Kunstwerke des Monats 2024

März 2024
Grabmal der Familie Johann Georg Bernhardt – Detail Bronzerelief Hauptstein
Grabmal der Familie Johann Georg Bernhardt – Detail Bronzerelief Hauptstein | Entwurf: akad. Bildhauer Karl Christian Schmidt / Halle 1907 | Fotografie: Petra Anastasia Paul

Das Grabmal des Tuchgroßhändlers
Johann Georg Bernhardt (1839 – 1921)

Johann Georg Bernhard, der wohlhabende Inhaber einer florierenden Tuchgroßhandlung in der Leipziger Thomasgasse nur unweit des Marktes, lebte mit seiner Familie in einer prächtigen Villa, die im Jahre 1893 nach den Plänen der beiden namhaften Architekten Carl Weichardt und Bruno Eelbo in der Wilhelmstraße in Gohlis erbaut wurde.

Am 08. Mai 1906 aber starb im Alter von 62 Jahren seine Ehefrau Elise und so erwarb er bereits am folgenden Tag für 900 Goldmark das Erbbegräbnis No.27 in der V. Abteilung des Südfriedhofes.

Unmittelbar linksseitig von dieser erwählten Ewigkeitsstätte ließ in jenen Tagen auf dem Erbbegräbnis No.28 der wohlhabende Apotheker Arno Weyrauch sein prächtiges Grabmal errichten, in dessen Zentrum sich ein überaus eindrucksvoller Engel über hohem Postament befand, der segnend und tröstend seine Arme ausbreitete. Und wenige Jahre später erwarb der bedeutende Leipziger Baumeister Eduard Steyer das rechtsseitige Erbbegräbnis No.26, errichtete darin eine imposante Gruft und ließ darüber vom Bildhauer Wilhelm Wollstädter eine beeindruckende Grabmalwand errichten. Und viele andere prominente Leipziger Persönlichkeiten wie u.a. der Ratsgärtnermeister Otto Wittenberg, der Kunsthistoriker Alphons Dürr, der Baurat Max Pommer, der Bildhauer Albrecht Leistner oder der Gewandhauskapellmeister Carl Reinicke wählten in der V. Abteilung ihr Refugium für die erhoffte Ewigkeit.

Am 12. Mai 1906, vier Tage nach ihrem Tode, wurde Wilhelmine Elise Bernhardt beerdigt. Nach Ablauf des Trauerjahres beantragte im Auftrag des verwitweten Tuchgroßhändlers Johann Georg Bernhardt der akademische Bildhauer Christian Schmidt aus Halle am 20. Juni 1907 die Errichtung einer Grabmalanlage aus fränkischem Muschelkalkstein, deren Zentrum von einem künstlerisch modellierten rundbogigen bronzenen Reliefbildnis geschmückt ist. Durch ein schmiedeeisernes Gitter über granitene Schwellen wurde die Grabstätte traditionell solide eingefriedet.

Grabmal der Familie Johann Georg Bernhardt – Gesamtansicht
Grabmal der Familie Johann Georg Bernhardt – Gesamtansicht | Entwurf: akad. Bildhauer Karl Christian Schmidt / Halle 1907 | Fotografie: Petra Anastasia Paul

Am Eingang zur Grabstätte, genau in der Achse zum Hauptstein, verweist auf einer wandartigen Kalksteinplatte eine bronzene Tafel mit der großbuchstabigen Inschrift  FAMILIE BERNHARDT auf diesen Ort als die letzte Ruhestätte der Familie. Die Kalksteinplatte ist oben vom Steinmetz trogartig ausgearbeitet zur Aufnahme von eingepflanztem Blumenschmuck.

Im mittleren Sockelstein des Grabmales sowie in den beidseitigen Anläufern sind querrechteckige umrahmte Bronzetafeln eingearbeitet, in die man dann später beschriftete Tafeln mit den Namen der Verstorbenen einsetzen konnte.

