Kunstwerke des Monats 2023
Das Grabmal des Königlich-Bayrischen
Kommerzienrates Bernhard Meyer (1860 – 1917)
Dem am 5. Oktober 1860 im sächsischen Fraureuth geborenen Bernhard Meyer war eine überaus glänzende Karriere beschieden; er wurde einer der erfolgreichsten deutschen Verleger, dessen Familienzeitschrift „Nach Feierabend“ im Jahre 1914 etwa 1.250.000 Abonnenten zählte und als das führende Blatt seiner Art in Europa galt. Bereits im Jahre 1902 hatte Bernhard Meyer in Leipzig sein Zeitschriftenimperium noch um eine außerordentlich leistungsfähige Druckerei ergänzt; er galt als eine jener Siegernaturen, die es verstanden, aus scheinbar aussichtslosen Geschäften durch eiserne Willens- und Arbeitskraft Wertobjekte allererster Güte zu machen. Als die Idee der Luftfahrt zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts immer mehr Beachtung fand, förderte Bernhard Meyer finanziell die Flugzeugentwicklungen des jungen Ingenieurs Erich Thiele und gründete mit diesem schließlich im Frühjahr 1911 im nahe Leipzig gelegenen Lindenthal die Sächsischen Flugzeugwerke, die bereits im Herbst gleichen Jahres ehrgeizig in „Deutsche Flugzeugwerke G.m.b.H.“ Lindenthal bei Leipzig umbenannt wurden. In kürzester Zeit entstand ein entsprechend geräumiger Flugplatz samt einer Fliegerschule, die für zahlreichen Fliegernachwuchs in diesem insbesondere militärisch zukunftsweisenden Bereich sorgte. Die Deutschen Flugzeugwerke wurden Lieferant nicht nur der kaiserlichen deutschen Heeresverwaltung, sondern auch die entsprechenden österreichisch-ungarischen und die türkischen Militärverwaltungen zählten zu den geschätzten Bestellern der Deutschen Flugzeugwerke. Bernhard Meyer konnte sich mit dem Titel eines Königlich-Bayrischen Kommerzienrates schmücken und war Ritter zahlreicher hoher Orden. Am Ende seines Lebens hinterließ er ein gewaltiges Vermögen von weit über siebzehn Millionen Goldmark.
Tatsächlich endete dieses Leben des Kommerzienrates Bernhard Meyer nach einem sechswöchigen Krankenlager am 19. April 1917, einem Donnerstag mittags um 12 Uhr, nach schwerer Krankheit im Alter von 56 ½ Jahren. Selten wurden in den Leipziger Neuesten Nachrichten so viele Traueranzeigen veröffentlicht wie in diesem Falle. Drei Tage nach seinem Tode fand am 22. April 1917 mittags um ½ 12 Uhr die Trauerfeier in der Hauptkapelle des Leipziger Südfriedhofes statt, direkt danach erfolgte in der Regie der traditionsreichen Leipziger Beerdigungsanstalt M. Ritter das Begräbnis des Sarges in der Wahlstelle No.110 in der II. Abteilung des Südfriedhofes in einfacher Tiefe. Erst einige Tage später, am 25. April, erwarb die Witwe Agnes Meyer für 5.400 Goldmark ein hundertjähriges Nutzungsrecht an der 54 Quadratmeter großen Grabstätte.
Wegen des Ersten Weltkrieges verzögerten sich die Arbeiten an einem standesgemäßen Grabmal und erst am 02. Januar 1919 beantragte der bedeutende Königlich-Sächsische Baurat Richard Tschammer die Genehmigung für dessen Errichtung – allerdings sprach sich der Friedhofsdirektor Gustav Mönch dagegen aus, weil er sich „ein leichteres, luftigeres Grabmal“ wünschte. Das Hochbauamt aber genehmigte den Bauantrag mit Verweis auf den hervorragenden Ruf des Architekten Richard Tschammer und des Dresdner Bildhauers, Goldschmiedes und anerkannten Kunsthandwerkers Professor Karl Groß, der den bauplastischen Schmuck des recht monumentalen Grabmales entworfen hatte. Diese Künstler, so das Hochbauamt, gäben genügend Gewähr, dass hier eine weitere Zierde des Südfriedhofes entstehen würde.
Am 22. Januar 1919 wurde das Baugesuch schließlich genehmigt, und vermutlich hat man dann im Frühjahr mit den notwendigen Arbeiten. Begonnen. Die Gründung besteht nicht wie üblich aus drei Meter tiefen Fundamenten, sondern der Architekt Richard Tschammer wählte eine entsprechend bemessene Tragplatte aus Eisenbeton mit Rücksicht auf die extreme Materialknappheit in dieser Notzeit nach dem verlorenen Weltkrieg.
Die Ausführung des Grabmales entspricht genau dem auf einem Karton erhaltenen Entwurf des Bildhauers Professor Karl Groß. Am 27. August 1919 waren alle Arbeiten am Grabmal beendet.
Auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.08
Das Grabmal des Großkaufmanns
Major a.D. Walter Haertel (1874 – 1937)
Über das Leben des Großkaufmanns Gustav Hermann Walter Haertel wissen wir nur wenig zu berichten.
Er starb am 08. Januar 1937 nach schwerer Krankheit in einem Sanatorium auf dem Weißen Hirsch in Dresden, wurde nur reichlich 62 Jahre alt.
Er war der Seniorchef der am Leipziger Thomaskirchhof ansässigen Firma Albert Haertel & Co., die als Großhandels-Vertretung sehr erfolgreich tätig war. Wohl durch die einstige Vermählung mit seiner Ehefrau Margarete Haertel geb. Kipke war er auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der im Jahre in 1844 Breslau von Carl Kipke gegründeten Brauerei-Aktiengesellschaft.
Seine Hinterlassenschaft dürfte beträchtlich gewesen sein, denn immerhin war er auch Eigentümer zweier Stadtvillen in bester städtischer Wohngegend in unmittelbarer Nähe des Scheibenholzes in der Haydnstraße.
Entsprechend ihrer besten wirtschaftlichen Verhältnisse plante die Witwe Margarete Haertel, geb. Kipke, die Errichtung einer standesgemäßen Gruft im Bereich der Wahlstelle No.288 in der XVII. Abteilung, dem teuersten Gräberareal des Südfriedhofes. Die Kosten für den beabsichtigten Erwerb eines hundertjährigen Nutzungsrechtes an dieser Grabstelle beliefen sich auf 4.200 Reichsmark zuzüglich der nicht unerheblichen Kosten für die Erbauung einer Gruft sowie die Errichtung eines entsprechenden Grabmales. Da ein solches Projekt auch unter Berücksichtigung des Winters einige Zeit beanspruchen dürfte, wurde der in einem Metallsarg ruhende Leichnam Walter Haertels am vierten Tag nach seinem Tode, am 12. Januar 1937, mittags um ½ 1 Uhr in der Arkadengruft No.4 im Bereich der Kapellenanlage vorübergehend bis zum 15. Mai 1937 gegen eine monatliche Gebühr von 30 Reichsmark eingestellt.
Zur Trauerfeier am 12. Januar 1937 unter Leitung des renommierten Leipziger Bestattungsinstitutes Robert Hellmann wurde die Hauptkapelle des Südfriedhofes für 60 Reichsmark mit Pflanzenschmuck dekoriert und anlässlich der unmittelbar sich anschließenden Einsenkung des Sarges wurde die entsprechende Arkadenrückwand für 30 Reichsmark mit Blumenschmuck versehen.
Allerdings änderte die Witwe Haertel schon bald diesen Plan und erwarb schließlich am 15. März 1937 für 2.000 Reichsmark auf hundert Jahre das Erbbegräbnis No.9 in der XX. Abteilung des Südfriedhofes in unmittelbarer Nähe des Ehrenmals für die im Weltkrieg Gefallenen des Reserve-Infanterieregiments No.245. Vermutlich gab es hier eine Verbindung des Walter Haertel, der es einst in militärischer Karriere zum höheren Offizier bis zum Rang eines Majors gebracht hatte.
Am Mittwoch, den 14. April 1937, wurde früh um 07.30 Uhr der Metallsarg aus der Arkadengruft No.4 ausgehoben und an-schließend umgebettet in das vorgenannte Erbbegräbnis No.9, wo Walter Haertel im hinteren Teil in der Mitte der Grabstätte doppelt tief beerdigt wurde. Am gleichen Tage erfolgte nun für 500 Reichsmark eine opulente Bepflanzung der Grabstätte.
