Kunstwerke des Monats 2020

Dezember 2020
Grabmal Emil Teichmann
Grabmal Emil Teichmann / Bildhauer Alessandro Ruga, 1909 / Fotografie Alfred E. Otto Paul

Das Grabmal des Direktors Emil Teichmann (1851 – 1908)

Ernst Emil Teichmann war in seinem relativ kurzen Leben eine außerordentlich steile Karriere beschieden. Als Jüngling machte er eine Lehre im bedeutenden Papierhandelshaus Ferdinand Flinsch am Augustusplatz  in Leipzig, wurde später dort Prokurist und schließlich der kaufmännische Direktor dieses riesigen Handelshauses, welches nicht nur in Leipzig, sondern auch in Berlin, Frankfurt/Main und Hamburg mit großen Hauptniederlassungen präsent war und auch in Stuttgart, München und Düsseldorf entsprechende Zweigstellen unterhielt.
Die aus Süddeutschland stammende Familie Flinsch betrieb schon im beginnenden 18. Jahrhundert die Papierherstellung, der im Jahre 1792 geborene Ferdinand Traugott Flinsch aber begründete anno 1819 in rastloser Arbeit nicht nur ein künftig international führendes Papierhandelshaus, sondern begründete auch bedeutende Papierfabriken, von denen der Papierfabrik im sächsischen Penig eine Schlüsselrolle in der deutschen Papierproduktion zukam.
Ohne Übertreibung kann man von einem Papierimperium sprechen, welches Ferdinand Traugott Flinsch hinterließ, als er im Jahre 1849 im Alter von erst 57 Jahren starb.

Emil Teichmann arbeitete nahezu 43 Jahre in der Firma „Ferdinand Flinsch Aktiengesellschaft“, bis am Abend des 07. Dezember 1908 um ¾ 10 Uhr in seiner Wohnung in der Hardenbergstraße 18 ein Herzschlag sein Leben im 58. Lebensjahr  beendete. Neben seiner Tätigkeit als kaufmännischer Direktor der Aktiengesellschaft war Emil Teichmann auch Mitglied im Aufsichtsrat des Verlages für Börsen- und Finanzliteratur AG Berlin sowie Teilhaber der Leipziger Musikwerke „Phönix“.
Unter den zahlreichen Würdigungen seiner Arbeit und den hohen Auszeichnungen verwies man in der Todesanzeige besonders auf das Ritterkreuz 1. Klasse des Albrechtsordens, das ihm der sächsische König einst verliehen hatte.

Die Witwe Marie Johanna Teichmann geb. Böhme erwarb drei Tage nach dem Tode ihres Gatten, am 10. Dezember 1908, für 1.300 Goldmark das einhundertjährige Nutzungsrecht am Erbbegräbnis No.06 in der V. Abteilung des Südfriedhofes, in dem am nachfolgenden Tage mittags um ½ 12 Uhr Emil Teichmann in einem eichenen Pfostensarg in doppelter Grabestiefe beerdigt wurde.

Am 06. September 1909 beantragte sie schließlich die Errichtung der marmornen Grabskulptur und der Einfriedung der Grabstätte aus Kalkstein-Segmenten mit eingearbeiteten Eckbänken im vorderen Bereich der Grabstätte.
Wenngleich die schriftlichen Zeugnisse zur Autorenschaft dieser bemerkenswerten Grabskulptur sehr dürftig sind, so erkennen wir aber im Bereich der felsartigen Plinthe deutlich die vertieft eingearbeitete Inschrift RUGA A.
Die Grabskulptur ist also zweifellos ein Werk des gebürtigen schweizerischen Bildhauers Alessandro Ruga, ein Landsmann  des ebenfalls im Tessin geborenen namhaften Bildhauers Vincenzo Vela, dessen Schüler Ruga an der Turiner „Accademia Albertina“ gewesen war.    
Der 1836 geborene Alessandro Ruga, der später in Mailand und auch in Paris ein Atelier unterhielt, hat u.a. hervorragende Büsten aus Marmor hinterlassen – als Beispiele wollen wir hier nur auf die um 1903 geschaffene Büste des Vincenzo D´Alberti, des ersten Präsidenten der Regierung des Kantons Tessin oder auf die Arbeit „La Belle Milanaise – die schöne Mailänderin“ verweisen. Aber auch die Büste seines Lehrers Vincenzo Vela hat Ruga meisterhaft in Marmor gearbeitet.  
Die konkreten Umstände der Beauftragung von Alessandro Ruga für die Grabskulptur Teichmann sind kaum geklärt – da sich aber Ruga zum Zeitpunkt des Todes von Emil Teichmann eine längere Weile in Berlin aufhielt, muss in jener Zeit eine entsprechende Kommunikation stattgefunden haben, die letztlich Alessandro Ruga zur Übernahme des Auftrages bewog.  
Jedenfalls ist sicher, dass am 14. Oktober 1909 das Grabmal auf der Grabstätte – unmittelbar vor dem Grab des Emil Teichmann - über einem drei Meter tiefen Fundament errichtet war.

Die von Ruga geschaffene Marmorskulptur stellt niemand anders dar als Marie Johanna Teichmann, die trauernde Witwe im Alter von 45 Jahren. Ihr schlichtes langes Gewand zeigt nur im Bereich des Halsausschnitts und der Ärmel einigen Schmuck in Form von feiner Spitze – ansonsten bestimmen ergreifende Trauer, stumme Demut und Ehrfurcht vor dem Tode die Atmosphäre an dieser Stelle, die stimmungsvoll auch geprägt ist von den flankierenden hundertjährigen Lebensbäumen und dem uralten Farn, der alljährlich herauswächst aus einer Spalte des Felsens zu ihren Füßen.
Sie presst die Linke an ihren Busen, an ihr Herz und ist gerade in Begriff, mit der Rechten einen kleinen rosengeschmückten Kranz auf das Grab des geliebten Mannes sinken zu lassen.
Dabei neigt sie vom Schmerz gedrückt ihr Gesicht mit dem schönen Antlitz leicht seitlich nach vorn, den Blick der halbgeschlossenen Augen auf das Gattengrab gerichtet.
Den emotionalen Höhepunkt dieser Darstellung bildet das ihren Oberkörper umschließende opulente Spitzentuch und der anrührende Spitzenschal, mit dem sie ihr Haupt bedeckt  - er erinnert deutlich an eine Mantilla, ein Schleiertuch, welches man in der Kulturgeschichte seit ewigen Zeiten an heiligen Stätten trägt.
Und das Grab ihres geliebten Mannes, der so zeitig von Gott abgefordert wurde, ist ihr natürlich ein heiliger Ort.
Die Mantilla ist aber auch als ein Zeichen der tiefen Trauer zu verstehen und damit ein entsprechendes Symbol oder ein respektforderndes Zeichen für Fremde.  
Das bronzene Porträt auf der unmittelbar neben der Skulptur befindlichen Stele zeigt das Bildnis des 57-jährigen Ernst Emil    
Teichmann im bürgerlichen Habit – der Dargestellte vermittelt ein gesundes Selbstbewusstsein, Entschlossenheit, wohlüberlegte Entscheidungsfreudigkeit. Er war der Witwe der fürsorgliche und liebende Gatte, der treueste Kamerad, der verantwortungsvolle Vater ihrer Kinder – all das hat sie verloren, all das wird sie künftig beweinen als den großen Verlust ihres Lebens.
An der Brust des dargestellten Gatten findet sich angeheftet ein kleines Sträußchen – es sind Mohnblüten, die da zum Strauß gewunden sind; sie symbolisieren den ewigen Schlaf des Geliebten.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, S. 54 ff.