Das große Reliefbild auf dem Hauptstein zeigt eine sitzende Frau mit langem Haar in einem faltenreichen Gewand und dürfte symbolisch die verstorbene Gattin des Tuchgroßhändlers darstellen. Links oben in der gerahmten Bildtafel finden sich Lorbeerzweige, die auf die lebzeitigen Verdienste der treuen Ehefrau und Mutter von drei Söhnen und einer Tochter hinweisen. In ihrer Linken hält sie unübersehbar einen üppigen Blütenkranz, der für die unvergängliche Liebe der dankbaren Familie steht. Links unten im Bildnis  findet sich Efeu als das klassische Symbol der Treue, Beständigkeit und insbesondere der Unsterblichkeit. ULTIMA LATET – das Letzte bleibt verborgen, so lesen wir im Bildnis; ein Bekenntnis zum unergründlichen Wirken Gottes auf Erden.

Beidseitig über dem Rundbogen sind bronzene Rosetten in den Stein eingearbeitet, die jeweils die Blüte der Passionsblume zeigen – ein christliches Symbol der Passion Jesu schlechthin mit Verweisen auf Dornenkrone, Kreuznägel oder die fünf Wunden Christi.

Nirgends findet sich ein Verweis auf die Erzgießerei, in der das qualitätvolle Bildwerk als Unikat entstanden ist.      

Die vom Bildhauer Christian Schmidt entworfene Grabmalanlage ist über drei Meter tiefen, aus Hartbranntziegeln mit Kalkmörtel gemauertem Fundament errichtet worden. Alle Arbeiten waren schließlich am 03. Dezember 1907 vollendet.   

Der verwitwete Johann Georg Bernhardt starb einen Monat vor Vollendung seines 82. Lebensjahres am 24. März 1921. Im besten Mannesalter hat er die Errichtung des Deutschen Kaiserreiches und dessen große wirtschaftliche Blütezeit erlebt, als Greis aber auch den Aufstieg und Fall des Kaiserreiches und den vollständigen Bankrott der Währung nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg.

Vier Jahre später wurde der Enkel Hans Georg Bernhardt hier begraben, dessen Leben nur 21 Jahre währte. Dessen Vater Friedrich Wilhelm Carl Bernhardt fand nach 69 Lebensjahren im September 1942 hier sein Grab.

Bis ins Jahr 2002 bemühte sich eine Nachgeborene noch um den Erhalt der Grabstätte, dann aber verliert sich deren Spur.

Zum Schöpfer der Grabmalanlage Bernhardt, dem Bildhauer Karl Christian Schmidt, sind unsere Informationen dürftig. Er war am 11. Juni 1869 geboren, ein Studium an der Dresdner Kunstakademie bildete ihn zum Bildhauer. Den Zoologischen Garten in Halle bereicherte er im Jahre 1902 mit einem in Bronze gegossenen Bogenschützen, das 1915 fertiggestellte Stadtbad in Halle zieren noch heute beidseitig im Portalbereich zwei Meeresskulpturen von Christian Schmidt und auch den Uhrenerker am Stadtbad Halle schuf der Bildhauer nach Entwürfen des Architekten Martin Knauthe.


Alfred E. Otto Paul

 

Urheberrechtlich geschützter Vorabdruck aus: 

Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.08

Februar 2024
Grabmal Oswald Fiedler
Grabmal Oswald Fiedler und seine Lieben, 1934 | Entwurf: Architekt Oswald Fiedler, BDA | Ausführung: Bildhauer Max Alf Brumme Fotografie: Petra Anastasia Paul

Das Grabmal des Architekten
Oswald Fiedler


In der V. Abteilung des Leipziger Südfriedhofes hatte – vermutlich vorsorglich – am 09. September 1926 der in Markkleeberg in der Koburger Straße 4 wohnende Architekt Oswald Robert Fiedler in der 2. Gruppe in der Reihe K das Grab No.10 erworben.

