Kunstwerke des Monats 2017
Das Grabmal des Fabrikanten Carl Schwenn (1866 -1927)
Toussaint Heinrich Gustav Friedrich Carl Schwenn wurde am 17. Juli des Jahres 1866 als Spross einer Kaufmannsfamilie im norddeutschen Harburg geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung kam der Fünfundzwanzigjährige 1891 nach Leipzig, wo er ein reichliches Jahr später die um drei Jahre ältere Selma Beyer heiratete, Inhaberin einer florierenden Schmierölhandlung.
Carl Schwenn führte nun als Prokurist die Geschäfte in der Firma seiner Angetrauten, im Juni 1893 wurde die gemeinsame Tochter Elsbeth Dolores geboren.
Aber die Ehe scheint wenig glücklich gewesen zu sein, denn der junge Familienvater hielt wohl nur wenig von der Solidität kaufmännischer Geschäfte und machte offenbar erhebliche Schulden, wegen der ihm ein Gericht 1899 zu einem „Schuldencontract“ mit seiner Frau, mit der er in Gütertrennung lebte, zwang. So gelangte vermutlich auch ein dem Gatten Carl Schwenn in Lübeck gehörendes Haus in das Eigentum der Ehefrau.
Aber nicht nur als Kaufmann versagte er, sondern auch als Ehemann und Familienvater zeigte er sich wenig ehrbar. Ab 1903 lebte er getrennt von seiner Frau, wurde im gleichen Jahr wegen gewerbsmäßigem Glücksspiels und Vergehens gegen das Reichsstempelgesetz vom Landgericht Dresden zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe und zur Zahlung von 6.000 Goldmark verurteilt.
1905 wurde die Ehe vor dem Königlichen Landgericht in Leipzig „wegen Ehebruchs des Mannes“ geschieden.
Im März 1914 heiratete Carl Schwenn in seinem 48. Lebensjahr ein zweites Mal in Leipzig – diesmal die knapp 24-jährige Anna Aurelie Höfinghoff aus dem westfälischen Ergste im Kreis Iserlohn.
Und schon eine Woche später wurde den Eheleuten die gemeinsame Tochter Florence Ilse geboren.
Offenbar galten während der Jahre dieser zweiten Ehe des Carl Schwenn besondere Vereinbarungen zwischen den Eheleuten, die gut und gern als Vater und Tochter angesehen werden konnten.
Carl Schwenn bewegte sich beständig in einem Netzwerk verschiedener Firmen, denen er als Inhaber vorstand oder an denen er als Gesellschafter beteiligt war. So gehörte ihm die renommierten Schnellpressenfabrik Hugo Koch in Connewitz, ein Wäschereivertrieb in der Gottschedstraße sowie andere Unternehmungen. Darüber hinaus war Carl Schwenn zeitweilig auch der Direktor einer Grundstücksbank in Leipzig. Selbst während des Weltkrieges suchte er als Marketender das lukrative Geschäft im Felde.
Vieles deutet darauf hin, dass er nicht die Geschäfte eines bodenständigen klassischen Kaufmanns ausübte, sondern dass windige und spekulative Geschäfte mehr seinem Naturell entsprachen.
Er hatte wohl eine Spielernatur, war vermutlich auch ein Frauenheld und Lebenskünstler.
Im November 1919 wurde er erneut wegen unerlaubten Glücksspiels, diesmal vom Amtsgericht Leipzig, zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.500 Mark oder 150 Tagen Gefängnis verurteilt.
Seine Frau Aurelie, genannt Relly, scheint aber diesen turbulenten Lebensstil durchaus mitgetragen zu haben. Typisch war für Carl Schwenn auch ein beständiger Wohnungswechsel, der in den Leipziger Jahren mehr als zwanzigmal nachweisbar ist.
Im Juni 1925 bezog Carl Schwenn mit seiner jungen Gattin Aurelie die ehemalige Villa des Geheimrates Professor Tillmanns in der Wächterstraße 30, eines der prächtigsten Häuser im unmittelbaren Umfeld des Reichsgerichts. Allein schon diese feine Adresse erhob ihn in die Riege der elitären Schichten der Stadt; er zählte offenbar nach dem verlorenen Krieg und der Inflation des Geldes durchaus zu den Gewinnern spekulativer Geschäfte. Im prunkvollen Parterre dieses Neorenaissancepalastes residierte Carl Schwenn nun wie ein reicher Magnat, ein Sieger der Geschichte.
Hier erlebte er, im Zenit seines Lebens, im Juli 1926 seinen 60. Geburtstag – allerdings ohne die damals übliche kirchliche Begleitung, denn das Bündnis mit dem Herrgott hatte Carl Schwenn vermutlich schon seit langer Zeit innerlich aufgekündigt. Schon bei seiner Heirat mit Aurelie Schwenn im Jahre 1914 verzichtete er auf den kirchlichen Segen. Wenige Wochen vor seinem 60. Geburtstag im März 1926 erklärte er seinen offiziellen Kirchenaustritt, der übrigens auch für die Gattin Aurelie belegt ist.
Zu diesem Zeitpunkt aber war er dem Tode schon näher als dem Leben, das ihm nur noch für ein halbes Jahr vergönnt war.
Am frühen Morgen des 21. Januar 1927 beendete ein Herzschlag die irdische Zeit des Carl Schwenn in seinem 61. Lebensjahr.
Drei Tage später fand nachmittags, um ½ 2 Uhr, in der gewaltigen Hauptkapelle des Südfriedhofes die Totenfeier statt, an der zahlreiche Trauergäste teilnahmen, darunter auch die in den Unternehmungen des Carl Schwenn beschäftigten Arbeiter und Angestellten.
Der schwere eichene Pfostensarg mit dem Leichnam des Carl Schwenn wurde danach in der XX. Abteilung des Südfriedhofes im Rabattengrab No.127 in doppelter Grabestiefe beerdigt.*
Aber einige Wochen später, vermutlich nach Kenntnis des hinterlassenen Erbes, entschloss sich die 36-jährige Witwe Aurelie Schwenn zum Erwerb des stattlichen Erbbegräbnisses
mit der No.40 in der XVII. Abteilung des Südfriedhofes, dem teuersten Areal des Friedhofes.
In einem Schreiben vom 30. März 1927 an die Verwaltung des Friedhofsamtes bat sie im Zusammenhang mit dem hundertjährigen Grabstättenkauf um die Gewährung einer Ratenzahlung bei gleichzeitiger Verrechnung von 240 Mark, die sie bereits für die erworbenen, aber fortan überflüssigen zwei Rabattengräber gezahlt hatte.
Nachdem ihrem Wunsch entsprochen wurde, überwies sie dann innerhalb eines Jahres in drei Raten insgesamt 2.392 Mark an die Städtische Friedhofskasse.
Am 12. April 1927 erfolgte schließlich die Umbettung „der Leiche Schwenn“ in die neue Grabstätte, wiederum in doppelter Grabestiefe.
Noch im gleichen Monat beantragte der renommierte Leipziger Bildhauer Alfred Fränzel die Genehmigung für die Errichtung des Grabmales, wie es sich uns heute zeigt.
Als Material nannte Fränzel hellen bayrischen Granit, als Schöpfer der imposanten Bronzefigur erwähnte er den Münchner Bildhauer Professor Hinterher**.
Die von Alfred Fränzel genannten Kosten des Grabmales von 5.000 Mark dürften letztlich mindestens in dieser Höhe von der Witwe als Auftraggeberin gezahlt worden sein.