November 2020
Grabmal Otto Eduard Kaiser / Fotografie Heinz-Joachim Halbach

Die Grabstätte des Vizewachtmeisters Otto Eduard Kaiser (1898 – 1918)

Am 10. April 1918 vermeldete der Justizrat Dr. Joseph Kaiser in den „Leipziger Neuesten Nachrichten“, dass sein einziger Sohn Otto Eduard Kaiser, Vizewachtmeister und Offiziersaspirant im Königlich Bayerischen 1.Ulanenregiment, „am 07. April 1918 in einem Lazarett, noch nicht zwanzig Jahre alt, sanft verschieden“ sei.  
Aber so falsch, wie das Todesdatum war, so unwahr ist sicherlich auch die Nachricht vom sanften Tod des jungen Mannes gewesen, dessen kurzes Leben tatsächlich bereits am 05. April 1918 an der Ostfront in Kiew geendet hatte.
Der Leichnam Otto Eduard Kaisers wurde unmittelbar nach seinem Tode in russischer Erde begraben, und ein schlichtes Holzkreuz zierte sein gehügeltes Grab im Feindesland.

Ursprünglich wollte Otto Eduard Kaiser beruflich seinem Vater, dem Justizrat Dr. Joseph Kaiser folgen, der ab 1905 als Rechtsanwalt am Reichsgericht in Leipzig tätig war. Aber der Erste Weltkrieg bewirkte schließlich auch den tödlich endenden Waffengang des 1898 in München geborenen jungen Mannes in den Reihen der bayerischen Ulanen.
Der Sarg mit dem Leichnam des Otto Eduard Kaiser wurde auf Veranlassung und auf Kosten der Eltern in Kiew exhumiert, nach Leipzig überführt und am 08. Mai 1918, sechs Tage nach dem zwanzigsten Geburtstag des Gefallenen, in dem zuvor am 04. Mai 1918 von den Eltern für 1.300 Goldmark erworbenen Erbbegräbnis No.34 in der XV. Abteilung des Südfriedhofes beerdigt.

Bereits am 27. Mai 1918 beantragte der Leipziger Bildhauer Ernst Prößdorf die Errichtung einer Gruppe von unterschiedlich großen Findlingen auf der Grabstätte, wobei der Hauptstein mit einer querovalen Bronzetafel versehen werden sollte. Der Entwurf für diese Gruppe aus Natursteinen einschließlich der genannten Bronzetafel stammte vom namhaften Münchner Architekten Professor Otto Lasne*, dessen Tochter Anna die Ehefrau des Justizrates Dr. Joseph Kaiser war. Professor Otto Lasne war also der Großvater des hierher überführten Otto Eduard Kaiser.

Nachdem am 05. Juni 1918 die Grabmalgenehmigung erteilt war, belegen die Akten die Fertigstellung der Arbeiten am 26. August 1918. Da sich allerdings die Anfertigung der bronzenen Grabtafel für den gefallenen Otto Eduard Kaiser zeitlich verzögerte, errichtete man unmittelbar vor dem Hauptstein das hölzerne Kreuz, welches man vom ursprünglichen Grabesort aus Russland im Rahmen der Leichenüberführung mitgenommen hatte.
Wir gehen davon aus, dass noch im Jahre 1918 die bronzene Grabtafel auf dem Hauptstein montiert wurde – das Holzkreuz fand dann Aufstellung neben einer steinernen Bank, die man auf der Grabstätte errichtet hatte.

* Dem Architekten und Stadtplaner Otto Lasne (1854-1935) wurde im Februar 1913 vom Bayerischen Verweser Prinz Ludwig im Februar 1913 der Titel eines Königlich-Bayerischen Professors verliehen. Prinz Ludwig bestieg noch im gleichen Jahr als Ludwig III. – der letzte König von Bayern – den Thron.

Grabmal Otto Eduard Kaiser / Detail Bronzemedaillon
Architekt Prof. Otto Lasne, 1918
Fotografie Heinz-Joachim Halbach

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, Seite 100 ff.

Oktober 2020
Grabmalanlage Dr. Emil Wagner / Fotografie: Heinz-Joachim Halbach

Der Grabobelisk des Augenarztes Dr. Emil Wagner (1871 – 1948)

Unsere Nachrichten über Bertha Pauline Dr. Wagner geb. Herrmann, die Ehefrau des Leipziger Augenarztes Dr. med. Emil Wagner, sind sehr spärlich. Lediglich ihrer Sterbeurkunde können wir entnehmen, dass sie die Tochter des bereits verstorbenen wohlhabenden Leipziger Kaufmanns Gustav Julius Herrmann und dessen Gattin Emma Clara geb. Beyer gewesen war.

Paula Wagner, so ihr Rufname, hatte vermutlich bereits in sehr jungen Jahren den späteren Leipziger Augenarzt Dr. med. Emil Wagner kennengelernt, der offenbar nach seiner Promotion ab dem Jahre 1900 in der Leipziger Burgstraße sehr erfolgreich als Augenarzt praktizierte.
In glückvoller Ehe lebte Dr. Emil Wagner mit seiner Frau Paula und den beiden Söhnen Herbert und Gerhard, bis eine unheilbare Krankheit den nahenden Tod der Gattin ankündigte.
Am 14. Mai 1912 erlag am frühen Morgen um 7 Uhr in der Blüte ihres Lebens im Alter von erst 37 Jahren Bertha Pauline Dr. Wagner der schweren Krankheit in der ehelichen Wohnung in der Burgstrasse 33.

