Vater von Ernst Mey, der 86-jährige Kantor emer. Christian Traugott Mey.
1914 wird hier der Kaufmann Paul Otto Runge, der Schwiegersohn von Ernst Mey, in doppelter Grabestiefe beerdigt und wenige Wochen später bestattet man in diesem Grabe auch noch dessen kleinen Sohn Ernst Otto Runge, der bereits am 11. September 1907 in der Villa »Sachsen« in Bingen am Rhein gestorben ist und dessen Leichnam man von Bingen hierher überführt hat.
Ernst Mey hat wenige Jahre vor seinem Tod das einstige Rhein-Schloss Pila erworben und 1896-1898 durch den Königlich-Sächsischen Baurat Max Pommer umbauen lassen und diesem Pommer-Bau dann den Namen »Villa Sachsen« gegeben.

1946 wird als letzte Bestattung hier in der Plagwitzer Familiengrabstätte Aenne Runge, die Tochter Ernst Mey´s und Witwe des Kaufmanns Paul Otto Runge, beigesetzt. Die Urne mit ihrer Asche ruht in gleichem Grabe, in dem einst ihr Mann und ihr kleiner Sohn die letzte Ruhe gefunden haben.

Erinnern wir uns des rechten Reliefs am Grabmal, das den unbarmherzigen Tod zeigt, so können wir, so wir geneigt sind, hier eine Darstellung sehen, in der Aenne Runge ihren kleinen Sohn durch den Tod verliert.
Und auch die am Sarkophag trauernde weibliche Figur könnte wieder Aenne Runge sein, die jahrzehntelang ihre Lieben überlebt und hier ihre Eltern, ihren Großvater, ihren Mann und ihr so früh gestorbenes Söhnlein begraben hat.
Das Spektrum der Interpretationen ist hier breit und lässt Spekulationen weiten Raum. Sie können aber niemals die große Bedeutung dieser Lehnert´schen Grabmalschöpfung in Frage stellen.

Mit kräftigen Schwellen und Pfeilern aus gestocktem Granit ist die Grabstätte umschlossen. Eine unverzeihliche Sünde ist ein zu Beginn der 90er Jahre vorgenommener Eingriff in die Oberflächenstruktur der Grabmalwand, wobei die einst fein geschliffenen Sandsteinquader mit dem Spitzeisen bearbeitet wurden. Dadurch wird eine verstärkte Schadstoffeinbringung, insbesondere durch zerstörerische Salze, möglich und eine weitere Gesteinszerstörung vorprogrammiert.
Deshalb sind künftig die Bemühungen um den Erhalt dieser wertvollen Grabmalanlage unbedingt zu verstärken.

Dieser Beitrag zum Kaufmann Carl Ernst Mey ist im 3. Band von "Die Kunst im Stillen - Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen" von Alfred E. Otto Paul erschienen.