Das ganze Grabmal ist in der künstlerischen Formensprache der zwanziger Jahre, dem Art déco, gestaltet. Der Autor neigt jedoch zu der These, wenngleich ihm noch niemals ein entsprechendes Pendant begegnet ist, dass es sich hier um eine Katalogware handelte, die also sicherlich mehrfach gefertigt wurde, jedoch aufgrund der Kurzlebigkeit dieses Kunststils auch wieder schnell aus der Mode kam.
Auffällig ist bei der „Bronzefigur“, wie Fränzel sie bezeichnet, eine augenscheinliche Abweichung von der klassischen Bronze bei Grabmalplastiken. Dies dürfte sich ursächlich
durch die schwierige Rohstoffsituation der Nachkriegsjahre, die u.a. wegen der Reparationsleistungen an Frankreich eintrat, begründen. Notgedrungen hat man im Verhältnis der Legierung von Kupfer und Zink den Kupferanteil derart reduziert, dass hier der Eindruck entsteht, die Plastik wäre hauptsächlich aus Zink gefertigt.
Aber ungeachtet dessen entspricht diese sehr emotionale und optisch besonders ansprechende Plastik der Realsituation, wie sie sich im so unerwarteten Sterbefall des sechzigjährigen Carl Schwenn ergab. Voller verzweifelter Trauer stellt sich hier eine wunderschöne Witwe mit wallendem Haar dar, der im Alter von 36 Jahren, in der vollen Blüte ihrer weiblichen Schönheit, der geliebte Gatte genommen wurde. Die großflächig entblößte Schulter ist nur ein Attribut der insgesamt sehr erotischen Formensprache.
In der rechten Hand hält sie einen Lorbeerzweig, der ein Verweis auf das vermeintlich verdienstvolle Lebenswerk ihres so zeitig dahingeschiedenen Gatten sein soll.
Am 30. Mai 1928 waren alle Arbeiten an dem Grabmal vollendet.
Noch heute zeigen sich deutliche Spuren der ursprünglichen Politur des granitenen Gesteins, die erahnen lassen, in welch beeindruckender Pracht sich dieses Grabmal dem Besucher einst präsentiert hat.
Bereits im Jahre 1928 wählte die Witwe des verstorbenen Bankdirektors Arthur Schindler das rechtsseitig befindliche Erbbegräbnis No.41 zur letzten Ruhestätte ihres Gatten und ließ hier
wenig später eine nicht minder prächtige Grabmalanlage aus römischem Travertin mit der herrlichen Plastik eines betenden Mädchens errichten.
Wenn die Mittagssonne auf die Grabmäler Schwenn und Schindler hernieder scheint, dann eröffnen sich uns Anmut und Schönheit, Trauer und Zuversicht, Vergänglichkeit und Ewigkeit.
Die Witwe Aurelie Schwenn wohnte noch etwa zwei Jahre in den fürstlichen Gemächern der Villa Tillmanns und zog dann in eine Wohnung in der nahe gelegenen Brandvorwerkstraße.
In dieser Zeit kehrte die Liebe in der Gestalt des um 9 ½ Jahre jüngeren Kaufmanns Gerhard Frenzel wieder bei ihr ein. Aber der Tod hat den Liebenden keine lange Zeit gegönnt, denn der Galan starb in der Blüte seines Lebens im Alter von 34 Jahren und fand hier sein Grab.
Ihren Lebensunterhalt verdiente Aurelie Schwenn als Alleininhaberin eines Wettbüros in der Katharinenstraße. Kurz vor Weihnachten 1941 heiratete schließlich die nunmehr schon über fünfzigjährige Aurelie Schwenn den um 14 Jahre jüngeren Kaufmann Walter Willnow***, ihren Mitarbeiter in der Firma.
Aber auch dieser späten Liebe war keine lange Dauer beschieden, denn schon im Frühjahr 1949 starb Aurelie Willnow verw. Schwenn geb. Höfinghoff im Alter von knapp 59 Jahren. Gemäß ihres letzten Wunsches wurde ihr Sarg eingesenkt in das Grab ihres ersten Gatten Carl Schwenn.
Und so sind sie bis heute in diesem Grabe im Tode vereint.
Dem zweiten Ehemann der Aurelie Schwenn, Walter Willnow, war ein relativ langes Leben beschieden. Er starb erst nach dreißigjähriger Witwerschaft im Jahre 1979, bevor seine Asche hier beigesetzt wurde.
Marginal :
*Die Witwe Aurelie Schwenn hatte zuvor die beiden Rabattengräber No.127 / 128 erworben
** Es scheint hier, dass irrtümlich ein falscher Name genannt wurde. Gemeint war vermutlich Prof. Josef Hinterseher
*** Walter Willnow (1904-1979)
Fotos: Angela Huffziger
Der Artikel ist ungekürzt entnommen aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.06 Seite 16 ff.
Die Grabstätte des Tapetenfabrikanten
Emil Zilling (1860 –1929)
Die im Jahre 1873 in Plagwitz gegründete »Tapetenfabrik Langhammer und Söhne« entwickelte sich später als Firma »R. Langhammer Nachf. Emil Zilling« zur zweitgrößten Tapetenfabrik innerhalb des deutschen Kaiserreiches.
Emil Zilling gelangte durch seine Heirat mit Marie Langhammer, der Tochter des Firmengründers Robert Langhammer, in den Besitz der Fabrik.
Zuvor aber arbeitete Emil Zilling als angestellter Kaufmann in der Firma seines Schwiegervaters und erst im Jahre 1894 wurde er nachweislich Prokurist der Tapetenfabrik.
Zu dieser Zeit, in der Marie Zilling bereits vier Kinder auf die Welt gebracht hatte, lebte man in soliden Verhältnissen in einem stattlichen gründerzeitlichen Hause in der Weißenfelser Straße, nur unweit von der Fabrik in der Zschocherschen Straße.
Nach der Übernahme der Tapetenfabrik durch Emil Zilling begann dann die große Erfolgsgeschichte dieses Unternehmens. Innerhalb des Verbandes der deutschen Tapetenfabrikanten wählte man den aufstrebenden Zilling recht bald zu dessen 1. Vorsitzenden.
Zillings Welt war ebenso vom wirtschaftlichen Erfolg der Gründerzeit geprägt wie auch von der ergebenen Treue zum sächsischen König und zum deutschen Kaiser. In diesem Geiste wuchsen schließlich auch die beiden Söhne und die beiden Töchter auf, die wiederum durch standesgemäße Einheiratung in einflussreiche Familien wie Schaub, Mannborg und Geipel den sozialen Klassenerhalt auch künftig sicherten.
Der zweitgeborene Sohn Emil Friedrich Zilling war noch unverheiratet, als sein junges Leben auf tragische Weise endete. Nach einem erfolgreichen Studium bereitete er sich als Referendar auf die juristische Beamtenlaufbahn vor, als plötzlich der unheilvolle Erste Weltkrieg begann und er als Leutnant dem Reserve-Infanterieregiment No. 36 zugeordnet wurde. Dieses Regiment wurde bereits in den ersten Augusttagen 1914 im Raum Halle, Dessau und Bernburg aufgestellt und sofort an die Westfront entsandt.