Zumindest empfand der hinterbliebene Gatte Dr. med. Emil Wagner ihren frühen Tod als einen   unsagbar großen Verlust und so beschloss er, durch den hundertjährigen Erwerb eines Nutzungsrechtes an der Wahlstelle No.45 in der VI. Abteilung des Südfriedhofes  und die Errichtung eines unvergänglichen Grabmales die Erinnerung an seine Eheliebste auf möglichst lange Zeiten zu bewahren.
Für 2.700 Goldmark erwarb Dr. Emil Wagner drei Tage nach dem Tod seiner Liebsten – in gleicher Stunde wurde „nachmittags um 1 ½ Uhr“ ihr Leichnam im Krematorium eingeäschert – die 27 Quadratmeter umfassende Grabstätte und beantragte am 14. Juni 1912 unter Beifügung entsprechender Zeichnungen des Leipziger Architekten Gustav Steinert die Baugenehmigung der Stadt Leipzig für die Errichtung der architektonisch einmaligen Grabmalanlage.
Auf Wunsch des zuständigen Stadtbaurates Otto Wilhelm Scharenberg wurde durch eine Zimmerei ein Modell in hölzerner Ausführung „in natürlicher Größe an Ort und Stelle“ auf der Grabstätte errichtet, welches nach dessen persönlicher Begutachtung die große Zustimmung Scharenbergs fand und somit dessen Genehmigung erhielt.

Entsprechend der am 27. Juni 1912 erteilten Baugenehmigung wurde das Fundament des Obelisken
bis in eine Tiefe von 3 Meter aus hartgebrannten Ziegeln in Zementmörtel errichtet, die seitlichen Wangen samt der vorgelagerten Stufen wurden mit Ziegelmauerwerk 1 Meter tief frostfrei gegründet.
Die vermutlich von der renommierten Steinmetzfirma F.G. Damm  errichtete Grabmalanlage einschließlich des Obelisken hat man ausschließlich aus bayrischem Muschelkalkstein gearbeitet. Sämtliche Arbeiten waren bereits am 29. August 1912 vollendet.
Der errichtete Obelisk ist in jener Zeit das seltene Beispiel einer monolithischen Spitzsäule mit pyramidalem Abschluss – er gilt als ein Siegessymbol der Freimaurer und ist gleichsam ein Bekenntnis des Logenbruders Dr. med. Emil Wagner, dessen Asche nach seinem Tode im November 1948 hier in unmittelbarer Nähe der Urne mit der Asche seiner Frau in dem vorgelagerten Rasenrondell beigesetzt wurde.

Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, Seite 174 ff.

September 2020
Grabstätte Familie Wittenberg / Fotografie: Angela Huffziger

Die Grabstätte des Städtischen Gartendirektors Carl Otto Wittenberg (1834 – 1918)

Wohl kein anderer hat sich größere Verdienste um die Entwicklung der Leipziger Parkanlagen erworben als Otto Wittenberg, der 1834 als Sohn eines Gärtners im idyllischen Dorf Caputh südlich von Potsdam geboren wurde. Nach dem Besuch der höheren Bürgerschule in Potsdam absolvierte Otto Wittenberg bei seinem Vater in der Königlich-Preußischen Landesbaumschule in Alt-Geltow und anschließend in der Gärtnerei des Parks Sanssouci eine gärtnerische Lehre. Und kein Geringerer als Peter Joseph Lenné, ab 1854 Generaldirektor der Königlich-Preußischen Gärten, wurde der große Förderer Otto Wittenbergs, dem er nach dessen Lehrzeit bereits die Leitung eines gewichtigen Teiles der Königlichen Landesbaumschule übertrug. Lenné war es auch, der schließlich dafür sorgte, dass Otto Wittenberg während der obligaten Militärzeit von 1854 bis 1857 auf der Burg Hohenzollern schöpferische Bepflanzungsarbeiten ausführen konnte, anstatt geistlosen militärischen Drill erdulden zu müssen.

Noch im Jahre 1857, am 01. Oktober, wurde Otto Wittenberg durch Vermittlung von Peter Joseph Lenné vom Rat der Stadt Leipzig als Techniker angestellt, wo er nun maßgeblich bei der Anlegung der von Lenné entworfenen Parkanlage zwischen Augustusplatz und Peterstor im südöstlichen Teil der Innenstadt wirkte. Schon im Mai 1858 ernannte der Leipziger Rat Otto Wittenberg zum Ratsgärtner. Als solcher begann er dann sofort mit der fünfjährigen Arbeit an der Umsetzung der von Peter Joseph Lenné im Auftrag des Leipziger Bankiers Wilhelm Theodor Seyfferth entworfenen bedeutenden Parkschöpfung „Johannapark“, wobei Wittenberg hier erstmals eigene gartengestalterische Akzente setzte.

Ratsgärtnermeister Otto Wittenberg / Fotografie: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

42 Jahre wirkte Otto Wittenberg als der oberste Gärtner des Leipziger Rates, der ihm als Ersten im November 1894 den Titel eines Städtischen Gartendirektors verliehen hatte. In seiner Zeit führte er das 1844 vom Leipziger Ratsgärtner Carl Friedrich Kühns begonnene Projekt „Neuer Johannisfriedhof“ bis zur Vollendung. Ebenso schuf Wittenberg den im Jahre 1881 eröffneten Leipziger Nordfriedhof. Als sein Hauptwerk aber können wir wohl durchaus den Leipziger Südfriedhof ansehen, der heute als einer der bedeutendsten Parkfriedhöfe Deutschlands gilt.

Der gebürtige Preuße Otto Wittenberg hat in Sachsen nicht nur den beruflichen Ruhm erlangt, sondern in der sächsischen Metropole auch sein Lebensglück gefunden. Er heiratete Erdmuthe Marie Dorothea geb. Rentsch, die ihm 1863 die Tochter Elisabeth und 1864 den Sohn Otto schenkte.

Im September 1900 wurde Otto Wittenberg pensioniert. Doch bereits 1905 wurde seine Frau Marie sehr krank und schwer leidend. Vermutlich war ihr baldiger Tod absehbar, denn am 21. Juli 1905 erwarb Otto Wittenberg die aus den beiden Rabattengräbern No.241 / No.242 bestehende Grabstätte in der V. Abteilung des Südfriedhofes. Die Wahl der Gräber an eben dieser Stelle erklärt sich durch den Umstand, dass sich im unmittelbaren Umfeld das Doppelgrab der Eltern seiner Frau Marie befand*. Am Abend ihres 65. Geburtstages, am 29. November 1905, starb Marie Wittenberg um 10 Uhr im Beisein ihrer Familie in der Wohnung Roßstraße 7. Sie wurde am 03. Dezember 1905 um die Mittagszeit im Rabattengrab No.242 beerdigt.

Wir können davon ausgehen, dass im Jahre 1906 im Auftrag des verwitweten Otto Wittenberg das Grabmal samt der umschließenden Einfriedung durch einen gut etablierten Leipziger Steinmetz gefertigt und errichtet wurde. Ein großer Granitstein mit rundbogigem Abschluss bildet das eigentliche Grabmal, in dessen gespitzt bearbeiteter Front eine querrechteckige Tafel aus poliertem schwarzschwedischen Granit mit der vergoldeten Inschrift „Familie Wittenberg.“ eingefügt ist.