Schließlich beauftragte die Witwe Margarete Haertel den hochangesehenen Bildhauer Prof. Felix Pfeifer mit der Schaffung eines marmornen Grabmales mit einem am Grabe trauernden, reich gewandeten Engel – dies dürfte ihr besonderer Wunsch gewesen sein und so entstand dieser prächtige Engel lebensgroß als unikatenes Werk des Bildhauers Prof. Felix Pfeifer. Es ist anzunehmen, dass die Witwe Margarete Haertel und Felix Pfeifer sich gut kannten, zumal Pfeifer seit Jahren in der benachbarten Mozartstraße sein Atelier samt Werkstatt betrieb.
So schuf Pfeifer dieses dreiteilige Grabmal, wobei das monolithische Mittelteil gedacht war für die Beschriftung mit den Namen der im Grab bestatteten Toten, den beiden seitlichen Flanken, die aus Marmorquadern gefügt sind und vor dem rechtsseitig vorgelagert sich der Engel findet.
Der Engel vermittelt den Eindruck, als wäre die Endgültigkeit des Todes von Walter Hartel noch nicht verarbeitet, als seien noch so viele Fragen unbeantwortet. Es scheint, als hadere selbst der Engel als ein Gesandter Gottes noch mit dieser so zeitigen Abberufung des Walter Haertel. Gleichsam vertritt der Autor die These, dass der hier dargestellte weibliche Engel die Witwe darstellen soll, die mit liebevollem Herzen tröstend am Grabe ihres Mannes als auch ihres verstorbenen Bruders Arthur Kipke weilt – das Antlitz des Engels dürfte dem der Witwe entsprochen haben. Die große emotionale Nähe zu ihrem bereits einige Jahre zuvor in San Franzisko verstorbenen Bruders Arthur dürfte Margarete Haertel bewogen haben, das Gattengrab auch zu einem Scheingrab ihres in fremder Erde ruhenden Bruders zu erheben.
Auf dem linksseitigen Anläufer des Grabmales finden sich unten, unmittelbar vor dem davor liegenden Grabe, die vertieft in den Marmorstein eingearbeiteten Zeilen
EIN GUTER MENSCH IST WIE DIE SONNE
DIE ALLE WÄRMT UND ALLEN LEUCHTET
Geschützte Veröffentlichung vorab – erscheint demnächst in
Alfred E. Otto Paul „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.08
Die marmorne Grabstele des Artilleristen
Hauptmann Peter Fischer (1917 – 1943)
Aber bereits nach nur sechswöchiger Ehe starb ihr Gatte, der Oberleutnant Peter Fischer.
In einer am 11. August 1943 in den „Leipziger Neuesten Nachrichten“ vermeldeten Todesanzeige heißt es:
„Sechs Wochen nach unserer Hochzeit entschlief am 25.7. in einem Feldlazarett im Osten nach schwerer Verwundung mein so innig geliebter Mann, mein lieber Bruder, unser guter Schwiegersohn Peter Fischer, Oberleutnant und Batterieführer, Inhaber des EK II und des silbernen Verwundetenabzeichens.
In tiefem Leid
Gisela Fischer geb. Nagel im Namen der Familien Fischer und Zill
Reichsanwalt Dr. jur. Karl Nagel und Frau
Wohl wenige Wochen nach dem bekannt gewordenen Tod ihres Mannes beauftragte die junge Witwe den zu diesem Zeitpunkt bereits 75-jährigen Leipziger Bildhauer Paul Stuckenbruck mit der Anfertigung einer marmornen Grabstele zum Gedenken an ihren bei Alexejewka-Uspenskaja seinen schwersten Verwundungen erlegenen Liebsten Peter Fischer, der postum zum Hauptmann d.R. ernannt worden ist. Die vermutlich aus Carrara-Marmor gefertigte, etwa 175 cm hohe Grabstele zeigt an ihrer etwa 40 cm breiten Frontseite das helmbedeckte Antlitz des Artillerieoffiziers, an der etwa um 5 cm schmaleren Seite findet sich rechts unten die Inschrift STUCKENBRUCK 1944 und verweist eindeutig auf die Autorenschaft dieses namhaften Leipziger Bildhauers, der in jungen Jahren in Berlin als Mitarbeiter in den Ateliers so berühmter Bildhauer wie Nikolaus Geyger, Rudolf Siemering oder Otto Lessings seine bildhauerische Meisterschaft erwarb.
Dennoch ist Paul Stuckenbruck, der sich nach dem Tode Otto Lessings 1912 in seiner Vaterstadt Leipzig als selbständiger Künstler niederließ, kein wohlhabender Mann geworden, sondern hatte immer Mühe, seine Existenz zu sichern – umso hilfreicher waren seinerzeit dem schon 76-jährigen Bildhauer die 10.000.- Reichsmark, die ihm in honoriger Großzügigkeit von der Witwe Gisela Fischer für diesen Auftrag gezahlt wurde.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass Verwandte der jungen Witwe Gisela Fischer dieser schließlich das nicht unbeträchtliche Erbe ihres Mannes verwehren wollten mit dem Argument einer nur sechs Wochen währenden Ehe. Wenngleich diese ehrlosen fami- liären Ambitionen erfolglos waren, so hat man der jungen Witwe das ohnehin schon schwere Leben noch schwerer gemacht.
Bereits wenige Wochen nach dem Ende des II. Weltkrieges hatten Unbekannte die weißmarmorne Gedenkstele mit der farbigen Aufschrift GESCHAH DIR RECHT, DU HUND, DU SCHWEIN geschändet. Nach der Entfernung dieser schmähenden Beschriftung ließ die Witwe Gisela Fischer aus Angst vor Wiederholungen die Stele mit Brettern einhausen und selbst zehn Jahre später galt es noch immer als ratsam, auf diese Weise die Grabstele weiter zu schützen.
Vorab auszugsweise zitiert aus:
Alfred E. Otto Paul : „Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.08
Das Grabmal der Friederike Therese Anna Hartmann
Als vor über einem Halbjahrhundert, um 1970, der Neue Johannis- friedhof in Leipzig Opfer einer beispiellosen Kulturzerstörung wurde, verbrachte man die prächtige Herme mit dem Bildnis einer Frau in die XXII. Abteilung des Leipziger Südfriedhofes und vergrub ihren Schaft in die Erde des nördlichen Urnengartens, so das nur noch das Bildwerk erlebbar war.
Es geschah einzig aus dem Grund einer geplanten Aufwertung dieses tristen Grabbezirkes am Rande des Südfriedhofes, dessen eintönige Grabsteine jede sepulkrale Aura vermissen ließ.
Gleichzeit löschte man damit jede Erinnerung an die hier dargestellte Verstorbene und ebenso verschwand auf dem Grabmal auch der Verweis seiner künstlerischen Autorenschaft.
In den nachfolgenden Jahrzehnten blieb das erlebbare Fragment dieser Herme zunehmend unbeachtet, es unterblieb jede Pflege dieses künstlerisch bedeutenden Grabmales und so wirkte es fortan inmitten eines wenig gepflegten Grabfeldes zum unbeachteten und identitätsberaubten Objekt aus längst vergangenen Tagen.
Der Autor hat sich bereits um das Jahr 2010 der Provenienz dieses Grabmales gewidmet und konnte eindeutig nachweisen, dass die Herme das Bildnis der Mutter des bedeutenden Leipziger Bildhauers Johannes Hartmann (1869 – 1952) darstellt.
Die hier dargestellte Frau ist die im Jahre 1844 geborene Friederike Therese Anna Hartmann geb. Giesow, verstorbene Ehefrau des Leipziger Tapezierobermeisters Carl Wilhelm Alexander Hartmann und Mutter des 1869 geborenen Johannes Nicolaus Pankratius Hartmann, wie uns das Taufbuch des Jahres 1869 der Kirche St. Nikolai auf Seite 217 bezeugt.
Friederike Therese Anna Hartmann ist am 11. Juni 1895 im Alter von 51 Jahren 2 Monaten und 18 Tagen in der Wohnung der Familie am Matthäikirchhof gestorben.
Sie wird am 14. Juni 1895 in der V. Abteilung des Leipziger Neuen Johannisfriedhofes in einem Reihengrab beerdigt.
(Grab V.4.N.31)
Es steht außer Frage, dass ihr Sohn, der Bildhauer Johannes Hartmann, im Winter 1895/96 diese Herme aus kostbarem Marmor, von der griechischen Insel Naxos stammend, geschaffen hat.