Emil Friedrich Zilling kam dann zur fliegenden Truppe und gehörte zur Kampfstaffel S2 der elitären »Jagdstaffel Oberste Heeresleitung«. Als er am 25. Juli 1916 als Beobachter im Jagdflugzeug des Unteroffiziers Georg Röder über Ancourt l´Ablage an der Somme flog, wurde die Maschine während des Fluges, wie ein Augenzeuge berichtete, von einer Granate getroffen und stürzte rettungslos verloren in die Tiefe. Der Pilot Georg Röder als auch der Beobachter Fritz Zilling, beide waren im Oktober 1890 geboren, fanden im Alter von nur 25 Jahren den Heldentod, wie es damals so hieß.
Während der Pilot Georg Röder auf dem Soldatenfriedhof Neuville St. Vaast sein Grab fand, wurden die sterblichen Überreste von Fritz Zilling durch die Initiative seines Vaters, des Fabrikbesitzers Emil Zilling, nach Leipzig überführt.
Am 03. August 1916 erfolgte in der wenige Tage zuvor von Emil Zilling für 2.700 Goldmark erworbenen Wahlgrabstätte No. 92 in der XII. Abteilung des Südfriedhofes, am Fuße des Völkerschlachtdenkmales, die Beerdigung des hochdekorierten Fliegeroffiziers Fritz Zilling.
Erst als der sinnlose Krieg verloren und das Deutsche Kaiserreich untergegangen war, fand sich die späte Möglichkeit zur Errichtung eines Denkmales für den dem Vaterland geopferten Fritz Zilling.
Am 05. April 1919 beantragte der Fabrikbesitzer Emil Zilling die Errichtung des vom namhaften Leipziger Architekten Otto Paul Burghardt entworfenen Denkmals, dessen Fertigstellung schließlich für den Januar 1920 belegt ist.
Unmittelbar vor dem Obelisken, in der Mitte des dreiteiligen Grabmales aus dunklem schwedischen Granit, befand sich der beschriftete Erinnerungsstein für Fritz Zilling, geschmückt mit einem bronzenen Eichenlaubkranz, der als ein Ruhmessymbol von einem zerbrochenen Propeller und einem Säbel bedeckt wurde und in dessen Mitte der Militärhelm, die sogenannte »Pickelhaube«, thronte. Frontseitig hing einst am Eichenlaubkranz als ein Verweis auf die Tapferkeit des Fritz Zilling die hohe Auszeichnung des ihm verliehenen Eisernen Kreuzes 1. Klasse. *
* Die Pickelhaube und das Eiserne Kreuz haben ehrlose Gesellen um 1990 gestohlen
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.06 S. 90 ff.
Das Grabmal des Erbauers des Völkerschlachtdenkmales
Kommerzienrat Dr. Ing. h.c. Rudolf Wolle (1864 – 1933)
Rudolf Wolle zählte durch sein Lebenswerk zu den prominentesten Persönlichkeiten Leipzigs und so erschien am 06. Dezember 1933, zwei Tage nach seinem zeitigen Tode, in den „Leipziger Neuesten Nachrichten“ ein angemessener Nekrolog auf diesen bedeutenden Baumeister, den Erbauer des Leipziger Völkerschlachtdenkmals, das er titanenhaft „restlos allein“ errichtet hatte, wie man im Nachruf deutlich betonte.
Als nach fünfzehnjähriger Bauzeit das Völkerschlachtdenkmal, das größte europäische Denkmalbauwerk, vollendet war und die euphorischen Feiern anlässlich des hundertjährigen Siegesjubiläums der Völkerschlacht begannen, erhielt Rudolf Wolle den gnädigen Dankesbeweis des Königs Friedrich August III. von Sachsen, der ihn zum Königlich Sächsischen Kommerzienrat ernannte.
Aber nicht nur durch die Erbauung des Völkerschlachtdenkmals hatte Rudolf Wolle seinen Ruhm seinerzeit begründet. Vielmehr bezeugen das von ihm im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Leipzig im Jahre 1913 errichtete Pantheon* sowie zahlreiche bedeutende Brückenbauwerke in Sachsen bis in unsere Tage die Meisterschaft des Rudolf Wolle, der sich am Vorabend des I. Weltkrieges im Zenit seiner Karriere als einer der bedeutendsten Pioniere des Eisenbetonbaus befand. So war er neben Max Pommer auch maßgeblich am Eisenbetonbau des Leipziger Hauptbahnhofes beteiligt.
Und auch in seinen ganz privaten Verhältnissen beschien ihn das Glück und die Zukunft, denn seine Ehe war gesegnet mit drei Söhnen und zwei Töchtern. Außerdem war Rudolf Wolle im Jahre 1910 dem Bruderbund beigetreten, der ihn so über alle Maßen protegiert hatte, wie wir der Matrikel No.1760 der Freimaurerloge „Apollo“, die seine Mitgliedschaft bezeugt, entnehmen können. **
Als Rudolf Wolle im Februar 1914 seinen 50. Geburtstag feierte, konnte er nicht ahnen, dass er sehr bald schon die Gunst des Schicksals verlieren wird.
Am 18. September 1915 fiel sein erstgeborener Sohn Johann Friedrich Karl als Einjährig Freiwilliger des Leipziger Infanterieregimentes No.107 im Alter von erst zwanzig Jahren in den Kämpfen bei Wilia an der Ostfront. Erst Monate später gelang es Rudolf Wolle, seinen in fremder Erde ruhenden Sohn heimzuholen in die Leipziger Heimat.
Der Leichnam des Sohnes wurde am 07. März 1916 in dem von Rudolf Wolle wenige Tage zuvor für 2.700 Goldmark erworbenen Erbbegräbnis No.82 in der XII. Abteilung des Südfriedhofes, am Fuße des Völkerschlachtdenkmales, beerdigt.
Im Jahre 1917 forderte der Tod schließlich den Studenten Friedrich Wilhelm Otto Wolle im Alter von 19 ½ Jahren ein, den zweiten Sohn des Rudolf Wolle, der am Abend des 23. August im schweizerischen Chur nach einem sechswöchigen Krankenlager „infolge Herzlähmung“ starb.
Nachdem dieser Sohn in einem schweren Eichensarg mit Zinkeinsatz in seine Vaterstadt überführt worden war, fand am 05. September, nachmittags 4 Uhr, in der Hauptkapelle des Südfriedhofes die Totenfeier und anschließend das Begräbnis in der noch so jungen Grabstätte der Familie Wolle statt.
Eineinhalb Jahre später musste Rudolf Wolle den Kelch erneut leeren, als am 06. Februar 1919 seine geliebte „Kommerzienrats-Ehefrau“ Henriette Elise Eleonore Wolle im Alter von erst 53 Jahren starb. Vier Tage später wurde auch sie in der Grabstätte beerdigt und war nun im Tode mit ihren beiden vorangegangenen Söhnen wieder vereint.
Im zeitigen Frühjahr des Jahres 1919, am 07. April, ersuchte der nunmehr verwitwete Kommerzienrat Rudolf Wolle um die Genehmigung zur Errichtung eines monumentalen Grabmales über den Grabesstätten seiner hier ruhenden Lieben.
Ende Mai 1919 dürften die Arbeiten zur Errichtung des Fundamentes aus Stampfbeton begonnen worden sein.
Aus bayrischem Muschelkalkstein baut sich schließlich über einem zweistufigen Sockel ein mächtiges Bildwerk auf, dessen Botschaft allerdings nur vage zu deuten ist.