Beidseitig vom Grabmal finden sich zwei durch Lichtfenster durchbrochene Anläufer, von deren Eckpfosten sich die seitliche Einfriedung wiederum – etwas niedriger – fortsetzte und auf diese Art die beiden Rabattengräber umschloss. Ganz sicher hat es an der Vorderseite einen mit einer Kette oder gar mit einer Pforte verschlossenen Eingang gegeben. Eine halbrund gearbeitete Granitschwelle mit gestockter Oberfläche bildete umlaufend den oberen Abschluss der einstigen Einfriedung.

Am 09. September 1918 wurde Otto Wittenberg, der vier Tage zuvor im gesegneten Alter von 84 ½ Jahren durch einen gnädigen Tod von der irdischen Welt abberufen worden war, im Rabattengrab No.241 beerdigt. Frühmorgens hatte es um ½ 8 Uhr vermutlich in der Ostkapelle des Südfriedhofes eine Trauerfeier gegeben, bei der wohl außer der Familie nur wenige Gäste zugegen waren.

Ritterkreuz des Sächsischen Zivilverdienstordens / Fotografie: Archiv Alfred E. Otto Paul – Fachbüro für Sepulkralkultur, Leipzig

Vom Tode des so verdienstvollen Städtischen Gartendirektors Otto Wittenberg erfuhr die Öffentlichkeit nur durch eine sehr bescheidene, kleine Anzeige des gleichnamigen Sohnes. Einen würdigenden Nachruf des Leipziger Rates hat es nicht gegeben. Man hatte diesen vortrefflichen Mann, diesen geistigen Enkel des großen Lenné, der um 1896 für sein Lebenswerk zum Ritter des Königlich-Sächsischen Zivilverdienstordens erhoben wurde, wohl längst vergessen.

Dreißig Jahre nach seinem Tod wurde das Grab im Jahre 1948 von den Nachgeborenen der Familie für immer aufgegeben. Wenngleich die Verwaltung des Südfriedhofes danach die Grabstätte als „Ehrengrab“ deklarierte und somit ihren künftigen Erhalt sicherte, fehlte fortan aber dennoch jede angemessene Pflege und Unterhaltung der letzten Ruhestätte des Schöpfers dieses so bedeutenden deutschen Parkfriedhofes. Man ebnete die Grabhügel ein und beseitigte weitgehend die steinerne Umfriedung der Grabstätte. Und so bot diese über lange Zeit einen äußerst traurigen Anblick und verkörperte signifikant die bewusste Vernachlässigung des Südfriedhofes in seiner überragenden kultur- und stadtgeschichtlichen Bedeutung.

In jüngster Zeit hat sich ein selbständiger Friedhofsgärtner im Rahmen einer Patenschaft dieser Grabstätte angenommen, wofür wir ihm danken wollen. Aber statt vor den auf Sandsteinkonsolen aufgesetzten schwarzschwedischen Grabplatten mit den Namen der hier Ruhenden die einstigen Hügel über den Gräbern zu erneuern und mit Blumen zu bepflanzen, bedeckt nun lediglich ein aus Pflanzen gestaltetes Lindenblatt die Grabfläche als ein Verweis auf das von Wittenberg entworfene Hauptwegenetz des Südfriedhofes. Und statt der einstigen steinernen Umfriedung markieren nun schnöde Bandeisen die Grenzen dieser Grabstätte.

Betrachtet man das unmittelbare Umfeld des Wittenberg-Grabes im Zentrum der V. Abteilung, so zeigt sich hier überdeutlich der vom Autor schon vor fünfundzwanzig Jahren postulierte Niedergang der Sepulkralkultur. Nicht nur auf die verwahrloste Grabstätte des verdienstvollen Gewandhauskapellmeisters Carl Reinicke oder des hochbedeutenden Germanisten und Goetheforschers Hermann August Korff sei zeugnishaft verwiesen, sondern auch die sich hier gefährlich dem Untergang nähernden ruinenhaften Grabmäler mahnen uns eindringlich, dieses kulturelle Erbe der Nachwelt zu erhalten.

*Südfriedhof V. Abt. 2.L.25

Entwurfsplan Parkanlage Südfriedhof, Kupferstichplatte um 1907 / Archiv Alfred E. Otto Paul – Fachbüro für Sepulkralkultur, Leipzig

Abschließend verweisen wir auf die nachfolgend veröffentliche kupferne Druckplatte mit der Darstellung des von Wittenberg geplanten Südfriedhofes als eine parkartige Anlage, deren zentrale Hauptwege sich in der Form eines Lindenblattes über die seinerzeit etwa 50 Hektar große Friedhofsfläche legen. Wittenberg erinnerte damit an die im Jahre 1015 in der Chronik des Thietmar von Merseburg ersterwähnte urbs Lipzi – Stadt der Linden. So prägt seitdem der Lindenbaum unübersehbar die Parkanlagen unserer Stadt und seine geistige Aura hat wohl kaum jemand so zu Herzen gehend beschrieben wie Hermann Hesse. Die Linde steht für Weiblichkeit; in der griechischen Mythologie ist sie der Aphrodite zugeordnet, der Göttin der sinnlichen Liebe und der Schönheit. Ihr Blatt ist ein Zeichen liebevoller Treue.

Und Liebe und Treue sollten die höchsten Güter sein, die wir in unserem Herzen tragen.

 

 

Lindenbaum Südfriedhof 2020 / Fotografie: Alfred E. Otto Paul

Hermann Hesse

Lindenblüte

Jetzt blühen wahrhaftig schon die Linden wieder, und am Abend, wenn es zu dunkeln beginnt und wenn die schwere Arbeit getan ist, kommen die Frauen und Mädchen daher, steigen an der Leiter in die Äste hinauf und pflücken sich ein Körblein voll Lindenblüten. Davon machen sie späterhin, wenn jemand krank wird und Nöte hat, einen heilsamen Tee. Sie haben recht; warum soll die Wärme, die Sonne, die Freude und der Duft dieser wundersamen Jahreszeit so ungenützt vergehen?

Warum soll nicht in Blüten oder sonstwo etwas davon verdichtet und greifbar hängenbleiben, dass wir es holen, heimtragen und später einmal in kalten und bösen Zeiten einen Trost daran haben können? Wenn man nur von allem Schönen so einen Beutel voll aufbewahren und für bedürftige Zeiten aufsparen könnte! Freilich, es wären doch nur künstliche Blumen mit künstlichem Duft.

 

Alle Tage rauscht die Fülle der Welt an uns vorüber; alle Tage blühen Blumen, strahlt das Licht, lacht die Freude. Manchmal trinken wir uns daran dankbar satt, manchmal sind wir müde und verdrießlich und mögen nichts davon wissen; immer aber umgibt uns ein Überfluss des Schönen.

Das ist das Herrliche an jeder Freude, dass sie unverdient kommt und niemals käuflich ist; sie ist frei und ein Gottesgeschenk für jedermann, wie der wehende Duft der Lindenblüte.

