Kunstwerk des Jahres 2022
Das Grabmal des Arztes Dr. med. Arthur Köhler
Wenngleich die Entstehungsgeschichte dieses durchaus bemerkenswerten Grabmales bis heute noch nicht restlos geklärt werden konnte, wollen wir dennoch nicht davon absehen, dieses in den letzten Jahren so vorbildlich restaurierte sepulkrale Kunstwerk der Öffentlichkeit vorzustellen.
Vermutlich im Juni des Jahres 1907 erwarb die hinterbliebene Witwe des Arztes Dr. med. Arthur Köhler in der II. Abteilung des Leipziger Südfriedhofes die aus den beiden Rabattengräbern No.114 und No.115 bestehende Grabstätte, in der dann ihr verstorbener Gatte beerdigt wurde. In den folgenden Monaten dürfte der namhafte Dresdner Bildhauer Heinrich Wedemeyer mit dem Entwurf des Grabmales beauftragt worden sein, welches dann sicherlich bereits am ersten Todestag des Arztes Arthur Köhler im Juni 1908 auf der Grabstätte errichtet worden war. Das etwa ein Meter Breite und zweieinhalb Meter hohe stelenartig aufragende Grabmal ist hoch gesockelt und trägt im der Mitte ein sehr schönes, von Wedemeyer geschaffenes bronzenes Relief, welches auf das lebenslange verdienstvolle Wirken des hier ruhenden Arztes Arthur Köhler verweist – die Krankenbehandlung und Krankenfürsorge ist unübersehbar die Botschaft dieses erzenen Bildwerkes, der Krug in der Hand des antik gewandeten Arztes ist geziert mit dem Äskulapstab, der wiederum auf die Heilkunst verweist, über die der Arzt verfügt und so den Menschen vom Jugend – bis ins Greisenalter hilfreich zu dienen vermag. Im Bildhintergrund sehen wir als Flachrelief die Calla, eine Kelchpflanze, die seit Jahrhunderten ähnlich der häufiger verwendeten Lilie als Symbol der Reinheit, der Unsterblichkeit und als Zeichen des ewigen Lebens gilt. Dieses mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Dresdner Erzgiesserei geschaffene Reliefbildnis trägt die undatierte Signatur Wedemeyers und wurde etwa hundert Jahre nach dem Guss vorbildlich restauriert. Das Grabmal schließt nach oben ab mit einem klassizistisch gestalteten satteldachförmigen Giebel, dessen ansichtige Fläche profiliert gearbeitet ist und der seitlich von akroterienartigen Abschlüssen flankiert wird. Herrlich geschmückt ist das Giebelfeld mit einem erhaben aus dem Stein gearbeiteten Schmetterling, dem antiken Symbol für Wiedergeburt und Unsterblichkeit, in der christlichen Kunst das klassische Symbol der Auferstehung. Er verleiht der Psyche ihre Flügel, die sie zum Himmel tragen. Eine solide und äußerst dauerhafte Giebelabdeckung mit Walzblei schützt das gänzlich aus Postaer Sandstein gearbeitete Grabmal beständig vor schädigende Feuchteeinträge und sichert so dessen langfristigen Erhalt. Eine ausgewogene sandsteinerne Einfriedung umschließt schützend und Ehrfucht gebietend den kleinen privatimen Grabbezirk.
Das von der Arztwitwe ursprünglich auf dreißig Jahre erworbene Nutzungsrecht an der Grabstätte wurde im Jahre 1938 durch einen in Augsburg lebenden Sohn – ebenfalls ein promovierter Arzt- um zehn Jahre verlängert und endete schließlich im Juni 1947, wonach die Grabstätte wieder in die Verfügung der Friedhofsverwaltung gelangte. Bereits im Januar 1948 erwarb dann die Witwe Helene Zeeh diese Grabstätte und es erfolgte in jenen Tagen die Beisetzung der Asche ihres verstorbenen Gatten, des im Alter von 76 Jahren verstorbenen Zahnarztes Bruno Zeeh. Wenige Wochen später veranlasste die Witwe im April die Umbettung der Urne mit der Asche ihrer bereits 1933 verstorbenen Mutter Hedwig Blaak geb. Kirchhoff aus dem nahegelegenen Rabattengrab No.153 der II. Abteilung des Südfriedhofes. Im Februar 1949 wurde in der Grabstätte Lutz Fischer, offenbar ein Enkelkind der Witwe Zeeh, das wenige Tage zuvor im Alter von nur einem Tag gestorben war, hier im Sarg beerdigt. Im März 1953 starb schließlich die Witwe Helene Zeeh im Alter von 68 Jahren, in gleichem Monat wurde ihre Asche hier an der Seite ihres Gatten beigesetzt. Dreißig Jahre später wurde die Grabstätte aufgegeben und es begann ein über drei Jahrzehnte beginnender Verfall dieser unbedingt erhaltenswerten Grabstätte.
Es ist dem Leipziger Rechtsanwalt Torsten R. M . Behnisch und seiner Familie zu danken, die in vorbildlicher Weise die Patenschaft über dieses künstlerisch bedeutende Werk der Sepulkralkultur des Südfriedhofes übernahmen und mit nicht unerheblichen privaten finanziellen Mitteln künftigen Generationen von Friedhofsbesuchern die öffentliche Erlebbarkeit dieses in Leipzig einmaligen Werkes von Heinrich Wedemeyer ermöglichen.
Der 1867 im niedersächsischen Sudershausen geborene Bildhauer Caspar Friedrich Heinrich Wedemeyer, so sein voller Name, studierte 1888 bis 1896 an der Kunstakademie in Dresden beim berühmten Bildhauer Ernst Julius Hähnel, war Meisterschüler des nicht minder bedeutenden Robert Diez, in dessen Atelier er einige Jahre wirkte, bis er sich ab 1902 als freischaffender Bildhauer in Dresden etablierte. Im Jahre 1928 erfolgte seine Ernennung zum Professor an der Dresdner Kunstakademie. Zahlreiche Werke besonders in Mitteldeutschland künden noch heute von seinem umfangreichen Schaffen. 1941 starb Wedemeyer in Dresden im Alter von 73 Jahren.
Alfred E. Otto Paul
Kunstwerk Archiv