Unübersehbar ist die Totenklage durch familiäre Angehörige – gemeint sind hier wohl die beiden Töchter des Rudolf Wolle. Im Zentrum des aus zahlreichen Segmentblöcken zusammengefügten figürlichen Halbreliefs erkennen wir eine mit einem Trauerschleier bedeckte Frau, die wir recht sicher als die Mutter, die einst um ihre beiden so früh dahingegangenen Söhne trauerte, deuten. Gleichsam dürfte aber der unmittelbar neben der Mutterfigur so kraftvoll schreitende nackte Jüngling als Symbol der Auferstehung zu interpretieren sein, als eine gläubige Verkündigung des christlichen Dogmas der Unsterblichkeit der Seele und des ewigen Lebens.
Die künstlerische Autorenschaft ist für das Grabmal der Familie Wolle nicht belegt, jedoch verweisen der Duktus des Werkes und viele andere Faktoren mit größter Wahrscheinlichkeit auf den bedeutenden Leipziger akademischen Bildhauer Alfred Thiele (1886 – 1957).
Am 18. November 1920, drei Tage vor dem Totensonntag, waren alle Arbeiten am Grabmal und an der Grabstätte abgeschlossen. Unmittelbar am Tage nach der Fertigstellung des Grabmals wurde dem Königlich Sächsischen Kommerzienrat Rudolf Wolle die Ehrendoktorwürde eines Dr.-Ing. h.c. der Technischen Hochschule Braunschweig verliehen.
Wenige Wochen nach seinem 60. Geburtstag nahm ihm der unerbittliche Tod am 20. April 1924 auch noch den letzten Sohn, den Studenten Helmuth Rudolf Fritz Wolle, dessen Leben „durch einen Unglücksfall früh am Ostermorgen im Alter von 19 ½ Jahren“ endete.
Mit ihm, der drei Tage später hier begraben wurde, war die Nachkommenschaft des Rudolf Wolle im Mannesstamm endgültig erloschen.
So war das letzte Lebensdrittel des Rudolf Wolle gezeichnet von viel Fluch und wenig Segen.
Der Königlich Sächsische Kommerzienrat Dr.-Ing. h.c. Rudolf Wolle, Inhaber hoher Orden, starb am 04. Dezember 1933 in Leipzig nach einer kurzen Leidenszeit im Alter von fast siebzig Jahren.
In verschiedenen Auszügen zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.06 Seite 44 ff.
Das Grabmal des Leutnants Erich Lange (1895-1918)
Wilhelm Erich Lange war der einzige Sohn des wohlhabenden Kaufmanns Gustav Lange, der als alleiniger Inhaber der renommierten Leipziger Firma „Straßburger Hutbazar“ im Grimmaischen Steinweg 15, wo er mit seiner Familie wohnte, sein Geschäft betrieb.
Später zog man dann in die Frickestraße 4 im Stadtteil Gohlis, einer gutbürgerlichen Wohngegend.
Erich Lange war im väterlichen Geschäft als Handlungsgehilfe tätig, als der I. Weltkrieg ausbrach, in den wohl auch er mit glühender vaterländischer Gesinnung gegen all die Feinde des Reiches gezogen ist.
Er brachte es schließlich bis zum Leutnant in der 3. Kompanie des Königlich-Sächsischen 2. Fußartillerie-Regiments No.19.
Im Sommer des letzten Kriegsjahres, am 16. Juli 1918, fiel der 23- jährige Leutnant Erich Lange bereits einen Tag nach dem deutschen Beginn der Zweiten Schlacht an der Marne, bei der aber schon am 18. Juli 1918 die Initiative endgültig auf die Franzosen und ihre Verbündeten überging.
Am Ende dieser für Frankreich siegreichen, sehr kriegsentscheidenden Schlacht beliefen sich die deutschen Verluste im August 1918 auf die gigantische Zahl von 168.000 Soldaten.
Fast könnte man da meinen, Erich Lange hätte Glück gehabt mit seinem so frühen Tode gleich zu Beginn dieses Massensterbens in dieser Schlacht mit ihren apokalyptischen Dimensionen. *
Am 29. Juli 1918 erwarb der Kaufmann Gustav Lange in der XIII. Abteilung des Südfriedhofes für 1.300 Goldmark das hundertjährige Nutzungsrecht am Erbbegräbnis No.03.
Einen Tag später verkündete die Familie in einer Anzeige in den Leipziger Neuesten Nachrichten den Tod des Sohnes mit den ergreifenden Worten
„Heute wurde uns die furchtbare Nachricht zur Gewissheit, dass am 16. ds.M. unser einziger, heissgeliebter, hoffnungsvoller und edler Sohn, mein herzensguter, unvergesslicher Bruder, mein lieber Enkel, Neffe und Vetter
Wilhelm Erich Lange
Inhaber des Eisernen Kreuzes, Leutnant in einem Artillerie-Regiment
bei den Kämpfen im Westen gefallen ist.“
Etwa zeitgleich hatte Gustav Lange den bedeutenden Bildhauer Prof. Adolf Lehnert, den Leiter der Bildhauerklasse an der Leipziger Kunstakademie, für die Errichtung eines Grabmales für den gefallenen Sohn gewinnen können. Sehr ungewöhnlich ist der Umstand, dass sich der in jener Zeit mit Aufträgen überhäufte Lehnert dieses Auftrages sofort annahm und sich prompt ans Werk machte.
Bereits am 20. September 1918 ersuchte der Kaufmann Gustav Lange unter Beifügung einer Originalzeichnung von Professor Lehnert um die Genehmigung zur Errichtung des Denkmales für den gefallenen Leutnant, die dann schon fünf Tage später erteilt wurde.
Wir können davon ausgehen, dass in diesem konkreten Fall das Grabmal in Form eines gewaltigen Findlings recht zeitnah, wohl in der ersten Dekade des Monats Oktober 1918, errichtet wurde.
Der etwa drei Meter hohe Felsblock war mit einem kreisrunden, bronzenen Bildnis des Leutnants in der authentischen Uniform eines Offiziers des Fußartillerie-Regiments No.19 geziert.
Wie die Signatur in dem erhabenen Bronzebildnis verkündet, ist dies eine Arbeit des Bildhauers Professor Adolf Lehnert und stellt unzweifelhaft ein Unikat dar. Gegossen wurde das Werk mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in der Leipziger Bronzebildgießerei Traugott Noack.
Zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No. 06 S.68 ff.
Die Grabstätte des Brandversicherungs-Oberinspektors Volkmar Schöne
(1829 -1899)
Es dürfte in Europa wohl kaum eine Stadt geben, die in ihren historischen Annalen nicht auf gewaltige Feuersbrünste verweisen kann, welche mitunter nahezu die ganze Stadt in Schutt und Asche legten. Schließlich etablierten sich dann besonders seit dem 18. Jahrhundert europaweit Brandversicherungsanstalten, die im Schadensfall den Betroffenen zumindest vor der schlimmsten Not bewahren konnten. So gab es auch in Leipzig neben privaten Brandversicherungsinstituten eine entsprechende Behörde, das sogenannte Brandversicherungsamt.
Der im Jahre 1829 geborene Johann Volkmar Schöne war offenbar sein Leben lang auf diesem Felde tätig, denn in späten Jahren, als er längst das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, wurde er zum Brandversicherungs-Oberinspektor befördert und war damit der Leiter mehrerer regionaler Versicherungsbezirke im Bereich der Amtshauptmannschaft Leipzig.*
Ein halbes Jahr vor seinem siebzigsten Geburtstag erwarb der Oberinspektor Schöne am 28. Oktober 1898 vorsorglich das Nutzungsrecht für die in der III. Abteilung des Südfriedhofes gelegenen Rabattengräber No.140 und No.141. Ein reichliches Jahr später, am 29. Dezember 1899, starb er im Alter von 70 Jahren, 8 Monaten und 3 Tagen. Und wie seinerzeit üblich, wurde er drei Tage darauf, am zweiten Tage des beginnenden neuen Jahrhunderts, beerdigt. Noch in jenem Jahre 1900 wurde ihm dann der Denkstein gesetzt, ein bearbeiteter Findling, versehen mit dem bronzenen Bildnismedaillon des verstorbenen Volkmar Schöne.