Es zeigt uns, ganz nach der Natur, das Bildnis der verstorbenen Mutter, in deren Antlitz wir die Spuren eines mühevollen Lebens finden, aber auch ihre mütterliche, fürsorgliche Liebe erkennen. Wir spüren deutlich die zu Herzen gehende Dankbarkeit ihres Sohnes, des Bildhauers, der sich bemüht, mit diesem Denkmal seiner Mutter für all ihre Aufopferung ehrenvoll zu danken. Keinerlei Eitelkeit ist hier zu erkennen, vielmehr deutet die strenge Frisur über der hohen Stirn auf gelebte Demut, auf Mutterliebe und Gattentreue.
Am 06. Dezember 1895 bezahlt der verwitwete Tapezierobermeister Hartmann die obligate Conzessionsgebühr für die Aufstellung des Grabmales, d.h., das Werk ist in Arbeit.
Im zeitigen Frühjahr 1896, am 05. März, beantragt der mit der Errichtung des Grabmales beauftragte Baumeister Daniel Gottlob Vogel schriftlich die notwendige Genehmigung hierfür und fügt die am Vortag gefertigte Skizze bei.
Und so können wir davon ausgehen, dass wenige Tage nach der erteilten Genehmigung vom 12. März 1896 die Fundamente ausgeführt werden und das Grabmal aufgestellt ist.
Dieses Grabmal der Mutter vom Jahre 1896 ist eines der frühesten Zeugnisse des Bildhauers Johannes Hartmann, der 1885 bis 1890 an der Dresdner Kunstakademie bei dem bedeutenden Bildhauer Ernst Hähnel studiert hat und dem noch eine beachtliche Künstlerkarriere bevorstehen wird. Im gleichen Jahre, 1896, schmückt er mit zwei Karyatiden das Portal des von Arwed Rossbach umgestalteten Leipziger Universitätsgebäudes, des Augusteums.
Schon 1901 schafft er mit dem Zwickauer Robert-Schumann-Denkmal eines seiner Hauptwerke.
Privat stimmt uns sein Lebensweg etwas nachdenklich, denn keine zwei Monate nach dem Tode seiner Frau heiratet der verwitwete Johannes Hartmann im Mai 1922 die um 24 Jahre jüngere Witwe des großen Bildhauers Max Klinger, Gertrud Klinger geb. Bock, und gelangt so an Klingers Nachlass.
Nachdem seine zweite Frau Gertrud Hartmann, verwitwete Klinger, geb. Bock, im Mai 1932, erst 38-jährig, wegen eines Lungenleidens gestorben ist, heiratet er noch im gleichen Jahr deren Schwester Ella, geschiedene Freifrau von Wunsch, geb. Bock.
Als Johannes Hartmann im März 1952 stirbt, wird die Urne mit seiner Asche in der Klinger-Gruft auf dem Weinberg in Großjena beigesetzt, wo schließlich im Jahre 1955 auch die Asche von Hartmanns dritter Frau Ella Aufnahme findet.
So ist also diese Großjenaer Gruft im Klinger´schen Weinberg nicht nur die letzte Ruhestätte von Max Klinger, sondern auch von Johannes Hartmann sowie den beiden gebürtigen Bock-Schwestern Gertrud und Ella.
Durch die Initiative in Leipzig lebender osteuropäischer Künstler konnte dank finanzieller Förderung dieses Meisterwerk der Grabmalkunst sensibel geborgen und nach behutsamer Restaurierung jüngst in der II. Abteilung des Südfriedhofes neu errichtet werden – wünschenswert wäre noch die nahegelegene Aufstellung einer erläuternden Texttafel, die auf die Provenienz der Herme verweist und gleichzeitig erstmals an die Zerstörung des Neuen Johannisfriedhofes erinnert.
Alfred E. Otto Paul - September 2023
Das Ehrenmal der Gefallenen des Infanterieregiments No.416
Bereits zu Beginn des Ersten Weltkrieges erfolgte im Deutschen Reich eine Mobilmachung der wehrfähigen Männer, um an den Fronten die Verlustzahlen gefallener deutscher Soldaten beständig ausgleichen zu können. Aus oftmals nur wenig kampferprobten Männern - Landwehrleute älterer Jahrgänge oder blutjunge Kriegsfreiwillige - wurden Reserveregimenter gebildet, die der Volksmund etwas geringschätzig „Kriegskinder“ nannte. In Leipzig war bereits zu Beginn des Krieges im August 1918 das Reserve-Infanterieregiment No.107 aufgestellt worden, dem wenig später das Reserve-Infanterieregiment No.245 folgte. Schließlich wurde im Juli 1916 das Reserve-Infanterieregiment Leipzig aufgestellt, welches bald umbenannt wurde in Reserve-Infanterieregiment No.416, das unter sächsischer Flagge und dem Kommando des Oberst Friedel in Flandern den Küstenschutz verstärken sollte, weil man den baldigen Kriegseintritt skandinavischer Länder gegen das Deutsche Reich fürchtete.
Von dort ging es dann in die Champagne und später nach Rumänien, in die Ukraine bis hin zur Krim. Nach dem Ende dieses jahrelangen Völkerkrieges, dem in Europa Millionen von Menschen geopfert wurden, folgten 1918 der politische Untergang des Deutschen Kaiserreiches und seiner königlichen Monarchien, wirtschaftlicher Zusammenbruch, Währungsverfall und letztlich eine unvorstellbare Geldentwertung. Die Regimenter der sächsischen Armee, deren Geschichte mitunter zweihundert Jahre zurückreicht, wurden aufgelöst – so auch im Januar 1919 das Infanterie-Regiment No.416.
Bald galt es überall im Reich, welches jetzt als Weimarer Republik in die Geschichte eintrat, an die Millionen Gefallenen zu erinnern und so entstanden überall, auch in den letzten Dörfern, Ehrenmale für die toten Krieger, die nun zu Helden des Vaterlandes erhoben wurden.
Im Jahre 1920 hatten acht überlebende Kameraden in Leipzig die „Vereinigung der 416 er“ gegründet, deren Ziel auch die Errichtung eines Ehrenmales für die gefallenen Kameraden sein sollte. Zu diesem Zweck gründeten sie einen Denkmalausschuss, der den Leipziger Rat am 19. September 1925 um die kostenlose Bereitstellung eines geeigneten Areales auf dem Südfriedhof ersuchte und gleichzeitig um die künftige unentgeltliche Pflege der anzulegenden Bepflanzung bat. Wenige Tage später übermittelte der Rat der Stadt dem Vertreter des Denkmalausschusses, Hauptmann d. L. Richard Brügmann, für hundert Jahre die kostenlose Überlassung der Wahlstelle No.331 in der XV. Abteilung des Südfriedhofes, im sogenannten Kriegerhain A.
Zu dieser Zeit hatte man bereits neun anderen Regimentern auf dem Südfriedhof einen entsprechenden kostenlosen Platz für ein Ehrenmal bewilligt. Dann aber verwarf der Denkmalausschuss sein Projekt der Verwendung eines großen Findlings als Ehrenmal, sondern präferierte einen Entwurf des Leipziger akademischen Bildhauers Albert William König. Aus diesem Grunde verwarf man die bereits bewilligte Wahlstelle und erbat nun eine Stelle im Kriegerhain B in der XIX. Abteilung des Südfriedhofes, in dem sich bereits seit Mai 1922 das prächtige, vom Architekten Otto Paul Burghardt errichtete Ehrenmal für die Gefallenen des 8. Königlich-Sächsischen Infanterieregiments No.107 befand.
Schließlich wurde der „Vereinigung der 416 er“ im April 1926 die Wahlstelle No.311 in der gewünschten XIX. Abteilung des Südfriedhofes bewilligt und wegen des bereits festgelegten Weihetermins im Juni genehmigte die Stadt Leipzig dann am 20. Mai 1926 die rasche Ausführung der nötigen Gründungsarbeiten.
Und so begannen am 19. Juni 1926, einem Samstag, im vollbesetzten Weißen Saal des Zoos die Wiedersehensfeierlichkeiten der Kameraden des IR 416, die aus Chemnitz, Plauen, Zwickau und anderen Orten des Erzgebirges gekommen waren.