Nachdem seine Frau Minna Frieda geb. Henneberg am Heiligen Abend des Jahres 1933 im Alter von erst 42 Jahren gestorben war, wurde sie drei Tage vor Silvester 1933 in diesem Grab beerdigt.

Oswald Fiedler heiratete dann bald die um zehn Jahre jüngere Gertrud Lina, geb. Schubert, deren Leben allerdings auch nur fünfzig Jahre währte – sie starb im Februar 1947, die Urne mit ihrer Asche wurde über dem Sarg der ersten Frau eingesenkt.

Am 30. Oktober 1960 starb der Architekt Oswald Fiedler; er wurde am 03. November 1960 in diesem Grab beerdigt und ruht seitdem hier mit seinen beiden Frauen für immer vereint.

Wir gehen davon aus, dass das Grabmal aus Muschelkalkstein in zeittypischer Gestaltung vom Architekten Oswald Fiedler persönlich entworfen und dieses in der Werkstatt des renommierten Leipziger Bildhauers Max Alf Brumme gearbeitet wurde – dabei hat man die Front des Grabmals flächig so bearbeitet, dass ein erhabenes Feld bestehen blieb, in welches schließlich vom Bildhauer Max Alf Brumme im Relief das Bildnis einer verstorbenen Frau eingearbeitet wurde. Die dargestellte Frau mit langem Haupthaar steht symbolisch für die hier 1933 beerdigte erste Ehefrau des Architekten – während ihr Oberkörper barbusig nackt ist, zeigen sich der Schoß und die Beine umhüllt von einem Leichentuch, deutet auf den Tod der in der Blüte ihrer besten Jahre Verstorbenen. Die Arme der Frau sind erhoben zum Segensgestus, die Füße deuten auf einen aufwärts schwebenden Leib und damit zuversichtlich auf die Auferstehung. Über dem Bildnis und unterhalb der Inschrift sehen wir ein vertieft eingearbeitetes griechisches Kreuz, das älteste Kreuz der Christenheit. Die Botschaft dieses steinernen Bildwerkes ist grundsätzlich ein Bekenntnis zum christlichen Glauben, dem der Architekt Oswald Fiedler und ganz besonders der Bildhauer Max Alf Brumme indiskutabel verbunden war. Auf die künstlerische Autorenschaft des Grabmals verweist übrigens das rechtsunten im Bildwerk vertieft eingearbeitete stilisierte Monogramm MAB, welches für  Max Alf Brumme steht.

Während das Bildwerk an die hier bestattete erste Frau von Fiedler erinnert, verweist die Inschrift

ARCHITEKT

OSWALD FIEDLER

UND SEINE

LIEBEN


auf den einst hier ruhenden Architekten und seine beiden Frauen. Aus Sicht des Autors ist die Inschrift bereits zeitgleich mit dem Bildwerk – wohl im Herbst 1934 – eingearbeitet worden, lediglich die Lebensdaten des Architekten wurden nach dessen Tod eingearbeitet.

Die enge Zusammenarbeit des Architekten Oswald Fiedler, der auch Mitglied im BDA war, mit dem Bildhauer Max Alf Brumme ist vielfach bezeugt – so bspw. am 1926 eingeweihten Ehrenmal für die Gefallenen des I. Weltkrieges in Oetzsch, welches aber leider 1948 Opfer einer sinnlosen bewussten Zerstörung wurde.

Alfred  E. Otto Paul
Januar 2024
Grabmal der Familie des Kürschners Apostolys Mpusotas
Grabmal der Familie des Kürschners Apostolys Mpusotas | Katalogware einer unbekannten Werkstatt, um 1920 | Skulptur: Kopie nach Bertel Thorvaldsen | Fotografie: Petra-Anastasia Paul

Das Grabmal des Rauchwarenhändlers Apostolys Mpusotas


In der VIII. Abteilung des Südfriedhofes findet sich am Wegrand das Rabattengrab No.138, welches vermutlich im März 1918 der in Engelsdorf in der Bahnhofstraße No.15 wohnende Kürschner Apostolys Mpusotas erwarb. Grund für den Grabeserwerb dürfte seinerzeit der Tod des Vaters gewesen sein.