Während sich weder eine Signatur noch ein Monogramm an dem erzenen Bildnis findet, ist uns auch zur Gussstätte kein Hinweis vergönnt. Aber es ist denkbar, dass dieses Werk in der am 01. Juli 1899 gegründeten Leipziger Gießhütte des Traugott Noack entstand, wenngleich wir aber auch die Leipziger Glocken- und Kunstgießerei G.A. Jauck als Gussstätte nicht ausschließen können.
An der bürgerlichen Tracht des hier dargestellten Brandversicherungs-Oberinspektors Volkmar Schöne findet sich am Revers eine Spange, die darauf verweist, dass er zu Lebzeiten für seine Verdienste mit dem Königl.-Sächsischen Verdienstorden II. Classe geehrt wurde.
Nachdem im Juli 1904 seine um fast elf Jahre jüngere Witwe Selma Schöne in Köhra gestorben war, wurde sie hier neben ihrem Gatten zur letzten Ruhe gebettet.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.06 S. 50 ff.
Das Grabmal des Dr. med. Hermann Tostlöwe (1862-1929)
Die Vorfahren des Leipziger Arztes Dr. med. Hermann Tostlöwe entstammten den ländlichen Regionen um Leipzig – so auch Gottlieb Tostlöwe, der Schmied von Böhlitz, dessen kulturgeschichtlich interessanter Briefwechsel mit dem Pietisten Hermann August Francke, dem Begründer der Franckeschen Stiftungen in Halle, sich seit seiner Entstehung im frühen 18. Jahrhundert bis heute erhalten hat.
Hundert Jahre später war es der Schmied von Güldengossa namens Tostlöwe, unter dessen Dach der Kaiser der Franzosen nach der gewaltigen Reiterschlacht von Wachau im Oktober 1813 logiert hat, wenn man den Überlieferungen glauben kann.
Dr.med. Hermann Tostlöwe, der am 03. Juni 1862 in Probstheida geboren wurde, wohnte in Leipzig-Stötteritz und war ein von der Bevölkerung hochverehrte Arzt und Geburtshelfer. Nach Studium und Promotion heiratete er im August 1891 in Gohlis die um fast elf Jahre jüngere Maria Ernestine Wilhelmine Lüdecke. 1892 wurde der Sohn Walter, 1894 der Sohn Leopold geboren und 1897 kamen die Zwillinge Irene und Esther auf die Welt. Und schließlich wurde am 12. August 1908 als Nachzügler der Sohn Heinz geboren; aber dessen Geburt war wohl auch die Ursache des frühen Todes der Mutter Maria Tostlöwe, deren Leben im Alter von nur 35 Jahren am 11. September 1908 erlosch.
So erwarb der Dr. med. Hermann Tostlöwe am 14. September 1908 in der XIII. Abteilung des Südfriedhofes die beiden Rabattengräber No.61 und No.62. Einen Tag später wurde unter den Tränen zweier Söhne und zweier Töchter die geliebte Mutter und Gattin beerdigt.
Aber auch dem Kinde Heinz war nur ein kurzes Erdenleben beschieden, denn am 25. April 1909 vormittags um 10 Uhr „verschied unser lieber kleiner Heinz“, wie es in der Todesvermeldung hieß.
Das kleine Söhnchen wurde drei Tage später nachmittags um 4 Uhr zur Mutter in das Grab* gesenkt.
Im gleichen Jahr dürfte die Errichtung des Grabmales erfolgt sein, dessen bronzene Plastik das große Leid sehr ergreifend erfühlen lässt, das sich über die Familie gelegt hatte.
Wir können nicht sagen, welche Leipziger Werkstatt das Grabmal gefertigt und errichtet hat, aber wir wissen sehr wohl vom Schöpfer dieser das Herz berührenden Plastik, Heinrich Pohlmann, zu berichten.
Als Grabmalschöpfer war Heinrich Pohlmann einer der begehrtesten Künstlerpartner der Württembergischen Metallwarenfabrik WMF, deren Abteilung Galvanoplastik diese am Grabmal der Familie Tostlöwe befindliche Plastik über viele Jahre in ihrem Katalog unter der No.847 anbot. So finden wir diese in der WMF galvanotechnisch als Hohlplastik gefertigte Arbeit noch heute auf zahlreichen Friedhöfen, und zwar nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern auch in Ländern Westeuropas und Skandinaviens.
Das Grabmal der Familie Tostlöwe wurde in einer Leipziger Steinmetzwerkstatt aus solidem einheimischen Granitgestein gefertigt. Im Mittelteil thront über einem kräftigen Doppelsockel, dominierend auf eigenem Unterbau, das Kreuz mit seiner erlösenden christlichen Botschaft.
Auf den beiden seitlichen, volutengeschmückten Anläufern findet sich jeweils eine querrechteckige, erhaben ausgearbeitete Patte mit geschweiftem oberen Abschluss. Auf diesen Patten waren einst die Namen der in der Grabstätte bestatteten Toten der Familie Tostlöwe vertieft eingearbeitet.
In Auszügen zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No. 06 S.62 ff.
Die Grabstätte des Baumeisters Franz Wendt (1851 – 1926)
Franz Ludwig Wendt wurde im Jahre 1851 im kleinen Dorf Gotha bei Eilenburg geboren. Spätestens 1875 dürfte er die aus Berlin stammende Anna Marie Mathilde Albertine Reimann geheiratet haben.
Nach einer entsprechenden Ausbildung gründete er 1877 ein Baugeschäft, welches sich später dauerhaft in Leipzig-Volkmarsdorf in der Mariannenstraße 95 etablierte.
Mit Hoch- und Tiefbauarbeiten und auch im Eisenbetonbau verdiente er nicht nur in den gründerzeitlichen Jahren, sondern auch in der Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts, zumindest bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, reichlich Geld, so dass die Familie entsprechend wohlsituiert war.
Die fünf Kinder, zwei Söhne und drei Töchter, wurden gut verheiratet.
Der erstgeborene Sohn Franz studierte die Rechte und arbeitete in Leipzig als angesehener Notar und Rechtsanwalt, die Tochter Johanna heiratete einen promovierten Juristen, die Tochter Margarethe wurde die Gemahlin eines höheren Offiziers, die Tochter Helene heiratete einen wohlhabenden Hamburger Kaufmann, mit dem sie später nach Bombay übersiedelte, und der jüngere Sohn Walter wurde diplomierter Bauingenieur und übernahm später die einträgliche Firma.
Ein Landsitz am Großsteinberger See und eine herrschaftliche Villa am Kickerlingsberg im Leipziger Stadtteil Gohlis zählten zu den Früchten jahrzehntelanger unternehmerischer Arbeit des tüchtigen Franz Wendt.
Am 09. November 1916, am Vorabend ihres 64. Geburtstages, starb „nach langem, mit unendlicher Geduld ertragenen Leiden“ Anna Wendt, die Ehefrau des Baumeisters Franz Wendt. Nach der Einäscherung ihres Leichnams erwarb Franz Wendt eine Nische im Kolumbarium des Südfriedhofes, wo er die Asche seiner geliebten Frau verwahrte.