Ungekürzt zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, Seite 64 bis 69, Leipzig 2020

August 2020
Grabmal Len Felsberg / Fotografie: Heinz Joachim Halbach

Das Grabmal der akademischen Malerin Herta-Len Felsberg (1906- 1946)

Herta-Len Felsberg war ihr Künstlername – geboren wurde sie im Februar 1906 in Leipzig als Helene Herta Felsberg. In einem handschriftlichen Lebenslauf vom 02. Februar 1926 erwähnte sie, dass ihr Vater Gustav Adolf  Felsberg Hausmeister des Arbeitsamtes Leipzig sei. Im polizeilichen Meldeblatt wird der Vater als Markthelfer betitelt und in den Friedhofsakten als Ratsbeamter bezeichnet.
Zumindest waren es eher einfache Verhältnisse, in denen Helene Herta Felsberg aufwuchs.
Ab ihrem siebenten Lebensjahr besuchte sie die 6.Bürgerschule, aber schon nach 1½ Jahren musste sie krankheitshalber die Schule abbrechen und erhielt fortan Hausunterricht, der aber im April 1920 zeitgleich mit der Konfirmation des nunmehr 14-jährigen Mädchens endete.
Im Alter von 12 bis 15 Jahren erhielt sie Mal- und Zeichenunterricht durch G. Mayer, den Zeichenlehrer der 5.Volksschule.
Umfangreicher Schriftverkehr belegt mehrfach, dass Herta Felsberg bereits im Kindesalter in einem erheblichen Maße körperbehindert war, weshalb Aufenthalte in Privatkliniken immer wieder notwendig wurden. Als einziges Kind ihrer Eltern hatte sie deren Liebe und Fürsorge nachweisbar reichlich empfangen.

Ein vorhandenes künstlerisches Talent der jungen Frau sollte im Jahre 1926 schließlich mittels akademischer Förderung deren künftigen Lebensunterhalt sichern und ihren Lebensinhalt bestimmen.
Aber die Aufnahmeprüfung an der Leipziger Kunstakademie im März 1926 endete mit dem  Vermerk „Prüfung nicht bestanden“. Dennoch bemühte sich der Vater Adolf Felsberg sehr leidenschaftlich, seiner Tochter die Möglichkeit einer akademischen Ausbildung zu verschaffen. So nahm der bekannte Maler Professor Franz Hein unter Vorbehalt Herta Felsberg am 07. März 1927 in seine Klasse an der Leipziger Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe auf. Wohl wegen des Semesterablaufs endete schon nach vier Monaten  dieser akademische Aufenthalt am 15. Juli. Und mit dem unerwarteten Tod des 63-jährigen Professors Franz Hein am 21. Oktober 1927 taten sich letztlich für Herta Felsberg enorme Schwierigkeiten auf, die Studien an der Akademie fortzuführen.
Entsprechende Bemühungen scheiterten, weil kein Professor der Akademie bereit war, sie „in Anbetracht ihres schweren körperlichen Leidens“ in eine Klasse aufzunehmen, wie der Rektor Professor Walter Tiemann den Eltern schriftlich mitteilte.
Ein umfangreicher Schriftverkehr des von den Eltern beauftragten Leipziger Rechtsanwaltes Walter Dobbriner mit Professor Tiemann endete letztlich erfolglos, und so blieb schließlich die akademische Ausbildung der Herta Felsberg auf den erwähnten viermonatigen Zeitraum beschränkt.

Vorab auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, Seiten 82 bis 87, Leipzig 2020

Juli 2020
Grabmal Oswald Faber
Grabmal Oswald Faber / Bildhauer Wilhelm Andreas / Fotografie: Angela Huffziger

Das Grabmal des Turnpioniers Oswald Faber (1826-1908)

Oswald Faber wurde 1826 im kleinen Städtchen Lommatzsch in der Nähe von Meißen geboren, kam aber bereits als junger Mann im Alter von erst 17 Jahren nach Leipzig. Wenig später wurde er Mitglied des im gleichen Jahre in Leipzig gegründeten Allgemeinen Turnvereins ATV 1845. Oswald Faber wurde in seinem langen Leben einer der großen Protagonisten der sächsischen Sportbewegung. Schon 1846 initiierte er in diesem ältesten Leipziger Turnverein eine Turnerfeuerwehr. Und schließlich gründete er am 10. August 1863 die erste deutsche Fabrikationsstätte für Turngeräte, die er in dem damals westlich von Leipzig gelegenen Dorf Lindenau ansiedelte. Er wurde Mitbegründer des zweiten Leipziger Turnvereins TSV 1867 und im gleichen Jahr der Vorsitzende der Vorturnerschaft, ging später in die Sportgeschichte als der älteste Vorturner Deutschlands ein.

Nach seinem 80. Geburtstag aber kamen Krankheit und körperliche Schwäche über ihn, er vermochte das Haus nicht mehr zu verlassen und sein baldiges Lebensende war absehbar.

Er starb am 17. August 1908 kurz nach Mitternacht um ½ 1 Uhr, nur wenige Wochen vor seinem 82. Geburtstag. Das am Matthäikirchhof ansässige renommierte Beerdigungsinstitut des Robert Hellmann wurde mit der Organisation aller Angelegenheit im Zusammenhang mit diesem prominenten Sterbefall betraut.
Am 19. August 1908, einem Mittwoch, fand nachmittags um 5 Uhr in der Halle des Leipziger Turnvereins Westvorstadt am Frankfurter Tor eine würdige Trauerfeier für den bedeutenden sächsischen Turnpionier statt. Am Abend dieses Tages verbrachte man den Sarg zum Dresdner Bahnhof, von wo aus Oswald Fabers letzte Reise begann, die ihn in das Krematorium von Chemnitz führte.
Bereits am nächsten Tag erfolgte am Nachmittag um 5 Uhr die Feuerbestattung von Oswald Faber und wenige Tage später wurde unter großer öffentlicher Anteilnahme in einem schlichten Reihengrab mit der Bezeichnung 11.J.20 in der III. Abteilung des Südfriedhofes dessen Brandreste beigesetzt.

Der Leipziger akademische Bildhauer Wilhelm Andreas, in dessen künstlerischem Schaffen das Thema Sport eine gewichtige Rolle spielte – er selbst war viele Jahre aktiver Sportler, Gewinner von zahlreichen Preisen und Träger der Silbernen Ehrennadel des Turngaues Nordwestsachsen – , schuf das Grabmal für den verdienstvollen Pionier des Turnsports Oswald Faber.
Der schlichte Grabstein trägt ein bronzenes Rundbild mit dem Profilbildnis Fabers, über dem sich ein in den Stein gearbeitetes Turnerkreuz befindet, welches den Geist der Turnbewegung mit ihrem Wahlspruch „Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei“ verkörpert.