Es spielte die Musikkapelle des III. Bataillons des Leipziger Infanterieregiments No.11, der Vorsitzende der Vereinigung der 416 er, Louis Möller, verlas die Geschichte des Infanterieregiments No.416 und der einstige Regimentskommandeur Oberst Friedel, der es noch zum Generalmajor a. D. gebracht hatte, hielt eine markige Festansprache - dabei beschwor er die Kameraden, die Schuldlüge abzuweisen und würdigte ihren Kampf, den Feind fern der Heimat gehalten zu haben, sprach ein feuriges „Hoch“ auf das Vaterland.
Am Sonntag, den 20. Juni 1926, predigte der Marine-Oberpfarrer Wangemann zum Thema „Ich hatt einen Kameraden“, es folgte die Kranzniederlegung unter dem Gesang des Liedes „Ich hatt einen Kameraden“ und die Traditionskompanie des Infanterieregiments No.11 zog mit klingendem Spiel am Denkmal vorbei.
Hauptmann a.D. Richard Brügmann übergab dann feierlich das Denkmal dem Stadtbaurat Hubert Ritter als Vertreter der Stadt Leipzig in deren künftige Obhut.
Mit einer opulenten Abschiedsfeier im Großen Saal des Zoos endeten am Nachmittag die zweitägigen Festlichkeiten zur Einweihung des Ehrenmals.
Für den akademischen Bildhauer William König, der am 08. Januar 1886 in Leipzig geboren wurde, dürfte dieser Auftrag ein besonderer Höhepunkt in seinem Werkschaffen gewesen sein. König, der in München und Paris studiert hatte, blieb aber eine beachtenswerte Karriere in seinem Werkschaffen versagt, wenngleich seine bekannten Arbeiten wie z.B. die im Museum für bildende Künste in Leipzig verwahrte Bronzebüste des Pianisten Paul Quasdorf oder seine im Bomann-Museum in Celle zu findende lebensgroße weibliche Bronzefigur durchaus Beachtung verdienen.
Offenbar ist William König noch im Jahr 1926, dem Schöpfungsjahr des Leipziger Ehrenmals, nach Berlin gegangen und hatte dort das Atelier des im gleichen Jahre verstorbenen berühmten Bildhauers Professor Gustav Heinrich Eberlein (1847-1926), des um 1900 nach Reinhold Begas meistbeschäftigten Künstlers der Berliner Bildhauerschule, angemietet. Aber wirtschaftliche Not zwang William König in Berlin, bei der dortigen „Zentrale für private Fürsorge e.V.“ um Unterstützung zu bitten – deren Mitarbeiterin Luise Roloff wandte sich deshalb an die Preußische Akademie der Künste mit der Bitte um Informationen zu William König. Sie verwies dabei darauf, dass William König außer einer kleinen Kriegsbeschädigtenrente in Höhe von 19 Mark keinerlei andere Einkünfte besitzt. Daraufhin antwortet der Bildhauer Prof. August Krauss (1868-1934), Mitglied der Preußischen Akademie der Künste und Präsident der Berliner Künstlervereinigung, am 04.Februar 1928 „dass der Bildhauer William König gar keine Bedeutung hat und in Leipzig ein sehr schlechtes Andenken hinterlassen haben soll.“ Diese Äußerung machte August Krauss, der seinerzeit als Schüler von Reinhold Begas ein hochbedeutender Bildhauer und Medailleur war, nachdem er in Leipzig entsprechende Erkundigungen eingeholt hatte.
Trotz alledem aber müssen wir dem Leipziger Ehrenmal des Infanterieregiments No.416 Achtung erweisen, ohne dass wir die zeitgeistige Botschaft dieses Werkes tolerieren können. Über achteckigem Sockel erhebt sich stelenartig bis auf eine Höhe von 4 ½ Metern das Denkmal aus dem typischen roten Rochlitzer Porphyr – das herrliche Gesteinsmaterial wurde seinerzeit eigens für diesen patriotischen Zweck vom Rochlitzer Bürger Albrecht Haberkorn gestiftet. Die nach Westen – symbolisch nach Frankreich – ausgerichtete Vorderfront des Denkmals zeigt einen nackten Jüngling, der in der Linken ein Leichentuch in der Hand hält und damit auf seinen Opfertod für das Vaterland weist. Seine Nacktheit symbolisiert die Auferstehung, sein zum Himmel gerichteter rechter Arm erhebt die Schwurhand – er schwört Rache, die dem Erzfeind Frankreich gilt, Rache auch für das Versailler Diktat. Die Rückseite des Denkmales zeigt ein erhobenes Richtschwert, mit dem die gefallenen Opfer gesühnt werden sollen und korrespondiert so deutlich mit der Botschaft der Rache.
Unter dem Richtschwert sind die wichtigsten Kampfgebiete des Infanterieregiments No.416 unvergänglich in den Stein gemeißelt – von Belgien über Frankreich bis hin nach Rumänien und die Ukraine, ja selbst auf der Krim hatte man sich „betätigt“, wie es eigenartig in einem zeitgenössischen Bericht hieß.
Inmitten des Denkmals befindet sich eingemauert eine beschriftete Tafel, die davon kündet, dass 15 Offiziere, 21 Unteroffiziere und 271 Soldaten des Infanterieregiments No.416 im Kriege 1914 – 1918 gefallen sind.
Viele Jahre später, wohl in den siebziger Jahren, wurden aus der unmittelbar angrenzenden 1. Gruppe der XIX. Abteilung dort beerdigte Soldaten des I. Weltkrieges exhumiert und ihre Gebeine am Fuße des Denkmales beigesetzt.
Eine beschriftete Liegeplatte aus Rochlitzer Porphyr erinnert an diese Soldaten, deren ewige Totenruhe man ohne jede Not so unsensibel gestört hat, deren Namen seitdem ungenannt blieben. Eine entsprechende Anfrage des Autors bei der Verwaltung des Südfriedhofes sowie beim Landesverband Sachsen des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V. blieben ergebnislos – niemand kennt die Zahl der hierher umgebetteten Toten noch ihre Namen.
Alfred E. Otto Paul - August 2023
Geschützter Vorabdruck aus der demnächst erscheinenden Publikation von Alfred E. Otto Paul
„Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.08
Das Grabmal des Arztes
Dr. med. Arthur Köhler
Wenngleich die Entstehungsgeschichte dieses durchaus bemerkenswerten Grabmales bis heute noch nicht restlos geklärt werden konnte, wollen wir dennoch nicht davon absehen, dieses in den letzten Jahren so vorbildlich restaurierte sepulkrale Kunstwerk der Öffentlichkeit vorzustellen.
Vermutlich im Juni des Jahres 1907 erwarb die hinterbliebene Witwe des Arztes Dr. med. Arthur Köhler in der II. Abteilung des Leipziger Südfriedhofes die aus den beiden Rabattengräbern No.114 und No.115 bestehende Grabstätte, in der dann ihr verstorbener Gatte beerdigt wurde. In den folgenden Monaten dürfte der namhafte Dresdner Bild- hauer Heinrich Wedemeyer mit dem Entwurf des Grabmales beauftragt worden sein, welches dann sicherlich bereits am ersten Todestag des Arztes Arthur Köhler im Juni 1908 auf der Grabstätte errichtet worden war. Das etwa ein Meter Breite und zweieinhalb Meter hohe stelenartig aufragende Grabmal ist hoch gesockelt und trägt im der Mitte ein sehr schönes, von Wedemeyer geschaffenes bronzenes Relief, welches auf das lebenslange Wirken des hier ruhenden Arztes Arthur Köhler ver- weist – die Krankenbehandlung und Krankenfürsorge ist unübersehbar die Botschaft dieses erzenen Bildwerkes, der Krug in der Hand des antik gewandeten Arztes ist geziert mit dem Äskulapstab, der wiederum auf die Heilkunst verweist, über die der Arzt verfügt und so den Menschen vom Jugend – bis ins Greisenalter hilfreich zu dienen vermochte. Im Bildhintergrund sehen wir als Flachrelief die Calla, eine Kelchpflanze, die seit Jahrhunderten ähnlich der häufiger verwendeten Lilie als Symbol der Reinheit, der Unsterblichkeit und als Zeichen des ewigen Lebens gilt. Dieses mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Dresdner Erzgießerei geschaffene Reliefbildnis trägt die undatierte Signatur Wedemeyers und wurde etwa hundert Jahre nach dem Guss vorbildlich restauriert. Das Grabmal schließt nach oben ab mit einem klassizistisch gestalteten satteldachförmigen Giebel, dessen ansichtige Fläche profiliert gearbeitet ist und der seitlich von akroterienartigen Abschlüssen flankiert wird. Herrlich geschmückt ist das Giebelfeld mit einem erhaben aus dem Stein gearbeiteten Schmetterling, dem antiken Symbol für Wiedergeburt und Unsterblichkeit, in der christlichen Kunst das klassische Symbol der Auferstehung. Er verleiht der Psyche ihre Flügel, die sie zum Himmel tragen. Eine solide und äußerst dauerhafte Giebelabdeckung aus Walzblei schützt das gänzlich aus Postaer Sandstein gearbeitete Grabmal beständig vor schädigende Feuchteeinträge und sichert so dessen langfristigen Erhalt. Eine ausgewogene sandsteinerne Einfriedung umschließt schützend und ehrfurchtsgebietend den kleinen privatimen Grabbezirk.