Knapp zehn Jahre später starb der totkranke Baumeister Franz Wendt während eines Kuraufenthaltes im bayrischen Bad Wiessee. Dort erlitt er, im Liegestuhl liegend, den plötzlichen Herztod. Sein Leichnam wurde nach Leipzig überführt, wo nach der Trauerfeier auf dem Südfriedhof am 02. Juni 1926 im dortigen Krematorium um ½ 11 Uhr die Einäscherung des Toten begann. Auch seine Asche wurde dann in der erwähnten Nische des Leipziger Kolumbariums beigesetzt.
Und noch im Todesjahr von Franz Wendt starb am Silvestertag dessen erstgeborener Sohn Franz, der Rechtsanwalt, im Alter von erst fünfzig Jahren im Leipziger Krankenhaus St. Georg. Seine Asche gelangte anschließend zu den Aschen seiner Eltern.
Noch zu seinen Lebzeiten hatte der Baumeister Franz Wendt im Frühjahr 1918 in der XV. Abteilung des Südfriedhofes für hundert Jahre das Erbbegräbnis No.38 erworben.
Diese Grabstätte wollte im Jahre 1927, nachdem Mutter, Vater und Bruder bereits gestorben waren,
der jüngste Sohn Walter Wendt nun als künftige familiäre Ruhestätte nutzen, sodass er am 13. Juni 1927 die Genehmigung für die geplante Errichtung einer Urnengruft beantragte. Nachdem innerhalb weniger Tage die erbetene Baugenehmigung erteilt worden war, fand nun unverzüglich die Errichtung der 45 cm tiefen Urnengruft in den Abmessungen 90 cm x 30 cm statt. Bereits am 27. Juni 1927 erfolgte die Beisetzung der aus dem Kolumbarium hierher überführten drei Urnen mit der Asche der Eltern und des Bruders von Walter Wendt.
Anschließend wurde die Urnengruft mit 8 cm starken Zementdielen verschlossen und mit einer 60 cm starken Erdschicht überdeckt.
Im Juli 1932 erfolgte dann die Aufstellung eines Denkmals, auf dessen Sockel aus gelblichem fränkischen Muschelkalkstein sich eine prächtige Skulptur aus Laaser Marmor befindet. Die Kosten dieses hervorragenden Grabmales, dessen Gewicht der Leipziger Bildhauer Professor Felix Pfeifer auf 50 Zentner festlegte, beliefen sich auf 9.000 Mark. Wenige Tage nach der erfolgten Errichtung des Grabmales erwarb der Grabstätteninhaber Walter Wendt eine Zusatzfläche von 5 Quadratmeter, um die räumliche Tiefe der Grabstätte um einen Meter zu erweitern und damit die optische Wirkung der marmornen Skulptur zu erhöhen.
Möchte man nun diese Grabskulptur erklären, dann sind verschiedene Interpretationen möglich. Am ehesten denkbar erscheint uns nach sorgfältiger Abwägung, die auch eine Darstellung der trauernden Witwe des 1926 verstorbenen Rechtsanwaltes Franz Wendt, Meta Wendt, nicht ausschließen will, die idealisierte Darstellung der 1916 verstorbenen Baumeisters-Ehefrau Anna in der Botschaft ihrer Auferstehung.
Aber die endgültige Gewissheit wird uns wegen der dürftigen Quellenlage wohl für immer verwehrt bleiben, sodass wir angehalten sind, dieses herrliche Pfeifer´sche Werk in kreativer Auseinandersetzung eigens auszudeuten.
Unbedingt aber können wir diese Skulptur, die ja gleichermaßen auch eine der letzten großen Zeugnisse der Grabmalkunst vor dem dann sehr bald einsetzenden Kunstdiktat im Dritten Reich ist, zu den besten Arbeiten zählen, die sich heute noch auf unseren Leipziger Friedhöfen finden.
Nur noch schwach lesbar ist die in die Plinthe eingemeißelte Inschrift „FELIX PFEIFER fec. 1932“, welche das Werk als ein Unikat ausweist, als ein einmaliges Auftragswerk.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstwerke auf Leipziger Friedhöfen“
Band No.06, Seite 96 ff.
Der Kaufmann Ernst Langhoff (1868–1931)
In einer der zahlreichen Anzeigen, die am 05. August 1931 in den Leipziger Zeitungen den Tod des Kaufmanns Ernst Langhoff verkündeten, wird auf eine lange und schwere Leidenszeit des Verstorbenen verwiesen. Und offenbar ließ der Tod sich wirklich Zeit mit der Erfüllung seiner traurigen Mission, dennnachdem Johanna Langhoff am 05. April 1931 in der XVIII. Abteilung des Südfriedhofes für 3600 Reichsmark ein hundertjähriges Nutzungsrecht an der Wahlstelle No.310 erworben hatte, vergingen noch einige Monate, bis der Leidensweg ihres Gatten endlich am 03. August 1931 endete.
Der Königlich Sächsische Kommerzienrat Paul Knaur, dessen im Jahre 1880 gegründete Leipziger Tuchhandlung zum größten deutschen „Spezialgeschäft in Tuchen und Buckskins“ aufgestiegen war, erinnerte in seiner Anzeige an eine 37-jährige Teilhaberschaft des verstorbenen Ernst Langhoff als geschätzten Mitinhaber der Firma.
Also war Ernst Langhoff einst nach solider kaufmännischer Ausbildung im Alter von erst 26 Jahren als Mitinhaber in das Tuchhaus des Paul Knaur eingetreten und hatte ganz sicher große Verdienste um den bemerkenswerten Erfolg der Firma.
Mit dem Begräbnis wurde das renommierte, am Leipziger Matthäikirchhof ansässige Beerdigungsinstitut Ritter beauftragt. Am 07.August 1931, einem Freitag, begann um 11 Uhr in der prächtigen Hauptkapelle des Südfriedhofes die Trauerfeier für den Verstorbenen, begleitet von den Klängen der imposanten Jehmlich-Orgel. Anschließend wurde der schwere Eichensarg, der den in einem Zinksarg ruhenden Toten umschloss, zur gewählten letzten Ruhestätte getragen und eingesenkt in das Grab.
Ein reichliches Jahr später, im Oktober 1932, beantragte der Leipziger Bildhauer Paul Stuckenbruck die Aufstellung einer überlebensgroßen Skulptur aus römischem Travertin, einen Merkur darstellend. Das Gewicht seines Werkes samt Sockel gab Stuckenbruck mit 80 Zentner an.
4.000 Reichsmark erhielt Paul Stuckenbruck nach eigener Aussage für diese eindrucksvolle Arbeit.*
Die Wahl der Darstellung eines Merkurs über diesem Grabe ist eindeutig ein Verweis auf die Profession des Kaufmanns Ernst Langhoff. Dem römischen Gott Merkur hat man in der Mythologie ja sehr zahlreiche Patronate zugewiesen, wobei sich uns hier konkret der Gott der Kaufleute und des Handels, der wohl auch dem hier im Grabe Ruhenden zeitlebens segensreich zur Seite gestanden hatte, zeigt.
Allerdings verweist nur das Attribut des geflügelten Helmes auf Merkur, während der signifikante Caduceus, der Merkurstab, fehlt. Der Künstler Paul Stuckenbruck stellt hier den Merkur auch als einen Trauernden dar, gehüllt in einen Umhang, die Füße mit Schuhwerk versehen. Sicher will Stuckenbruck daran erinnern, dass Merkur kulturgeschichtlich auch der griechische Hermes sein kann, der als Bote des Zeus die Seelen der Toten in den Hades begleitet, zum Gott der Unterwelt.