Ab dem Jahr 1923 wird Apostolys Mpusotas in der Leipziger Nikolaistraße 10 im III. Stock als Inhaber einer Rauchwarenhandlung genannt. Offenbar hatte er das Geschäft von dem bis 1922 dort an-sässigen griechischen Pelzhändler A. Moysitas übernommen. In diesen ersten Jahren seiner Selbständigkeit dürfte Apostolys Mpusotas um 1923 die etwa 15 Jahre jüngere Gerda geb. Starke geheiratet haben.

Das Grabmal wurde vermutlich im Jahre 1920, in der großen Notzeit kurz nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, erworben und über dem Grabe errichtet. Aus Mangel an Natursteinen hat man in jenen Jahren Grabmäler oftmals aus Kunststein gefertigt. Über dem dreistufigem Sockel erhebt sich stelenartig das Grabmal, in dessen Deckstück sich frontseitig eine ovale Rahmung zur Aufnahme eines Porträts findet – sicher zeigte man hier einst das Bildnis des in diesem Grabe ruhenden Patriarchen der Familie Mpusotas.

Bekrönt wird dieses Grabmal von einer tönernen Skulptur nach dem Vorbild des im Jahre 1821 vom dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen für die Frauenkirche Kopenhagen geschaffenen „Segnenden Christus“, dessen Botschaft sich im Lukas-Evangelium 24.50 findet: „Dann führte er sie hinaus bis gegen Bethanien und erhob seine Hände und segnete sie“. Es ist also der Christus Consolator, Christus der Tröster.

Wohl kaum eine Skulptur ist mehr kopiert worden, denn sie ist die „ perfekteste Statue von Christus in der Welt“, wie einst im Jahre 1896 ein amerikanischer Schriftsteller meinte.

Sie wurde vielfach – dem Original in der Kopenhagener Frauenkirche entsprechend – in Marmor gehauen, sie wurde in Bronze gegossen, als galvanotechnische Ausführung seriell gefertigt, ist auch als Zinkguss häufig und in unterschiedlichsten Größen und Qualitäten gefertigt.

Die hier vorgestellte Skulptur ist eine sogenannte „Katalogware“, und wurde, wie auch das Grabmal selbst, seriell hergestellt. In der Plinthe der Skulptur findet sich die Katalognummer 1041 der uns heute allerdings nicht mehr bekannten Werkstatt.

Die an der Front des stelenartigen Grabmals eingearbeitete Tafel aus schwedischem Syenit zeigt ein eingearbeitetes lateinisches Kreuz und die Inschrift „Familie A. Mpusotas“ – sie dürfte in den sechziger Jahren ausgetauscht worden sein gegen eine ursprüngliche Tafel gleichen Materiales, die allerdings mit den Namen der hier erstbestatteten Toten versehen war. Nach dem Tode der Gerda Mpusotas, die 1962 im Alter von sechzig Jahren starb und am 22. Juni 1962 hier beerdigt wurde, folgte schon zwei Jahre später der achtundsiebzigjährig verstorbene Gatte Apostolys Mpusotas, dessen Asche über dem Sarg der Ehefrau beigesetzt wurde.

Bereits wenige Jahre später wurde die Grabstätte für weitere Bestattungen gesperrt, weil in jener Zeit die VIII. Abteilung umgewandelt wurde in ein riesiges anonymes Grabfeld, in dem dann zehntausende Urnen namenlos verscharrt wurden.

Aber erst 45 Jahre nach der Beisetzung der Asche von Apostolys Mpusotas wurde das Grab aufgegeben. Als ein wichtiges Zeugnis der Grabkultur des ersten Viertels des zwanzigsten Jahrhunderts sollte man dieses Grabmal in seinem jetzigen Bestand erhaltend bewahren.

Alfred E. Otto Paul