Das ursprünglich auf dreißig Jahre erworbene Nutzungsrecht an der Grabstätte wurde im Jahre 1938 durch einen in Augsburg lebenden Sohn – ebenfalls ein promovierter Arzt- um zehn Jahre verlängert und endete schließlich im Juni 1947, wonach die Grabstätte wieder in die Verfügung der Friedhofsverwaltung gelangte. Bereits im Januar 1948 erwarb die Witwe Helene Zeeh diese Grabstätte und es erfolgte in jenen Tagen die Beisetzung der Asche ihres verstorbenen Gatten, des im Alter von 76 Jahren verstorbenen Zahnarztes Bruno Zeeh. Wenige Wochen später veranlasste die Witwe im April die Umbettung der Urne mit der Asche ihrer bereits 1933 verstorbenen Mutter Hedwig Blaak geb. Kirchhoff aus dem nahegelegenen Rabattengrab No.153 der II. Abteilung des Südfriedhofes. Im Februar 1949 wurde in der Grabstätte Lutz Fischer, offenbar ein Enkelkind der Witwe Zeeh, das wenige Tage zuvor im Alter von nur einem Tag gestorben war, hier im Sarg beerdigt. Im März 1953 starb schließlich die Witwe Helene Zeeh im Alter von 68 Jahren, in gleichem Monat wurde ihre Asche an der Seite ihres Gatten beigesetzt. Dreißig Jahre später wurde die Grabstätte aufgegeben und es begann ein über drei Jahrzehnte beginnender Verfall dieser unbedingt erhaltenswerten Grabstätte. Es ist dem Leipziger Rechtsanwalt Torsten R. M. Behnisch und seiner Familie zu danken, die in vorbildlicher Weise die Patenschaft über dieses künstlerisch be- deutende Werk der Sepulkralkultur des Südfriedhofes übernahmen und mit nicht unerheblichen privaten finanziellen Mitteln künftigen Genera- tionen von Friedhofsbesuchern die öffentliche Erlebbarkeit dieses in Leipzig einmaligen Werkes von Heinrich Wedemeyer ermöglichen.
Der 1867 im niedersächsischen Sudershausen geborene Bildhauer Caspar Friedrich Heinrich Wedemeyer, so sein voller Name, studierte 1888 bis 1896 an der Kunstakademie in Dresden bei dem berühmten Bildhauer Ernst Julius Hähnel, war Meisterschüler des nicht minder bedeutenden Robert Diez, in dessen Atelier er einige Jahre wirkte, bis er sich ab 1902 als freischaffender Bildhauer in Dresden etablierte. Im Jahre 1928 erfolgte seine Ernennung zum Professor an der Dresdner Kunstakademie. Zahlreiche Werke besonders in Mitteldeutschland künden noch heute von seinem umfangreichen Schaffen. 1941 starb Wedemeyer in Dresden im Alter von 73 Jahren.
Alfred E. Otto Paul - Juli 2023
Vorabdruck aus der demnächst erscheinenden Publikation von Alfred E. Otto Paul
„Die Kunst im Stillen – Kunstschätze auf Leipziger Friedhöfen“ Band No.08
Das Grab der Therese Freifrau Schuler von Senden
(1882 – 1964)
In der VIII. Abteilung des Leipziger Südfriedhofes findet sich unmittelbar an dem von Linden gesäumten Hauptweg vor den Wandstellen das Grab der Therese Freifrau Schuler von Senden. Sie entstammte der adligen Familie von Falkenhausen, deren Ahnfrau Elisabeth Wünsch, die im Jahre 1710 geborene Tochter eines einfachen Mühlknechts, war. Offenbar war deren jugendliche Anmut so betörend, dass sie der Landesherr Markgraf Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach als Frau zur linken Hand wählte, während er mit der schlichtweg wenig attraktiven preußischen Prinzessin Louise, einer Schwester Friedrichs des Großen zeitlebens in glückloser Ehe verbandelt war.
Neben den ehelichen Kindern zeugte er gleichsam mit der Elisabeth Wünsch einige Nachkommen und erhob im Jahre 1734 seine Geliebte als Frau von Falkenhausen in den erblichen Adel. Durch kaiserliches Dekret erfolgte später unter Franz I. die Erhebung in den Reichsfreiherrenstand und auch wirtschaftlich wurde die Familie von Falkenhausen aus der Schatulle des Markgrafen äußerst großzügig bedacht.
Als im August 1757 der „Wilde Markgraf“, so nannte man Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach wegen seiner wohl übermäßigen Leidenschaft für die Beizjagd mit Falken, in seinen besten Jahren Opfer eines tödlichen Schlaganfalles wurde, hinterließ er seine unehelichen Kinder in besten Verhältnissen - seine geliebte Mätresse Elisabeth von Falkenhausen aber be-durfte seiner fürsorglichen Unterstützung nicht mehr, denn eigenartiger Weise starb auch sie im gleichen Jahre wie der Markgraf.
Ihre Nachkommen dienten fortan in treuer Pflicht den preußischen Herrschern in hohen Ämtern, sicherten sich durch eine entsprechende Heiratspolitik weiterhin ihre beachtliche gesellschaftliche Stellung.
Ein reichliches Jahrhundert nach dieser Nobilitierung der Familie wurde Therese Marie Ottilie – genannt Tessa – Freiin von Falkenhausen am 23. Februar 1882 im niederschlesischen Bad Warmbrunn als Tochter des Offiziers Alexander von Falkenhausen und Elisabeth geb. Freiin Schuler von Senden geboren.
Am 30. April 1901 heiratete Tessa von Falkenhausen im schlesischen Brieg den um 32 Jahre älteren preußischen Generalleutnant Max Ludwig Schuler von Senden, den Sohn des preußischen Generalleutnants Ernst Wilhelm Schuler von Senden (1812 – 1899), der wiederum der Sohn des preußischen Generals der Infanterie und einstigem Kommandanten der Festung Breslau Friedrich Schuler von Senden (1753 – 1827) war. Vater als auch Großvater ihres Mannes trugen mit dem Orden Pour le Merite die höchste Auszeichnung des Königreiches Preußen.
Die Familie Schuler von Senden entstammt einem uralten Celler Ratsgeschlecht, wurde im Rahmen der Reichadelserneuerung 1784 nobilitiert und erlangte schließlich im Jahre 1827 auch den erblichen Titel großherzoglich-hessischer Freiherren. Äußerst erfolgreich bekleideten sie im nachfolgenden Säkulum hohe Ämter in Staat und Militär, sichern bis heute ihre bedeutende gesellschaftliche Stellung.
So ist wohl kaum zufällig, dass die Mutter unserer Protagonistin, Therese Freifrau Schuler von Senden, dieser Familie entstammte und der gewählte Gatte der Therese durchaus ihr Onkel gewesen sein könnte. Offenbar gab es für die Familie Schuler von Senden, als auch für die Familie von Falkenhausen, vielerlei pragmatische Gründe sich genealogisch sehr eng zu verflechten.
Aber bereits mit 62 Jahren, als Generalleutnant und Exzellenz längst mit angemessener Apanage im Ruhestand, starb der Gatte Max Ludwig Schuler von Senden am 07. Oktober 1912 in Dresden, wo er dann wohl auch beerdigt wurde.
Das weitere Schicksal seiner Witwe ist uns trotz großer Bemühungen bis heute unbekannt und es bedarf wohl noch einiger Nachforschungen, Licht in dieses biografische Dunkel zu bringen.