So findet sich hier der Merkur in einer Doppelfunktion zum Verstorbenen – er war ihm der treue Lebensbegleiter und ist auch im Tode sein beschützender Geleitbote auf seiner letzten Reise in das ewige Reich.
* Paul Stuckenbruck war quasi der auserwählte Bildhauer von Paul Knaur, denn bereits 1930 fertigte Stuckenbruck zum 50- jährigen Jubiläum des Tuchhauses Paul Knaur diese Medaille. So ist also die Beauftragung Stuckenbrucks zur Schaffung der Merkur-Skulptur für die Grabstätte des Teilhabers Ernst Langhoff verständlich.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“
Band No. 06 Seite 32 ff.
Das Grabmal des Kaufmanns Moritz Lorenz (1860–1922)
Adolph Moritz Lorenz war der jüngere Bruder des Albin Lorenz, dessen Grabmal wir im vorangegangenen Text behandelt haben.
Während die beiden Brüder durch die von ihrem Vater ererbten Unternehmungen geschäftlich sehr eng verbandelt waren, wohnten sie allerdings mit ihren Familien räumlich getrennt. Albin Lorenz besaß das Haus Salomonstraße 27, Moritz Lorenz gehörte das Haus in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße 38, wo er mit seiner Frau Mathilde geb. von Spiegel, die einem alten westfälischen Adelsgeschlecht entstammte, und den zahlreichen Kindern lebte.
Aber das Leben des Moritz Lorenz war kurz und endete im Alter von erst 62 Jahren am 31. Mai 1922. Bereits am nachfolgenden Tage erwarb die Witwe Mathilde Lorenz ein hundertjähriges Nutzungsrecht an der Wahlstelle No.219 in der XVII. Abteilung des Südfriedhofes, wofür sie 6500 Reichsmark zahlte.
Für die Anfertigung des Grabmales wählte die Witwe den Bildhauer Alfred Fränzel, von dessen Hand ja bereits das Grabmal für die Familie ihres Schwagers Albin Lorenz stammte. Noch im Juni 1922 beantragte Alfred Fränzel ein Grabmal aus fein scharriertem Kalkstein mit einem Gewicht von 90 Zentner.
Aber die in das Genehmigungsverfahren involvierte Baupolizei war für Fränzels Entwurf nicht zu begeistern und unterbreitete stattdessen zwei gestalterische Gegenvorschläge, die allerdings hinsichtlich ihrer ästhetischen Wirkung kaum hilfreich waren. Fränzel beugte sich der Besserwisserei der Behörde* und berücksichtigte bei der Herstellung des Grabmales deren Empfehlungen, die sich eindeutig negativ auswirkten.
Statt des avisierten Kalksteins verwendete Fränzel schließlich den beständigeren Granit.
Wir können davon ausgehen, dass zum Totensonntag 1922 alle Arbeiten am Grabmal vollendet waren. Die schöne Figur – in stark idealisierter Form – sollte wohl die am Grabe ihres geliebten Gatten trauernde Witwe Mathilde darstellen. Auch hier handelt es sich zweifellos um eine Katalogware aus den galvanotechnischen Werken der Württembergischen Metallwarenfabrik, die wir noch heute recht zahlreich auf europäischen Friedhöfen finden. Die Witwe Mathilde Lorenz geb. von Spiegel starb bereits vier Jahre später, im Oktober 1926 – wie das ihres im Tode vorangegangenen Mannes, so währte auch ihr Leben nur 62 Jahre.
Zwei ihrer fünf Söhne und ihre einzige Tochter, die allesamt ein biblisches Alter erreichten, fanden hier bei ihren Eltern ihre letzte Ruhestätte.[nbsp
*Die negative Einflussnahme der verschiedenen Genehmigungsbehörden auf die mitunter künstlerisch sehr qualitätsvollen Entwürfe der Bildhauer war oftmals nahezu schikanös und ohne ausreichenden Sachverstand.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.06 Seite 117
Das Grabmal des Kaufmanns Albin Lorenz (1857–1938)
Der Leipziger Kaufmann Albin Lorenz war gemeinsam mit seinem um zwei Jahre jüngeren Bruder Moritz nicht nur Inhaber einer Schmuckwaren-Großhandlung in der Grimmaischen Straße 32, sondern auch einer Fabrikationsstätte für zahnärztliche Bedarfsartikel mit zugehöriger Handelseinrichtung bei gleicher Adresse.
Der Vater Carl Albin Lorenz hatte schon vor 1860 ein „Bijouteriefabrikgeschäft“ und im Jahre 1863 noch eine Fabrik gegründet, in der „künstliche Zähne und zahnärztliche Fournituren“ hergestellt wurden. Nach dem Tode des Vaters erbten die Söhne die florierenden Unternehmungen und vermehrten den familiären Wohlstand weiter.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, eilte auch Herbert Albin Alfred Lorenz, der einzige Sohn des Albin Lorenz, zu den deutschen Waffen, um das Vaterland siegreich zu verteidigen. Er brachte es bis zum Leutnant und Kompanieführer. Aber sein Leben endete in den letzten Tagen dieses mörderischen Krieges nicht auf dem Schlachtfeld, sondern er starb am 18. Oktober 1918 im Alter von erst 25 Jahren „nach schönen Urlaubstagen an den Folgen einer schweren Lungenentzündung nachmittags um ½ 2 Uhr im Hause seiner Schwiegereltern“.
In der zum Heldenfriedhof bestimmten XV. Abteilung des Südfriedhofes wurde er am 23. Oktober 1918 mit militärischem Zeremoniell zu Grabe getragen. Während die Helden mit normalem Mannschaftsdienstgrad auf dem Hauptfeld des Areals in Reihengräbern beerdigt wurden, erhielten die Offiziere wie Herbert Lorenz ihr „Kriegergrab“ grundsätzlich am Rande der von Wegen gesäumten Abteilung.
Im Rabattengrab No.12 dieses Heldenfriedhofes ruhte schon damals Dr. Hans Coelsch, der als Leutnant im Feldartillerie-Regiment No.6 schon im ersten Kriegsjahr, am 17. November 1914, gefallen war. Er war ein Schwager des Leutnants Herbert Lorenz gewesen und zu seinen Lebzeiten im zivilen Leben einst Inhaber einer Speditionsfirma.
Einige Monate nach der Beerdigung des Leutnants Herbert Lorenz wurde auf Veranlassung der Familie am 13. April 1919 der Leutnant Dr. Hans Coelsch aus seinem Grabe in dieses nunmehr zur familiären Grabstätte bestimmten Erbbegräbnisses umgebettet.
Im September 1919 beauftragte Albin Lorenz dann schließlich den Leipziger Bildhauer Alfred Fränzel mit dem Entwurf und der Errichtung eines standesgemäßen Grabmales.
Schon wenige Tage später, am 23. September 1919, wurde die Genehmigung für das Grabmal erteilt, welches dann über den Winter 1919/1920 in der Fränzel-Werkstatt aus grünem Spremberger Syenit gefertigt wurde. Die auf dem zweistufigen Sockel des Grabmales stehende bronzene weibliche Figur lehnt sich mit ihrem rechten Arm an den mit einer rosengefüllten Bronzeschale bekrönten Hauptstein des Grabmales an. Es könnte sich symbolisch um die trauernde Gattin des hier in seinem Grabe ruhenden Leutnants Herbert Lorenz handeln, gleichsam aber kann diese Symbolik auch auf die beiden hinterbliebenen Frauen der hier in ihren Gräbern ruhenden Offiziere erweitert werden.