Auf der Rückseite des Grabsteins befindet sich eine Bronzetafel mit der erhabenen Beschriftung

IM WESEN DEUTSCH
IM HANDELN TURNERISCH
IM LEBEN VORBILDLICH

SEIN LEIPZIGER TURNVEREIN.

Die Beschriftung ist dekorativ umschlossen von Eichenlaub und dem Turnerkreuz als Zeichen dankbarer Treue seines Turnvereins TSV 1867, dessen Ehrenmitglied er war.
Die bronzenen Bildwerke tragen die Signatur des Bildhauers Wilhelm Andreas und wurden in der 1874 gegründeten renommierten Leipziger  Metallgießerei Grunert & Lehmann gegossen, die neben Baubeschlägen und diversen Bronzewaren eine breite Produktpalette aufwies und die Anerkennung als Hoflieferant des sächsischen Königs erlangt hatte.

Vorab auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen –Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, Seiten 138 bis 143, Leipzig 2020

Juni 2020
Grabstele Arnulf Bernhardt
Grabstele Arnulf Bernhardt / Bildhauer Paul Stuckenbruck / Fotografie: Heinz Joachim Halbach

Die Grabstele des Flugzeugführers Arnulf Bernhardt (1903 – 1934)

Im schönen Urnenhain des Südfriedhofes findet sich etwas versteckt von den mächtigen Ästen und Zweigen einer hundertjährigen Trauerbuche das stelenartige Grabmal für den am 07. Dezember 1934 verunglückten Flugzeugführer Arnulf Bernhardt. Es zeigt an seiner Front einen mächtigen Adler mit gewaltigen Schwingen, dessen Kopf allerdings gesenkt ist, womit er andeutet, dass sein stolzer Flug gestört wurde.

Nur wenig wissen wir zur Person des Arnulf Bernhardt zu berichten.
Er wurde am 11. Oktober 1903 als Sohn des Landmessers Gustav Bernhardt  im ostfriesischen Aurich geboren.
Offenbar hat es Arnulf Bernhardt zur Fliegerei gedrängt und er erfuhr sicherlich bei der im Jahre 1926 gegründeten Deutschen Lufthansa eine entsprechende Ausbildung zum Piloten oder Flugzeugführer, wie es damals wohl hieß.
Mit einiger Sicherheit müssen wir aber auch davon ausgehen, dass er sehr schnell Mitglied der SS wurde und eigentlich im SS-Fliegersturm beheimatet war.
Wegen der im Versailler Vertrag geregelten Beschränkungen der Reichswehr wurden bereits  in der Weimarer Republik von deutscher Seite beständig Maßnahmen praktiziert, die einer erstrebten baldigen Aufrüstung dienten, die aber gleichzeitig für die alliierten Kontrollmächte    kaum erkennbar sein sollten.
Die Zugehörigkeit des Flugzeugführers Arnulf Bernhardt zur zivilen Deutschen Lufthansa zählte zu diesen Maßnahmen, wie sein früher Fliegertod eindeutig beweist. Er starb nämlich bei einem militärischen Test- oder Trainingsflug in der Letzlinger Heide, einem im Jahre 1934 von den Nationalsozialisten im Rahmen der militärischen Aufrüstung zum Truppenübungsplatz auserkorenen, riesigen Gelände in der Altmark nördlich von Magdeburg.
Keinesfalls ist Arnulf Bernhardt, wie es den Anschein erweckt, als ziviler Flugzeugführer der Deutschen Lufthansa abgestürzt, sondern als Pilot bei einer militärischen Flugübung.

Sein Leichnam wurde nach Leipzig gebracht – eine öffentliche Bekanntmachung des Todes von Arnulf Bernhardt wurde aus besagten Gründen unterlassen; es findet sich nirgends eine der sonst üblichen Todesanzeigen. Am 12. Dezember 1934 erfolgte im Krematorium des Südfriedhofes die Einäscherung des ums Leben gekommenen 31-jährigen Piloten und am 15. Dezember 1934 wurde die Urne mit seiner Asche in eine „Gemeinschaftsnische“* mit der Bezeichnung V 19 im oberirdischen Teil des Kolumbariums eingestellt.

Im März 1935 erwarben die Eltern im Urnenhain dann das Rabattengrab No.241a. Dieses Grab gab es im offiziellen Gräberplan des Friedhofes überhaupt nicht, sondern es wurde „erfunden“, um eine besonders schöne Stelle für den abgestürzten Flieger zu beschaffen.
Der Autor geht davon aus, dass die Eltern schließlich den Leipziger akademischen Bildhauer Paul Stuckenbruck mit der Schaffung eines angemessenen Grabmales für dieses Grab beauftragt haben. Stuckenbruck hat diese Aufgabe hervorragend gelöst, indem er eine ziegelgemauerte Stele errichtete und diese allseitig umschloss mit reliefartig modellierten Eisenklinkertafeln, die an der Frontseite einen stürzenden Adler zeigen. Vielleicht sollte diese bildliche Darstellung eine gedankliche Verbindung zum „Adler von Lille“ herstellen, wie man den zum Mythos der Jugend erhobenen Träger des Pour le Merite Max Immelmann bezeichnete, dessen tapferes Fliegerleben am 18. Juni 1916 bei Annay in Frankreich endete.

Vorab zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07, Seiten 92 bis 95, Leipzig 2020

Mai 2020
Grabmal Heinrich Wolfgang Pewsner / Bildhauer Kurt Kluge / Fotografie: Heinz Joachim Halbach

Das Grabmal des Studenten Heinrich Wolfgang Pewsner (1899 –1919)

Am späten Abend des 30. Juni 1919 gegen 23 Uhr nahm sich in der Richard-Wagner-Straße 7 „der Student der Philosophie Heinrich Wolfgang Pewsner, mosaischen Glaubens“ im Alter von erst 19 ¾  Jahren sein junges Leben. Wir kennen weder die Gründe für den Freitod dieses jungen Mannes noch haben wir Kenntnis von der Art und Weise seines Selbstmordes.     
Am 04. Juli 1919 wurde der Leichnam des jungen Mannes im Leipziger Krematorium eingeäschert und die Urne mit der Asche des Heinrich Wolfgang Pewsner seiner Mutter Anna übergeben, die diese dann in ihrer Wohnung in der noblen Schwägrichenstraße 11 aufbewahrte.