Aber mit einiger Sicherheit können wir wohl davon ausgehen, dass sie auch nach dem frühen Tode ihres Gatten getragen wurde von der Standessolidarität ihrer Familie von Falkenhausen als auch der freiherrlichen Familie Schuler von Senden. Therese Freifrau Schuler von Senden hatte acht Geschwister, von denen wir zumindest an zwei ihrer Brüder erinnern wollen.
Ihr jüngster Bruder Hans Joachim von Falkenhausen hatte im 1. Weltkrieg ein Bein verloren, war kriegsversehrt. Im Jahre 1930 schloß er sich der nationalsozialistischen Bewegung an, wurde Mitglied der NSDAP und der SA, in der er eine rasche Karriere machte und bald in den inneren Zirkel der Macht unter Ernst Röhm gelangte. Später, nach der sogenannten Machtergreifung geriet er in die Turbulenzen nationalsozialistischer Machtkämpfe – im Zusammenhang mit dem angeblichen Röhm-Putsch wurde er auf Anweisung Hitlers im Juli 1934 von dessen Leibstandarte erschossen.
Ein anderer Bruder, Alexander von Falkenhausen, diente als hochdekorierter Offizier im 1. Weltkrieg, empfing im Mai 1918 vom Kaiser Wilhelm II. den Orden Pour le Merite.
Im 2. Weltkrieg wurde Alexander von Falkenhausen als General der Infanterie von 1940 bis 1944 Chef der Militärverwaltung in Belgien und Nordfrankreich. 1944 schloss er sich dem Widerstand gegen Hitler an, verlor alle seine Ämter und kam in ver-schiedene Konzentrationslager. Er überlebte das Regime des Nationalsozialismus, starb am 31. Juli 1966 in Nassau an der Lahn.
Wie zuvor bereits erwähnt, wissen wir über das Leben der verwitweten Therese Freifrau Schuler von Senden nur wenig zu berichten – im Leipziger Adressbuch des Jahres 1947 findet sich erstmals ihre Erwähnung. Sie wohnte im Stadtteil Reudnitz in der Witzgallstraße 20 im zweiten Stock eines Mietshauses, bestritt ihren bescheidenen Lebensunterhalt als Haushälterin.
Im Alter von 82 Jahren und 9 Monaten starb Therese Freifrau Schuler von Senden am 26. November 1964 in Leipzig. Am Dienstag, den 01. Dezember 1964 wurde ihr Leichnam auf dem Südfriedhof Leipzig beerdigt. Offenbar war die Freifrau kinderlos geblieben und eine in Nassau an der Lahn lebende Nichte, Maria von Falkenhausen, hat sich wohl um das Begräbnis gekümmert und nach Ablauf der dreißigjährigen Ruhefrist im Jahre 1994 das Grab noch dreimal um jeweils 5 Jahre verlängert.
45 Jahre nach der Beerdigung der Freifrau wurde schließlich das Grab aufgegeben, aber irgendein kulturbewusster Mensch in der Verwaltung des Südfriedhofes hat dafür gesorgt, dass dieses Grab nicht beräumt wurde – vielleicht wegen der besonderen Ausführung des Grabsteines aus geschliffenem Löbejüner Quarzporphyr und der als Intarsie in Blei gegossenen Beschriftung samt der entsprechend eingearbeiteten Wappen der freiherrlichen Familie Schuler von Senden sowie der freiherrlichen Familie von Falkenhausen. Der Verweis auf den Psalm 89 belegt die lebenslange christliche Gläubigkeit der Freifrau, ist gleichsam ein Lobpreis des Herrn.
Die Ausführung der aufwendig mit Blei ausgegossenen Grabstein-Beschriftung etc. ist in jener Zeit außerordentlich selten und verweist auf einen besonderen künstlerisch-ästhetischen Anspruch des Auftraggebers – der Autor geht davon aus, dass seinerzeit in Westdeutschland lebende Verwandte diesen Grabstein für die verstorbene Therese Freifrau Schuler von Senden bei einem Leipziger Steinmetz beauftragt und mit begehrtem „Westgeld“ bezahlt haben.
Eigenartiger Weise wurde auch der Grabstein für die am 26. November 1964 verstorbene bedeutende Leipziger Kunsthistorikerin Dr. phil. Hildegard Heyne – die übrigens am gleichen Tage wie Therese Freifrau Schuler von Senden starb – mit einer Blei-Intarsie beschriftet. Mit großer Sicherheit war hier der gleiche Meister am Werk.
Nicht unerwähnt soll schließlich bleiben, dass über zwanzig Jahre später die Grabsteine auf dem Sozialistischen Ehrenhain des Südfriedhofes ebenso in Löbejüner Quarzporphyr gefertigt und mit einer Blei-Intarsie beschriftet wurden. Es ist durchaus denkbar, dass der Grabstein der Therese Freifrau Schuler von Senden die entscheidende gestalterische Idee für den Sozialistischen Ehrenhain geliefert hat.
Alfred E. Otto Paul
Die Grabstätte des Obermeisters
der Leipziger Klempnerinnung
E. Otto Wilhelmy (1845 – 1897)
Im Jahre 1872 befand sich das deutsche Handwerk in größter Bedrängnis, denn die fortschreitende Industrialisierung als auch die Einführung der Gewerbefreiheit bewirkten im eben begründeten Deutschen Kaiserreich eine nie dagewesene Konkurrenz gegenüber dem klassischen Handwerksbetrieb.
Der Leipziger Klempnermeister E. Otto Wilhelmy zählte in jenen Jahren innerhalb des Deutschen Reiches zu den großen Förderern der entsprechenden Innungsbetriebe des Klempnerhandwerks, wobei seinerzeit hauptsächlich die Bearbeitung von Blechen in unter- schiedlichsten Metallen eine Rolle spielte. E. Otto Wilhelmy führte die bereits 1872 vom Klempnermeister Friedrich Stoll jun. begründete „Deutsche Zeitschrift für Blecharbeiter“ zu hohem Ansehen im Kaiserreich, er gründete im Jahre 1877 gemeinsam mit Carl Erdmann Kircheis die erste deutsche Fachschule für Blecharbeiter im sächsischen Aue, förderte auf vielfältige Art das deutsche Kunsthandwerk. Als Inhaber einer Ornamenten-Fabrik in der Leipziger Inselstraße produzierte Wilhelmy gezogene Profilleisten in allen Metallen für Verkleidungen nach eigenen und auch fremden Mustern. Er war unermüdlich, wirkte auch als Stadtverordneter für das Gemeinwohl seiner Vaterstadt Leipzig. Ein bemerkenswertes Zeugnis seiner handwerklichen Meisterschaft ist die vom berühmten Berliner Bildhauer Otto Lessing entworfene, von Wilhelmy gefertigte 5 ½ m hohe Figur der „Wahrheit“, die das Reichsgericht in Leipzig bekrönt, den zweitgrößten Bau des wilhelminischen Kaiserreiches.
Aber sein rastloses Leben endete zwei Tage vor seinem 52. Geburtstag am 04. Januar 1897. Nach zeitgenössischen Schilderungen waren Vertreter nahezu aller Innungen des Deutschen Reiches beim Begräbnis auf dem Südfriedhof anwesend, der Sarg war bedeckt mit der Leipziger Innungsfahne.
Die Errichtung der Architektur an der von der Witwe Helene Wilhelmy erworbenen Wandstelle No.56 wurde am 25. Mai 1897 vom renommierten Leipziger Steinmetzmeister F.G. Damm beantragt – als Material wird hauptsächlich sächsischer Sandstein und rötlicher Beuchaer Granit verwendet, der umschlossen von Sandsteinquadern als Zyklopenmauerwerk die Fläche dominiert. Über einem vier Meter tiefen Ziegelmauerwerk gründet sich über kräftigem, gestockt bearbeiteten Granitsockel die Wandstelle als künftiges Erbbegräbnis der Familie Wilhelmy. Eine großflächige Bronzetafel mit lorbeerumkränzten Zweigen zeigt im Relief das Bildnis des verdienstvollen Handwerksmeisters versehen mit der Inschrift
IHREM
E. OTTO WILHELMY
DER VERBAND DEUTSCHER KLEMPNER-INNUNGEN
Hochrechteckige Tafeln aus poliertem schwedischem Syenit flankieren an der Wand das bronzene Bildnis Wilhelmy´s und tragen vertieft eingemeißelt die Namen der in dieser Grabstätte bestatteten Glieder der Familie. Am Boden verweist erinnernd eine dunkle Syenit-Tafel auf die Eltern der Witwe des Klempner-Obermeisters, die vermutlich auf dem säkularisierten Neuen Johannifriedhof ruhen.