Aber so recht will sich beim Betrachten der Plastik an diesem irdischen Ort keine Trauerstimmung entfalten, sondern es verbreitet sich beim Anblick dieser Figur prompt eine lasziv-erotische Stimmung, die eher an einst erlebte paradiesische Stunden zu erinnern vermag.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No. 06 Seite 118 ff.
Das Grabmal des Fensterfabrikanten August Degner (1861–1918)
Im Jahre 1893 begründete der Glasermeister August Degner in der Leipziger Körnerstraße 41 eine Glaserwerkstatt, die sich dann später angeblich zur größten Bautischlerei im Königreich Sachsen entwickelte. So vermeldete beispielsweise das Berliner Zentralblatt der Bauverwaltung im November 1905 betreffs der Errichtung des Neuen Rathauses in Leipzig, dass die Glaserarbeiten an diesem größten deutschen Rathausbau »hauptsächlich August Degner lieferte«.
Nachdem am 28. Juli 1918 August Degner im Alter von erst 57 Jahren gestorben war, erwarb dessen Witwe Emilie einen Tag danach ein 100-jähriges Nutzungsrecht am Erbbegräbnis No. 29 in der XV. Abteilung des Südfriedhofes, in dem der Gatte im Anschluss an die Trauerfeier in der Hauptkapelle am Nachmittag des 31. Juli 1918 beerdigt wurde.
Das Grabmal aus gelblichem Postaer Sandstein ist eine Werkschöpfung des Leipziger Architekten Franz Bruno Thon1 und wurde im Frühjahr 1920 errichtet.
Vom Leipziger Bildhauer Alfred Thiele (1886 –1957) stammt das farbig gefasste und glasierte Terrakottarelief in der Lünette2. Nach Ansicht des Autors präsentiert sich hier eine Szene des Abschieds vom verstorbenen August Degner, der dargestellt wird als der fürsorgliche Patron der Familie, der zurückblicken kann auf ein erfolgreiches Lebenswerk, wofür er nun einen letzten Dank seiner treuen Gattin Emilie empfängt. Linksseitig sehen wir die Tochter Fanny, die in tiefer Trauer ihren Vater beweint und betend wohl auf dessen Aufnahme in Gottes Reich der Herrlichkeit und Ewigkeit hofft. Diese Hoffnung unterstreicht deutlich der abgebildete Cherub, der als Wächter des göttlichen Paradieses offenbar schon dessen Ankunft erwartet.
Einmalig ist die von zwei starken Sandsteinpfosten flankierte Pforte aus eichenem Holz, deren Klinke sich nur an der Innenseite der Pforte findet, während ihre Außenseite mit einem runden Türklopfer bestückt ist, der über einem schmetterlingsförmigen, die Ewigkeit und Transformation symbolisierenden Beschlag aufgesetzt ist. Diese Pforte veranschaulicht die Grenze zwischen dem Reich der Lebenden und dem Reich der Toten. Wollen wir – aus welchen Gründen auch immer – eingehen in das Reich der Toten, so können wir dies nur mit dem Türklopfer signalisieren. Aber es liegt nicht in unserem Ermessen, diese Tür zu öffnen, sondern wir müssen uns einer höheren Macht fügen, welche die Stunde unseres Todes dereinst bestimmen und uns die Tür öffnen wird.
Zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.06, Seite 181
1 Sein Vater war der Baumeister Gustav Adolf Thon, der am 13. Dezember 1911 im Alter von 62 Jahren durch einen Absturz vom Baugerüst tödlich verunglückte.
2 Die publizierte Interpretation einer Kunsthistorikerin, dass der Künstler dieses Werk nach einem längeren Italienaufenthalt geschaffen hatte, ist abwegig. Alfred Thiele war einmalig vom 18. bis 25. September 1925 in Italien.
Das Grabmal der Familie des Fleischermeisters Georg Prediger (1870–1950)
Als dem Connewitzer Fleischermeister und Inhaber einer Großschlächterei Georg Prediger am 07. November 1932 die geliebte Ehefrau im Alter von erst 58 Jahren gestorben war, erwarb er in der XXIII. Abteilung des Südfriedhofes eine aus zwei Rabattengräbern bestehende Grabstätte als künftige familiäre Ewigkeitsstätte, um hier am Martinstag die Liebe seines Lebens zu beerdigen.
Da er seine beachtlichen finanziellen Möglichkeiten mit der Gattenliebe in seinem Herzen verband, beauftragte er den Bildhauer Robert Schenker mit der Schaffung eines prächtigen Grabmales. Dieses wurde aus dem schönen roten Saalfelder Granit mit polierter Oberfläche gefertigt und mit der typografisch anspruchsvollen Inschrift FAMILIE GEORG PREDIGER, die diesen Ort als letzte Ruhestätte der verstorbenen Glieder der Familie bezeichnet, gestaltet.
Inmitten der dynamischen Architektur dieses Grabmales findet sich zentral in einer apsisartigen Nische ein herrlich anzuschauendes bronzenes Relief, welches eine schöne junge Frau zeigt, die im faltenreichen Gewand auf einem mit reicher Ornamentik versehenen leichten Teppich sitzt. Sich der üppigen Blütenfülle eines sie im Halbrund beschirmenden Rosenhimmels bedienend, streut sie mit ihrer Rechten drei Rosenblüten, die wohl gleichsam auch den Segen der göttlichen Trinität auf die hier im Grabe ruhende teure Gattin des Fleischermeisters Georg Prediger verkörpern sollen, auf das vor ihr liegende Grab. Wenngleich wir auch nicht wissen, welche Beweggründe den verwitweten Georg Prediger einst geleitet haben, als er dieses anmutige Bildwerk für die Schmückung des Grabmales auswählte, so können wir doch vermuten, dass die junge Frau symbolisch die Tochter Irene darstellen soll, die liebevoll künftig die Gräber beider Elternteile mit Rosen bestreut. Die dargestellte Schöne versinnbildlicht das seinerzeitige Ideal der Weiblichkeit samt Tugendhaftigkeit und Sittsamkeit, was sich auch in der strengen Scheitelung der zum Knoten gewundenen Frisur ausdrückt. Der Autor neigt zur Annahme, dass dieses bronzene Bildwerk der Württembergischen Metallwarenfabrik in Geislingen an der Steige entstammt, wo es in einer nicht geringen Stückzahl gefertigt wurde. Diese Annahme gründet darin, dass es sich vielfach auf deutschen Friedhöfen findet, so zum Beispiel in etwas reduzierter Größe mit der Signatur „A.HINRICHS“ auf dem Hauptfriedhof in Chemnitz, wobei wir den erwähnten Künstler nicht einordnen können.
Wenige Wochen nach seinem 80. Geburtstag starb der Fleischermeister Georg Prediger im Frühherbst des Jahres 1950 und wurde an der Seite seiner Frau beerdigt. Weit über ein halbes Jahrhundert später wurde das elterliche Grab auch für die Tochter Irene, die 2007 im gesegneten Alter von 97 Jahren gestorben ist, zur letzten Ruhestätte.
Die Grabstätte präsentiert sich ganzjährig in einem vorbildlichen Zustand und bezeugt ehrenvoll und glaubhaft die in den Stein gehauenen Worte DIE LIEBE HÖRET NIMMER AUF!.
Zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band 06, Seite 115
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