Erst Ende August 1919 erwarb der Vater Hugo Pewsner im Urnenhain des Leipziger Südfriedhofes für 1000 Reichsmark ein hundertjähriges Nutzungsrecht an der Wahlstelle No.36. Reichlich zwei Wochen später beantragte der Steinmetzmeister Egid Engel im Auftrag von Frau Anna Pewsner unter Beifügung einer Zeichnung des akademischen Bildhauers Kurt Kluge die Genehmigung zur Errichtung des Grabmales aus gelbem Postaer Sandstein.
Aber der zuständige Bearbeiter im Hochbauamt verwehrte aus vermeintlich künstlerisch-ästhetischen Gründen seine Zustimmung und übersandte stattdessen einen zeichnerischen Gegenentwurf an Kurt Kluge. Erst nach äußerst energischen Protestbriefen des fassungslosen Bildhauers Kurt Kluge, der nunmehr drohte, die Presse einzuschalten und den Vorstand des Deutschen Künstlerbundes unter dem Grafen Kalkreuth auf Eddelsen von diesem Skandal künstlerischer Bevormundung zu unterrichten, lenkte der zuständige Stadtbaurat Carl James Bühring in einem Schreiben vom 08. November 1919 ein und teilte dem Bildhauer Kluge mit: „Ihr Entwurf ist ….. zur Genehmigung empfohlen worden.“.
Schließlich wurde am 15. März 1920 das durchaus avantgardistische Grabmal auf der Grabstätte Pewsner errichtet. Die Beisetzung der Asche von Heinrich Wolfgang Pewsner aber erfolgte erst Monate später, am 03. August 1920.

Der jüngere Bruder Nikolaus Pevsner wurde 1924 für seine Dissertation „Die Baukunst der Barockzeit in Leipzig“ promoviert. 1934 emigrierte er wegen des auch in Leipzig immer mehr zunehmenden Antisemitismus nach England, wo er später sein 46-bändiges Hauptwerk „Die großen Bauten Englands“ schuf.
Für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen wurde Nikolaus Pevsner im Jahre 1967 mit der Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland geehrt und 1969 erhob ihn die englische Königin Elisabeth II.  in den persönlichen Adelsstand. Sir Nikolaus Pevsner starb 1983 in London.

Vorab zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No. 07, Seiten 74 bis 77, Leipzig 2020

April 2020
Grabmal Kratzsch

Die Grabstätte des Gutsbesitzers Robert Kratzsch (1849 – 1902)

Für Robert Kratzsch aber sollte ein bürgerstolzes Denkmal errichtet werden, welches noch in hundert Jahren an ihn erinnern würde. Mit dieser Aufgabe betraute die Witwe den Leipziger Bildhauer Alfred Fränzel.
So entstand über einem kräftigen Sockel aus gestocktem Granit dieses stelenartige Grabmal aus poliertem schwarzen schwedischen Granit. Über einem mehrfach profilierten Eigensockel erhebt sich die Stele deutlich verjüngend nach oben, wo sie abschließt mit einem fast wuchtigen geschweiften Deckstein, der wiederum aber auch den Sockel für eine über einer Plinthe sich aufbauenden, wunderschönen weiblichen, weißen Marmorskulptur bildet. Es ist, wenngleich flügellos, ein engelsgleiches jungfräuliches Geschöpf mit wallendem Haar in einem faltenreichen langen Gewand, das sich barfüßig anschickt, in der Linken einen Korb haltend, mit der Rechten Blumen auf das Grab des hier beerdigten Robert Kratzsch zu streuen.
Ihr schönes Antlitz kündet durchaus von Trauer, vermittelt aber auch die schicksalhafte Frage, warum Robert Kratzsch so zeitig schon diese Welt verlassen musste.

An der Frontseite der Stele findet sich tondoartig das lebensgetreue Porträtmedaillon des Robert Kratzsch.
Mit dem Spitzeisen hat der Bildhauer im Medaillon eine innere Wölbung eingearbeitet, aus der erhaben das Bildnis des Robert Kratzsch tritt.
Der seit 1887 in Leipzig als selbständiger Bildhauermeister tätige Alfred Fränzel, der keine akademische Ausbildung erfahren hatte, lieferte mit dem Grabmal Kratzsch eine hervorragende Arbeit, die Zeugnis ablegt von seinen bemerkenswerten Fähigkeiten. Gleichsam waren auch andere Leipziger Steinmetz- und Bildhauerwerkstätten jener Jahre wie Friedrich Gustav Damm, Ernst Julius Einsiedel oder Christian Hermann Anders zur Ausführung derartig qualitätsvoller Werke imstande.
Die goldgefassten Inschriften in der Grabstele verweisen u. a. auf die innige Liebe der hinterlassenen Gattin und der Kinder sowie auf die soziale Stellung des Verstorbenen als Guts- und Hotelbesitzer.
Der Dank von Frau und Kindern sowie die charakterliche Würdigung des von Gott Abgeforderten zeigt sich auch hier in den eingearbeiteten – oftmals idealisierten – Versen

Sehr einfach war Dein Leben
Du dachtest nie an Dich
Nur für uns freudig streben
Hielst Du für Glück und Pflicht.

Wie so vielen früh verwitweten Ehefrauen war auch Alma Kratzsch geb. Bödemann eine lange Witwenschaft beschieden – es dauerte 44 Jahre, bis sie im Jahre 1946 hochbetagt aus dieser Welt abberufen wurde.

Vorab auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07 (Text urheberrechtlich geschützt)

März 2020
Grabmal des Stickereifabrikanten Arthur Wellner / Fotografie : Heinz-Joachim Halbach

Das Grabmal des Plauener Stickereifabrikanten Arthur Wellner (1861-1913)

Der Steinmetzmeister Oskar Volk, Inhaber der traditionsreichen, im Jahre 1847 gegründeten Leipziger Steinmetz- und Bildhauerwerkstatt Ernst Julius Einsiedel, hatte bereits im Frühjahr 1912 das Hauptgrabmal aus gestocktem Fichtelgebirgsgranit auf der familiären Grabstätte errichtet**. Wenngleich uns ein entsprechender Nachweis fehlt, so können wir aber mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, dass Oskar Volk vermutlich noch im Jahre 1913 das Grabmal für den tödlich verunglückten Ernst Arthur Wellner geschaffen hatte.

Über einer starken Granitplatte, die gleichsam die kleine Gruft verschließt, welche die Urne mit den Brandresten des eigeäscherten Ernst Arthur Wellner birgt, thront das sich über einem zweistufigen Sockel aufbauende Grabmal mit flächiger Politur. Eine umlaufende Hohlkehle verjüngt im oberen Abschluss den Sockel und leitet über zu einem mächtigen Syenitblock, aus dem allseitig unvergängliche, rosenblütengeschmückte Festons ausgearbeitet wurden als ein Zeichen liebevoller Verbundenheit mit dem so zeitig und unter so tragischen Umständen Abberufenen.  

Frontseitig findet sich die vertieft eingearbeitete Inschrift mit dem Namen des Verstorbenen, seinen  Lebensdaten und dem Ort seiner Geburt und seines Todes. Sehr dominant bekrönt eine steinerne Urne das Grabmal. Ihr umlaufender Fries ist der „Laufende Hund“, eine abgewandelte Form des Mäanderbandes als ein klassisches Ewigkeitssymbol. Die Urne verweist frontseitig auf die Worte des Schriftpropheten Jesaja in der Heiligen Schrift, in der es bei Jesaja 55.8 heißt:

„Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr“.