Die mit großer Wahrscheinlichkeit vom Leipziger Bildhauer Professor Adolf Lehnert geschaffene bronzene Bildnistafel an der Wand wurde wohl 1897 in der renommierten Dresdner Erzgießerei Pirner & Franz gegossen, die schon bald nach ihrer Gründung im Jahre 1881 den Titel einer Königlich-Sächsischen Hoflieferantin erlangte.
Eine Restaurierung dieses bronzenen Kunstwerkes ist mehr als überfällig und so wird sich die Paul-Benndorf-Gesellschaft noch in diesem Jahr um dessen mögliche Wiederherstellung in altem Glanz bemühen.
Alfred E. Otto Paul
Das Grabmal des Einjährig Gefreiten Hans Senf (1895 – 1917)
Richard Senf (1856 – 1941) war der Sohn eines wohlhabenden Leipziger Holzhändlers, der schon in jungen Jahren gemeinsam mit seinem wenig älteren Bruder Louis Senf (1853 – 1940) die Leidenschaft für die Philatelie entwickelte. Bereits als 16-Jähriger handelte Richard Senf im elterlichen Haus in Leipzig mit Briefmarken und schließlich begründeten die Gebrüder Senf einen umfänglichen Handel mit Briefmarken. Allerdings schied Louis Senf im Jahre 1890 aus der Firma und fortan führte Richard Senf das Unternehmen als Alleininhaber und entwickelte die Firma zu einem der größten Briefmarkenunternehmen der Welt. Er bewohnte in der Blumenstraße 76 in Leipzig-Gohlis standesgemäß eine sehr repräsentative Villa, die quasi das Geburtshaus seines im Juni 1895 geborenen Sohnes Johannes Senf war. Als Einjährig Freiwilliger zog dieser in den Ersten Weltkrieg, war Angehöriger des Reserve-Infanterieregiments No.245 und diente in der zugehörigen 1. Maschinengewehr-Kompanie.
Am 16. August 1917 fiel Johannes Senf im Alter von 22 Jahren in Frankreich vor Verdun – der einflussreiche Vater Richard Senf veranlasste die Überführung des gefallenen Sohnes nach Leipzig und dessen Beerdigung vermutlich am 12. September 1917. An diesem Tage hatte er die 54 Quadratmeter umfassende Wahlstelle No.114 in der XVI. Abteilung des Südfriedhofes am Fuße des Völkerschlachtdenkmals für 5.400 Goldmark erworben. Am 18. Dezember 1917 beantragte der beauftragte Dresdner Bildhauer Rudolf Ahrendt beim Friedhofsamt Leipzig die Genehmigung zur Anfertigung und Errichtung des Grabmales für den bereits im Grabe ruhenden Johannes Senf. Als Material wird ein dichter Muschelkalkstein angegeben, die Beschriftung erfolgt mittels aufgesetzter bronzener Lettern. Die Genehmigung ergeht am 09. Januar 1918, die Fertigstellung des Denkmals ist für den 26. August 1918 bezeugt. Nur wenige Wochen später ist der Krieg verloren, das Deutsche Kaiserreich zerbricht an der Revolution, größte Not herrscht in Deutschland, eine grenzenlose Entwertung des Geldes folgt bald.
Aber das Grabmal zeigt in kniender Haltung einen kräftigen jungen Krieger mit muskulösem nackten Oberkörper im Trauer- gestus, einen Dolch im gegürtetem Gewande, der in seiner Rechten eine Fackel erlöschen lässt, in seiner Linken aber einen Lorbeerkranz als ewiges Siegeszeichen umfasst. Das Grabmal gleicht mit seiner apsisartigen Nische und dem rundbogigen, volutengeschmückten oberen Abschluss einem kleinen Triumphbogen und die Inschrift auf dem mächtigen Sockel
HIER RUHT GESTORBEN FÜR SEIN VATERLAND
verweist auf den Opfertod des jungen Helden.
Es sollte uns heute mehr denn je Mahnung sein, in Freiheit um den Frieden zu ringen als unser wertvollstes irdisches Gut – und in diesem Sinne gilt es, dieses Grabmal für nachfolgende Generationen zu erhalten.
Alfred E. Otto Paul
Das Grabmal des Architekten Carl James Bühring (1871 – 1936)
Eine von einem Trauerschleier umhüllte gedeckelte Vase aus römischem Travertin, deren gedrehter Fuß auf breitgesockeltem kräftigen Kubus aus gleichem Material steht, bildet das schlichte Grabmal des Architekten Carl James Bühring.
Der Kubus ist frontseitig beschriftet mit seinem Namen CARL JAMES BÜHRING und mit dem Datum seines frühen Todes am 2.1.1936 im Alter von erst 64 Jahren.
Der am 11. Mai 1871 in Berlin als Sohn eines Großkaufmanns geborene Carl James Bühring verbrachte die Jahre seiner Kindheit und Jugend überwiegend in Schottland und Norwegen. In Christiania, dem heutigen Oslo, besuchte er das Gymnasium und begann nach dem Abitur an der dortigen Universität ein Studium im Bauwesen, welches er an den Technischen Hochschulen in Berlin-Charlottenburg und Braunschweig fortsetzte.
Nach verschiedenen Anstellungen innerhalb Deutschlands wurde er 1906 zum Gemeindebaurat von Weißensee, damals ein Vorort von Berlin, berufen. Inmitten des Ersten Weltkrieges wurde er am 10. März 1915 in der Nachfolge des in Ruhestand versetzten Otto Wilhelm Scharenberg Stadtbaurat von Leipzig.
Aber die kriegsbedingten Umstände hinderten den Architekten Bühring in Leipzig nachhaltig an der Entfaltung seiner Fähigkeiten, viele bemerkenswerte Projekte blieben unausgeführt. Das Ende des Krieges brachte den Untergang des Deutschen Kaiserreiches, im ebenso erloschenen Königreich Sachsen herrschte größte wirtschaftliche Not, die Inflation bewirkte einen grenzenlosen Währungsverfall, der Revolution folgte der Kapp-Putsch und schließlich scheiterte Bühring an den politischen Verhältnissen im Leipziger Stadtparlament, die im Jahre 1924 zur Beendigung seiner Tätigkeit als Stadtbaurat in Leipzig führte.
Zuvor noch hatte die Technische Hochschule Braunschweig im November 1920 Carl James Bühring mit der Verleihung der akademischen Würde zum Dr.-Ing. geehrt.
Aber die privaten Verhältnisse des seit 1904 verheirateten Bühring aber waren offenbar etwas schwierig, denn weder von Bührings Ehefrau Marie, geb. Oster, noch von seinen drei Töchtern und den zwei Söhnen sind uns tröstliche Nachrichten überliefert.
Stattdessen verband Bühring in jener Zeit eine wohl außerordentliche enge Freundschaft mit dem Stellvertretenden Direktor des Leipziger Zoos, Dr. Karl Max Schneider. Sowohl Bühring als auch Schneider wohnten in der Pfaffendorfer Straße in unmittelbarer Nähe des Zoos. Im Ehrenamt wirkte Bühring bis zu seinem Tode als Architekt prägend bei der baulichen Entwicklung des Leipziger Zoos.
Als Carl James Bühring am 02. Januar 1936 im Alter von nur 64 Jahren starb, erfolgte bereits am 06. Januar 1936 im Leipziger Krematorium die Einäscherung seines Leichnams und noch am gleichen Tage die Beisetzung seiner Asche in einer aus den beiden Rabattengräbern No.1095 und No.1096 bestehenden Grabstätte in der XVII. Abteilung des Südfriedhofes. *
Zur Zeit und Stunde lässt sich nicht ermitteln, wer der Erwerber der Grabstätte war – vieles deutet auf den engen Freund und Junggesellen Dr. Karl Max Schneider.
Zumindest ist nach dem Tode vom Prof. Dr. Karl Max Schneider **, der am 26. Oktober 1955 in Leipzig starb und dessen Asche in unmittelbarer Nähe von Bühring in einem persönlich von Schneider zu seinen Lebzeiten bestimmten Grab im Rahmen eines Staatsbegräbnisses beigesetzt wurde, die engste Mitarbeiterin Schneiders, die unverheiratete Ingeborg von Einsiedel, alleinige Inhaberin der Bühring-Grabstätte geworden. Die im Jahre 1917 geborene Ingeborg von Einsiedel entstammte dem meißnischen Uradel – nach ihrem Studium an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst wurde sie ab 1946 Mitarbeiterin von Prof. Karl Max Schneider und schließlich seine wichtigste und vertrauteste Mitarbeiterin, quasi seine „rechte Hand“.