Dieses Zitat verweist darauf, dass nur Gott allein den höheren Sinn des so zeitigen Lebensendes von Ernst Arthur Wellner kennt. Der Mensch kann sich letztlich nur vertrauensvoll und zuversichtlich dem göttlichen Ratschluss unterwerfen. Er sollte nicht hadern mit dem unerwartet eingetretenen Tod, mit der göttlichen Abberufung in die Ewigkeit.

Vorab auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07 (Text urheberrechtlich geschützt)

Februar 2020
Liesel Michael Grabmal

Das Grabmal der Arzt-Ehefrau Elise Michael (1884 – 1933)

Am letzten Tag des Maienmonats 1933 starb am Abend um neun ¾ Uhr im Leipziger Städtischen Krankenhaus St. Jacob die Ehefrau des Arztes Dr. med. Otto Michael. Elise Michael, eine gebürtige Wienerin, war erst 48 Jahre alt, als sie abberufen wurde aus dieser Welt.

Die Ursache ihres so zeitigen Todes wird nirgends erwähnt – weder die Unterlagen in der Kanzlei des Südfriedhofes oder das Einäscherungsregister des Krematoriums geben uns eine Nachricht und auch die Sterbeurkunde des Standesamtes enthält keinen Hinweis. Eigenartig ist auch, dass ihr Tod nicht, wie allgemein üblich, in der Tageszeitung „Leipziger Neueste Nachrichten“ vermeldet wurde; selbst eine Danksagung fand sich dort nicht.

Am 05. Juni 1933 hatte der verwitwete Dr. Otto Michael im Urnenhain des Südfriedhofes das Rabattengrab No.338 in der XXIII. Abteilung erworben, am nachfolgenden Tag erfolgte die Feuerbestattung des Leichnams seiner Frau. Danach vergingen viele Wochen bis zur Beisetzung der Urne, die erst am 17. Juli 1933 eingesenkt wurde in dieses Grab.

Mit einiger Sicherheit können wir davon ausgehen, dass der mit einem bronzenen Bildnis versehene Grabstein aus feinkörnigem Muschelkalkstein bis zum Totensonntag des Jahres  auf der Grabstätte errichtet worden war. Wir kennen weder den Steinmetz noch den Bildhauer, der einst dieses Bildnis modelliert hatte. Dieses wurde dann in der Leipziger Bronzegießerei des Traugott Noack in der Kochstraße in Erz gegossen wurde, wie der mit bloßem Auge kaum zu erkennende Stempel am Werk bezeugt.

Die dargestellte Frau in der Blüte ihres Lebens dürfte Elise Michael sein, die mit traurigem Antlitz und ebensolcher Geste ein Lamm umarmt und liebevoll an ihren Busen drückt. Die große Trauer, die sich auf dem Bildnis ausdrückt, könnte besonders dem Abschied von ihrem Gatten, mit dem sie 23 Jahre ehelich verbunden war, und ihren beiden Söhnen Peter (*1912) und Walter (*1919) gelten.

Das Lamm im Sinne eines Agnus Dei ist wohl ein Verweis auf die religiöse Gläubigkeit der Verstorbenen, die einst als Jüdin zur christlichen Kirche konvertierte. Und das Reh im Bildnis dürfte für Ihre Glaubenszuversicht stehen, nach dem Tode einzukehren in den ewigen Garten Gottes, in das Paradies. Unter dem bronzenen Reliefbildnis verkünden bronzene Lettern in schlichter Antiqua Ihren Namen und das Datum ihrer Geburt und ihres Todes.

Vorab auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07 (Text urheberrechtlich geschützt)

Januar 2020
Grabmal des Hof-Musikalienhändlers Walter Friedel / Fotografie Angela Huffziger

Das Grabmal des Hof-Musikalienhändlers Walter Friedel (1856 – 1916)

Nur unweit von der eindrucksvollen Grabstätte der Familie des Theodor Steingräber, der im Jahre 1878 den gleichnamigen Musikalienverlag begründet hatte, finden wir die Grabstätte seiner Erben, die zu ihren Lebzeiten verdienstvoll das Werk von Theodor Steingräber fortgeführt haben.

Nachdem Theodor Steingräber im Jahre 1904 gestorben war, führte sein Schwiegersohn Walter Friedel gemeinsam mit den beiden Steingräber-Töchtern Mathilde Steingräber und Clara Friedel geb. Steingräber den renommierten Musikverlag erfolgreich weiter.

Aber bald schon, im November 1916, starb Walter Friedel viel zu früh im Alter von erst 60 Jahren.  
Seine Witwe Clara Friedel erwarb zwei Tage nach dem Tode ihres Gatten in der VII. Abteilung des Südfriedhofes für 2.700 Goldmark das hundertjährige Nutzungsrecht an der Wahlstelle No.98.
Am 13. November 1916 wurde der Leichnam des Walter Friedel im Leipziger Krematorium eingeäschert und schon am Folgetag fand in der Grabstätte die Beisetzung der Urne mit seiner Asche statt.
Sicherlich war es den schweren Zeiten des Krieges geschuldet, dass man vorerst auf die Errichtung eines standesgemäßen Grabmales verzichten musste.
Erneut kam großes Leid über die Witwe Clara Friedel, als am 08. Oktober 1918 ihre einzige Tochter Margarethe Heinrich geb. Friedel im Alter von 24 ½ Jahren, ein Jahr nach der Geburt ihres ersten Kindes Hildegard, an der Schwindsucht verstarb.
In einem gediegenen eichenen Pfostensarg wurde sie hier in ihr tiefes Grab gesenkt.

Über zehn Jahre später, am 06. November 1929, ersuchte die Witwe Clara Friedel um die Genehmigung für die Errichtung eines familiären Grabmales. Während von der traditionsreichen Leipziger Steinmetz- und Bildhauerwerkstatt F. G. Damm die Arbeiten an dem aus Muschelkalkstein gefertigten Sockel samt der frontseitigen Beschriftung mit den Namen ihres Gatten und ihrer Tochter nach einem Entwurf des Stuttgarter Kunstbildhauers Eugen Frey ausgeführt wurden, schuf Frey selbst die dann in Erz gegossene, eindrucksvolle aufgesetzte Plastik des Grabmals.
Eine sitzende Frau im langen Gewand, deren Haupt bedeckt ist mit dem Witwenschleier, beugt sich schmerzerfüllt vornüber und hält in ihrer Rechten ein aufgeschlagenes Buch. Diese Frau dürfte symbolisch Clara Friedel darstellen, die hier über den Gräbern ihres früh verstorbenen Gatten Walter Friedel und ihres einziges Kindes, der Tochter Margarethe, ergreifend trauert.
Fortan widmete sie sich dem Verlag, worauf das Buch in ihrer Hand verweist.

Vorab auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.07 (Text urheberrechtlich geschützt)