Als ihr Vater, der Jurist Carl Alexander von Einsiedel im Jahre 1963 im Alter von 94 Jahren starb, wurde seine Asche in der Bühring-Grabstätte im Grab No.1096 beigesetzt. Dessen Ehefrau Helene Friederike Sophie von Einsiedel, geb. Lausen, starb 1968, sie wurde im Grabe vom Carl James Bühring beerdigt. Zwei rotgranitene beschriftete Liegesteine bedecken heute ihre vom Efeu überwachsenen Gräber.
Über 30 Jahre hat Ingeborg von Einsiedel sich um die Bühring-Grabstätte gekümmert und entsprechende Gebühren des Friedhofs bezahlt – seit 1998 ist dieses Grab unter dauerhaftem Schutz gestellt. Sie starb am 01. Februar 2002.
Alfred E. Otto Paul
* Die Urne mit Bührings Asche wurde mittig im Grab No.1095 beigesetzt
** Karl Max Schneider wurde 1952 Mitglied der Akademie Leopoldina, 1953 wurde ihm der Professorentitel verliehen
Die Grabstätte des Brauereibesitzers
Carl Eduard Rohland (1823-1903)
Die im Urnenhain des Leipziger Südfriedhofes befindliche Wahlstelle No.37 wurde vermutlich erst im Jahre 1942 angelegt – Ursache dürfte der Kriegstot des Joachim Rohland gewesen sein, der am 27. September 1941 in Rußland im Alter von erst 28 ½ Jahren gefallen war und dort in fremder Erde sein Grab fand. Er war wohl ein Enkel des Carl Eduard Rohland, der im Jahre 1864 im nahe Leipzig gelegenen Dorfe Möckern die „Bergbrauerei“ gegründet und damit der Familie einen ansehnlichen künftigen Wohlstand gesichert hatte. Der Kriegszeit geschuldet, wurde das als Grabmal der Familie konzipierte kleine Denkmal von einem heute nicht mehr bekannten Leipziger Bildhauer in Kunststein geschaffen. In der querrechteckigen Fläche findet sich ein erhaben aufgesetztes ovales Medaillon, welches den Namen der Familie bezeichnet und das oberhalb von einer Lorbeergirlande umschlossen ist als ein Verweis auf ein untadeliges und verdienstvolles Leben der hier in ihren Gräbern ruhenden Toten.
Bekrönt wird das schlichte Denkmal der Familie mit zwei gleichartigen opulenten Urnen aus Zöblitzer Serpentin in klassizistischer Prägung. Erfahrungsgemäß bergen diese Urnen meistens die Brandreste der auf den jeweiligen Urnen namentlich samt ihren Lebensdaten genannten, feuerbestatteten Verstorbenen – in diesem konkreten Fall kündet die linksseitige Urne davon, dass sich in ihr die Brandreste des am 08. Dezember 1903 im Alter von 80 ½ Jahren verstorbenen Carl Eduard Rohland befinden, des verdienstvollen Patriarchen der Familie. Kennt man die Geschichte der deutschen Feuerbestattung, so erkennt man sofort, dass der Leichnam des Carl Eduard Rohland nicht in Sachsen – also auch nicht in Leipzig – eingeäschert wurde, denn zu dieser Zeit war die Feuerbestattung im Königreich Sachsen noch nicht erlaubt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wurde Carl Eduard Rohland im seit 1878 betriebenen Krematorium Gotha, dem ältesten deutschen Krematorium, eingeäschert und die Urne selbst auch noch über einige Jahre dort aufbewahrt.
Dagegen dürfte die rechtsseitig auf dem Grabmal befindliche Urne mit den Brandresten der im Jahre 1919 gestorbenen Ehefrau des Vorgenannten, Lina Rohland geb. Horn, im Leipziger Krematorium befüllt worden sein, denn seit dem Jahre 1906 wurde endlich auch im Königreich Sachsen die Feuerbestattung gesetzlich für zulässig erklärt.
Es ist davon auszugehen, dass sich beide Urnen ab 1919 schließlich im Kolumbarium des Südfriedhofes befanden und sie dann mit dem Erwerb der Wahlstelle 37 im Urnenhain und der damit verbundenen Schaffung des familiären Grabmales als bekrönende Elemente dort aufgesetzt wurden.
Diese prächtigen Urnen aus Serpentingestein waren einst sogenannte Katalogwaren – im erzgebirgischen Zöblitz gefertigt von einem Serpentindrechsler, wurden sie an Steinmetzbetriebe geliefert und dann entsprechend nach Kundenwunsch beschriftet. Einst waren sie auf unseren Friedhöfen außerordentlich häufig anzutreffen – heute aber werden sie immer mehr zu den unbedingt schützenswerten Raritäten unserer historischen Grabmalkultur.
Und deshalb fand der Autor es an der Zeit, diese schönen Stücke an dieser Stelle zu würdigen.
Alfred E. Otto Paul – im Februar 2023
Ein bronzenes Grabkreuz
für drei Generationen Leipziger Erzgießer
Am 01. Juli 1899, einen Tag vor seinem 34. Geburtstag, gründete Friedrich Traugott Noack in Leipzig die Gießhütte für Bildguss.
Er war in Bockwitz, dem heutigen Lauchhammer, geboren und machte in der dortigen berühmten Kunstgießerei eine entsprechende Lehre. Nach einer Gesellenzeit in der Dresdner Bronzekunstgießerei Pirner & Franz hatte er 1888 in Dresden seine Meisterprüfung als Kunstformer und Gießer absolviert – er war also bestens gerüstet für die Begründung seiner eigenen Gießhütte in Leipzig. Mit Carl Seffners Denkmal des jungen Goethe am Leipziger Naschmarkt, Werner Steins wunderschöner Wasserträgerin am Mägdebrunnen oder wiederum Seffners Denkmal des Thomaskantors Johann Sebastian Bach seien nur einige wenige Werke genannt, die Traugott Noack in Erz gegossen hat. Viele bedeutende Künstler wie Felix Pfeifer, Josef Magr, Max Klinger, Kurt Kluge, Mathieu Molitor, Max Alf Brumme, Walter Zschorsch oder Bruno Eyermann vertrauten ihre Modelle dem Erzgießer Traugott Noack an.
Als Traugott Noack am 05. Oktober 1941 im Alter von 76 Jahren starb, hatte er längst seinem Sohn Fritz Noack die Werkstatt übergeben. Am 09. Oktober 1941 wurde Traugott Noack in einem eichenen Pfostensarg in doppelter Tiefe im Rabattengrab No.62 der V. Abteilung des Leipziger Südfriedhofes beerdigt. Bereits am 30. September 1943 wurde seine Witwe Marie Elisabeth Noack geb. Günther, die vier Tage zuvor im Alter von 77 Jahren gestorben war, im Grabe ihres vorverstorbenen Gatten beerdigt.
Der Sohn Fritz Georg Max Noack starb am 08. September 1981 im Alter von 77 Jahren als würdiger Nachfolger seines Vaters – der Leichnam wurde eingeäschert und seine Asche am 02. Oktober 1981 im elterlichen Grab beigesetzt.
In dritter Generation führte seit 1969 der im Jahre 1931 geborene Gerhard Noack - Sohn des Fritz Noack und Enkel des Traugott Noack - die bedeutende Leipziger Bronzegießerei. Bereits 1992 hatte er die Gießerei seinem Sohn Bert Noack übergeben und damit in die Hände der vierten Generation gelegt. Im August 1999 würdigte das Leipziger Museum für Kunsthandwerk im Grassi in einer bemerkenswerten Ausstellung das hundertjährige Jubiläum der Bronzebildgießerei Noack – aber wenig später, noch im gleichen Jahr, ist Gerhard Noack aus dem Leben geschieden und fand seine letzte Ruhe im Grabe seines berühmten Großvaters Traugott Noack und seines Vaters Fritz Noack.
Das prächtige bronzene Kreuz über dem Grabe dreier hochbedeutender sächsischer Erzgießer ist vermutlich bald nach dem Tod des Firmengründers gegossen worden und kündete seitdem von ihrer Kunst und galt wohl auch als ein familiäres Bekenntnis zum christlichen Glauben.
Alfred E. Otto Paul – im Januar 2023
Kunstwerk Archiv